Falcon Scene - No Kangaroos In Austria!

Das Bild, das den dritten Platz der Fried Bits III belegte, ist mit „Indypaint“ entstanden.

Es ist schon ein Weilchen her, da bin ich beim Lesen englischer Texte auf das Wort „Austria“ gestoben und muß gestehen, daß ich unwillkürlich an die Insel der hüpfenden Beuteltiere dachte. Der Leser weiß natürlich, daß nichts anderes als unser (jedenfalls fast) deutschsprachiges Nachbarland Österreich gemeint ist. Aber was sollen die „Kangaroos“? Die Wiener vertreiben sich nicht nur die Zeit damit, ihrer Nahrung für einen Norddeutschen unaussprechliche Namen zu geben, sie treiben den Schabernack so weit, dab man auf dem Prater T-Shirts mit dem Aufdruck „No Kangaroos In Austria“ erwerben kann.

Da wir hier aber in einer Computer-Zeitschrift sind (hoffe ich doch), bespreche ich jetzt nicht Rezepte für „Kasnockerln“ oder Geschmacksnuancen von „Käsekreinern“, spätestens bei „Österreich“ klingelt es wohl schon bei den meisten Falcon-Freaks. Genau, ich hatte zu Pfingsten Gelegenheit, die Falcon-Demo-Crew „LAZER“ in Wien zu besuchen.

Der Name „LAZER“ ist schon in vergangenen Artikeln öfter gefallen und steht für qualitativ hochwertige Demos. Neugierig wie ich bin, wollte ich aber mal wissen, wer da den Falcon so erfolgreich strapaziert. Was ich antraf, waren drei nette Jungens und ein noch viel netteres Mädchen. Das fünfte Mitglied, DAN, einen talentierten Grafiker aus Deutschland, der erst kürzlich dazugestoßen ist, verpaßte ich um ein paar Minuten. Er fuhr nach einem einwöchigen Besuch gerade wieder nach Hause. Eine Unterkunft fanden meine Freundin und ich bei „Photon“, einem Programmierer der Gruppe. Er beschäftigt sich studienbedingt mit „visual programming“, und so steht neben dem Falcon auch ein PC in seinem Zimmer, sogar einen Amiga konnte man entdecken. Wo ich gerade beim Vorstellen bin, mache ich auch gleich weiter. „Energizer“ ist der zweite Coder, er hat (außerfalconisch) schon an Entwicklungen für AUTOCAD mitgewirkt und studiert mit „Photon“ zusammen irgendetwas mit Elektrotechnik. Der nächste im Bunde ist „STAX“, dessen Musiken wohl schon jeder Demo-Fan mitpfeifen kann. Er tobt seine musikalischen Fantasien nicht nur am Computer aus, sondern plant auch den Rest der Welt in Trance zu versetzen. Der heimliche „Boss“ ist aber Martina, sie hält die Motivation der Jungens aufrecht und kümmert sich um das Design der Demos; ohne ihr kritisches Urteil erblickt kein Effekt das digitale Licht der Demowelt.

Die LAZER-Crew: Energizer, STAX, Photon und Martina (v.l.n.r.)

Wie entstehen Demos?

Die vier sind nicht nur eine Gruppe sondern auch sehr gute Freunde, und so kommt es, daß wohl die besten Ideen spontan bei fröhlichen Zusammenkünften entstehen. Außerdem lassen sich „LAZER“ viel durch Musikvideos, Jingles und Filme inspirieren. Nach dem Geheimnis ihres Erfolges befragt, meinten sie: „Es gibt viele Gruppen, die wirklich gute Effekte in der Schublade liegen haben, diese aber nie veröffentlichen, da die Endphase eines Demos das eigentlich Mühsame ist (Zusammensetzen der Effekte, Abstimmen der Musik). Wir versuchen, diesen Fehler zu vermeiden und unsere Demos auch wirklich zu releasen“. Daß dieses Rezept funktioniert, kann wohl jeder sehen. Weiterhin wollte ich wissen, was sie ausgerechnet am Falcon reizte, da sie ja auch mit vielen anderen Systemen zu tun haben, und erhielt folgende Antwort: „Der Falcon ist ein kompaktes Gerät, das Sound- und Grafik-Fähigkeiten hat, die bei den meisten anderen Computern erst teuer als Zusatz-Hardware gekauft werden müssen und natürlich nur in den seltensten Fällen kompatibel sind. Außerdem kann man bei richtiger Programmierung sehr viel mehr aus der Falcon Hardware herausholen, als allseits vermutet wird.

LAZER sind ATARI Freaks der ersten Stunde, auf dem ST haben sie bereits vier Demos released, und den Falcon haben sie zur Zeit ja auch kräftig in der Mangel. Dank der „Fried Bits II“ besitzen sie nun auch den jüngsten Sproß ATARIs, den Jaguar, und die Frage lag nahe, was sie von der schwarzen Power-Konsole halten. Folgende Antwort: „ATARI ist mit der Technologie des Jaguars anderen Konsolen sicher weit voraus. Die Spiele, die bis jetzt erschienen sind, bringen durchweg Spielspaß und sind gut designed. Die vollen Fähigkeiten des Jaguars werden aber bei weitem noch nicht ausgenutzt, da ist auf die künftigen Spiele zu hoffen. Der Jaguar hat unserer Meinung nach gute Chancen, sich bei den Konsolen zu etablieren. Es bleibt nur zu hoffen, daß ATARI den europäischen Markt nicht vernachlässigt.“ Dieser Hoffnung schließe ich mich auch an, denn seitdem ich Tempest 2000 auf dem Jaguar gespielt habe und mich dann auch intensiver mit Cybermorph befaßt habe, spare ich auf meine eigene Siliconkatze.

