MiNT pur - selbst compiliert

MultiTOS bietet neben der Möglichkeit, mehrere Programme gleichzeitig ablaufen zu lassen, dem Anwender viele Verbesserungen und Erweiterungen gegenüber früheren TOS-Versionen. Da sind zum Beispiel Memory-Protection, Minix-Filesysteme und Features, die es bequem ermöglichen, viele Programme, die ursprünglich für Unix geschrieben wurden, auf den ATARI zu portieren. Doch nicht jeder möchte sich deswegen gleich MultiTOS zulegen, vor allem deshalb nicht, weil auf alten 8-MHz-STs ein flüssiges Arbeiten nahezu unmöglich gemacht wird. Ein guter Kompromiß ist, statt dessen MiNT, das dem MultiTOS zugrunde liegt und auch alleine einsetzbar ist, zu verwenden. Zudem ist MiNT frei erhältlich.

Hier stellt sich allerdings das Problem, daß MiNT ab Version 0.99 nur noch im Quelltext verbreitet werden darf und man es sich selbst mit einem C-Compiler übersetzen muß. Im folgenden Artikel wollen wir kurz erklären, wie man aus demMiNT-Source-Code ein ausführbares Programm erzeugt. Auch „Nichtprogrammierer" sollten damit zurechtkommen. Möglich ist dies unter anderem mit „Pure C" ab Version 1.1 und dem frei erhältlichen „GNU C". Da nicht jeder Pure C besitzt oder es sich nur für diesen einen Zweck zulegen möchte, zeigen wir Ihnen, wie die nicht ganz triviale Compilierung mit GNU C vonstatten geht. GNU C ist Public Domain und befindet sich auf den ST-Computer-PD-Disketten 438 bis 442. Sie können die benötigten Programme aber auch aus vielen Mailboxen oder von ftp-Servern beziehen.

Voraussetzungen

Für den GNU-C-Compiler (kurz: GCC) ist eine Festplatte mit gut 5 Megabyte freiem Platz und 4 Megabyte Hauptspeicher zwingend erforderlich. Wer nur zwei Megabyte RAM zur Verfügung hat, sollte sämtliche Autoordnerprogramme und Accessories entfernen, da es hier schon sehr eng wird.

Vorbereitungen

Kopieren Sie den Inhalt der Disketten in einen Ordner MINT auf Ihre Festplatte, und packen Sie selbstextrahierenden Archive BIN.TOS, GNUSHELL.TOS, INCLUDE. TOS, LIB.TOS, MINT109S. TOS, UTILITY.TOS und DOC.TOS aus, indem Sie sie einfach per Doppelklick starten. Danach können Sie die Archive löschen.

An der Datei MAKEFILE aus dem Ordner MINT109S müssen ein paar Veränderungen vorgenommen werden. In den Zeilen 93 und 98 sollten Sie Strip durch xstrip ersetzen und die Zeilen 138 bis 140 durch Einfügen eines „#" am Anfang der Zeile auskommentieren. Diese drei Zeilen sind überflüssig, da das erzeugte Programm ASMTRANS.TTP ohnehin fertig übersetzt mitgeliefert wird.

Schließlich installieren Sie an geeigneter Stelle einen Ordner „TEMP", in dem der Compiler seine „Zwischenprodukte" ablegen kann. Starten Sie nun GNUSHELL. PRG. Als erstes muß man angeben, an welcher Stelle sich der Compiler und Make befinden. Dies erfolgt über „Programme..." im Menü „Parameter". Außerdem müssen wir dem Compiler mitteilen, an welcher Stelle Hilfsprogramme, Inclu-de-Dateien, Bibliotheken und das temporäre Verzeichnis zu finden sind. Dies geschieht über Environmentvariablen, die unter dem Menüpunkt „Parameter/Environment..." eingestellt werden. Voreingestellt sind alle Pfade auf Laufwerk D: -wenn Sie den Ordner MINT auf einer anderen Partition angelegt haben, ändern Sie sie entsprechend (s. Abb. 1). Wenn Sie einen TT oder Falcon besitzen und eine speziell auf den 68030 zugeschnittene Version erzeugen wollen, tragen Sie unter „Parameter/Compiler..."in der Zeile Make-Parameter „mint030.prg" ein.

Zu guter Letzt brauchen Sie nur noch im Hauptfenster auf die Zeile mit der Überschrift Makefile zu klicken und in der erscheinenden Fileselectbox die Datei MAKEFILE auszuwählen.

Fertig... los!

Jetzt kann's losgehen: Starten Sie den Übersetzungsvorgang durch einen Klick auf den Button „Make" im Hauptfenster (alternativ dazu können Sie auch einfach die Taste „M" drücken). Anschließend können Sie sich in Ruhe einen Kaffee kochen, Spazierengehen oder ein Bad nehmen: Der Übersetzungs Vorgang nimmt viel Zeit in Anspruch. Wenn es Probleme gibt und das Make den Vorgang abbricht, versuchen Sie es einfach nochmal; normalerweise sollte make dann an der Stelle weitermachen, an der es aufgehört hat.

Installation

Wenn Sie alles richtiggemacht haben, sollten Sie jetzt im Quelltext-Ordner eine Datei MINT.PRG bzw. MINT030.PRG vorfinden. Kopieren Sie diese in Ihren AUTO-Ordner; wenn Sie eine 68030er-Version erzeugt haben, aber die Memory-Protec-tion abschalten wollen, so bennenen Sie sie vorher in MINTNP.PRG um. Dies ist leider auch bei TOS 3.06 notwendig, da dessen AES Speicherschutzverletzungen verursacht.

Legen Sie auf dem Boot-Laufwerk einen Ordner MINT an, und kopieren Steak Dateien MINT.CNF und BOOTGEM PRG hinein. Schließlich müssen Sie ir MINT.CNF noch die Zeile „INIT=c:\ gulam.prg" in „INIT=c:\mint\bootgem. prg" ändern, damit Sie nach dem Booter wie gewohnt im Desktop landen. Sie könnten übrigens an dieser Stelle auch eine TOS-Shell eintragen. Zuletzt kopieren Sie noch TOSWIN.ACC und TOSWIN.RSC in das Wurzelverzeichnis Ihrer Boot-Partition und führen einen Neustart des Systems durch. Wenn Sie alles richtiggemacht haben, können Sie jetzt nach Herzenslust mittels „TOS WIN" TOS-Programme (der parallele Einsatz von mehreren GEM-Programmen bleibt leider nur MultiTOS vorbehalten) in nahezu beliebiger Anzahl gleichzeitig starten.

Wie Sie sich auf dieser Basis eine komplette UNIX-like Umgebung einrichten, können Sie in der Artikelserie „MultiTOS für Einsteiger" ab Teil 4 erfahren [1]. Die beiden erweiterten File-Systeme MinixFS und RAMFS (eine flexible RAM-Disk), die sich auf der dritten Diskette befinden, installieren Sie, indem Sie die jeweilige Datei mit der Endung XFS in den Ordner MINT kopieren. Näheres zum MinixFS können Sie in [2] nachlesen.

Zum Schluß

Das war's eigentlich auch schon. Für näheres zum Umgang mit MiNT und MinixFS verweise ich nochmals auf [1] und [2], Begleitend zu diesem Artikel haben wir alle nötigen Programme und Dateien auf drei PD-Disketten (ST-PD 727, 728 und 729) gegeben. Für ganz Eilige befindet sich auf der ST-PD-Nr. 729 die fertig übersetzte Version 0.95 von MiNT, die auch als Binary verbreitet werden darf und mit der Sie sofort loslegen können. Allerdings fehlen dieser Version noch einige Features, wie zum Beispiel Memory Protection oder Shared-Text.

Literatur:

[1] MultiTOS für Einsteiger, Teil 4 bis 7 von MultiTOS goes UNIX, ST-Computer 11/93, 1/94, 2/94, 4/94
[2] Minix - Turbo für die Festplatte, ST-Computer 10/93

Abb.l: Die Einstellung der Environment-Variablen
Abb.2: Voilä! Drei TOS-Programme parallel!


Matthias Becker
Aus: ST-Computer 10 / 1994, Seite 84

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