Indypaint: Der Schatten wurde einfach mit einer Verknüpfungsfunktion erzeugt.
Ausgeschnittene Blöcke lassen sich vielfältig manipulieren.
Mit der Realtime-Lupe läßt sich gut arbeiten.

Indypaint

Bleibt noch ein letztes Thema. Was gibt es in Zukunft für die Falcon-User außer tollen Demos von LAZER? Es gibt Ideen und Projekte Für Spiele, die den Falcon voll ausnutzen, die Realisierung ist aber noch nicht sicher. Sollte es aber mal konkreter werden, dürfen alle Falconesen sich schon mal anschnallen. Bis dahin können sich alle kreativen Falconbesitzer mit „Indypaint“ trösten.

Und dieses Trostpflaster ist nicht ohne; wie der Name vermuten läßt, handelt es sich um ein Zeichenprogramm. Es kursiert schon in Insiderkreisen und wird bei Erscheinen dieses Artikels als Shareware-Programm zu erstehen sein. Das True-Color-Malprogramm ist auf die Bedürfnisse der Scene-Grafiker zugeschnitten und unterscheidet sich deshalb entscheidend von seiner kommerziellen „Konkurrenz“. Es verbindet eher klassische Bediensysteme von Rennern wie „Degas Elite“ und „Neochrome Master“ mit den hervorragenden Falcon-Grafikfähigkeiten. Zuallererst ignoriert es GEM etc. total und ist deswegen schnell, sogar in den höheren Auflösungen, die das Programm auch anbietet. Auf einigen Schnickschnack anderer Programme, der in Richtung EBV zielt, verzichtet Indypaint auch, unterstützt den Zeichner aber mit einer weich scrollenden Realtime-Lupe, die ich bei noch keinem GEM-Programm beobachten konnte.

Alle nötigen Zeichenfunktionen wie Freihandzeichnen, Spline, Ellipse und erstaunliche Farbverlauffunktionen bietet Indypaint auch, ebenso wie vielfältige Blockoperationen. Nahezu jede Operation läßt sich mit verschiedenen Verknüpfungsarten durchführen. Man kann einen ausgeschnittenen Block auf eine Grafik addieren oder das Gegenteil tun, so daß der entsprechende Abschnitt verdunkelt wird, für Schatteneffekte ist das sehr nützlich. Am innovativsten zeigt sich aber die Farbauswahl, welche (dank 65000 Farben) einen 16 Farben gewohnten Grafiker in himmlische Sphären katapultiert. Der Farbberauschte kann sich eine Basispalette von 256 Farben zusammenstellen, die aber lediglich zum einfacheren Handling der Farbtülle dient. Mit der rechten Maustaste kann man jederzeit aus dem Bild eine Farbe übernehmen und als Krönung des Ganzen mit Hilfe des Zahlenblockes in Rot-, Grün- und Blauabstufungen getrennt einstellen. Hat man sich an diese Art der Farbeinstellung gewöhnt, ist ein sehr zügiges Zeichnen möglich, und man möchte nie wieder auf diese Option verzichten.

Am Ende sollte noch ein kleiner Animationsteil erwähnt werden, der es erlaubt, beliebig große Bildblöcke zu animieren und auch Animationen abzuspeichern. Für die Spieleentwicklung ist solch ein Tool unverzichtbar. Leider verwaltet Indypaint zur Zeit nur sein eigenes Grafikformat, das macht den Import von anderen Grafikformaten etwas schwierig (naja, genaugenommen unmöglich), einzig 16farbige Degas-Bilder können geladen werden. Dies sollte aber schnell zu beheben sein und resultiert nur aus der Tatsache, daß es bisher noch nicht benötigt wurde. Das Programm sollte von jedem Grafikinteressierten mal beschnuppert werden, die Möglichkeit hat man ja dank des Shareware-Konzeptes.

Soviel zu LAZER, einer interessanten Gruppe, von der man noch viel zu erwarten hat. Am Ende dieses Artikels möchte ich noch ein großes Dankeschön an Lucky of ST von der Gruppe „INTER“ schicken, der es mit einem kleinen, pfiffigen Programm ermöglicht hat, die zahlreichen Screenshots des letzten und dieses Artikels zu machen.

Und endlich gibt es auch eine Möglichkeit, die ganze Scene-Software zu bekommen, wenn man kein Modem hat. Die Initiatoren der „Gore Zone“-Mailbox haben ein Herz für die Nicht-DFÜler und einen Versand ins Leben gerufen. Und hier ist die Adresse:

Phobyx Demo section Postfach 1141 25801 Husum

Eine Liste ist gegen Rückporto erhältlich, und eine volle HD-Disk schlägt mit 5,-DM zu Buche. Alternativ gibt es für 5,-DM (bar) eine Disk mit der kompletten Programmliste der Gore-Zone-Mailbox.

Bis zum nächsten Mal, Euer A.-t-of CREAM.


Kay Tennemann
Aus: ST-Computer 09 / 1994, Seite 100

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