Plotter-Workshop - Folienschneiden mit dem Rechner (1)

In den Randbereichen des Desktop Publishings finden die Folien-Plotter Anwendung, die das Schneiden von Schriften und Grafiken direkt aus dem Rechner auf eine Klebefolie ermöglichen. Man findet diese Anwendung schon seit Mitte der 80er Jahre vor allem in den Unternehmen der Beschriftungstechnik und des Siebdrucks. Inzwischen gibt es jedoch auch „Desktop-Plotter" in einer Qualität, die noch vor 3-4 Jahren nur von den sehr teuren Modellen erreicht werden konnten. Daß dieser eher handwerklich orientierte Arbeitsbereich über eine ganz normale ATARI-DTP-Anlage gesteuert werden kann, macht die Sache natürlich für Service-Anbieter um so interessanter.

Auf der ATARI-Messe '90 war ein Folien-Plotter noch eine exoti-i sehe Seltenheit. Sehr teuer waren sie, und wer sich dann doch einen Plotter leistete, landete bei der zugehörigen Hard- und Software schnell beim in vielen Unternehmen geltenden „PC-Standard". Nur ein Jahr später gehörten die Plotter bereits bei vielen Ausstellern zur notwendigen Peripherie. Hier waren es vor allem der Roland Camml als auch die Graphtec-Plotter, die wohl zu den meist genutzten Geräten im ATARI-DTP gehören. Mit einer maximal bearbeitbaren Folienbreite von ca. 60cm gehören sie ja schon zu den professionell einsetzbaren Geräten, die ein auf Beschriftungen spezialisierter Betrieb zur Deckung fast aller anfallenden Arbeiten betreiben kann. Alles was aus Vektoren gezeichnet und gesetzt ist, läßt sich vom Plotter schneiden und zeichnen. Der Bedarf an Computerschriften ist nach wie vor sehr groß, und für manch eine kleine DTP-Agentur hat sich der Plotter aus der Peripherie heraus inzwischen vielleicht zum zentralen Gerät gemausert, über das ein großer Teil der Aufträge erledigt werden kann.

Die Vorlagen

Im Gegensatz zu allen anderen Ausgaben z.B. über Laserdrucker oder Belichter kann der Plotter ausschließlich Vektorobjekte verarbeiten. Genau auf diesen Vektoren wird das Messer des Plotters entlanggeführt und schneidet die Folie, wobei der Andruck je nach Folienstärke eingestellt werden kann. Manchmal kann man in diesem Zusammenhang die Begriffe „saubere Outline-Schriften" oder „plotfähige Grafiken" lesen. Das heißt zum einen natürlich, daß diese Elemente im Vektorformat vorliegen. Vor allem aber wird mit solchen Worten darauf hingewiesen, daß diese Objekte keine Überschneidungen von Vektorzügen beinhalten. Drucken und Belichten lassen sich solche Vorlagen problemlos. Vom Plotter werden jedoch nur Linien gezeichnet und geschnitten, die Flächenfarbe ergibt sich aus der Colorierung der jeweiligen Folie.

Werden Vektorvorlagen mit sich überschneidenden Pfaden trotzdem geplottet, z.B. Texte aus Schreibschriften, die recht eng gesetzt werden müssen, so mögen die dann durch den Folientext gehenden Schnitte vielleicht auf einem Schild kaum zu erkennen sein. Nach einiger Zeit, und die ist bei billigerem Folienmaterial immer sehr kurz, schrumpft die Folie durch Witterungseinflüsse, und die Schnitte treten als deutlich sichtbare Blitzer in Erscheinung. Schlimmer noch, wenn diese angeschnittenen Folien für einen Siebdruckfilm verwendet werden: die vorher vielleicht unsichtbaren Schnitte werden gnadenlos mitbelichtet und machen den Druck wertlos.

Um derartige Vorlagen trotzdem mit dem Plotter verarbeiten zu können, bieten manche Programme entsprechende Funktionen an. In diesem ersten Teil unseres Plot-Workshops wollen wir uns jedoch erst einmal mit der Praxis beschäftigen, bevor wir im nächsten Monat die Software vorstellen, die auf dem ATARI das Folien-Plotten ermöglichen soll.

Wann lohnt er sich ...

„Mit den Computerwerkzeugen scheint es etwas Magisches auf sich zu haben." Lange Zeit wurde in der kleinen Siebdruckerei Luis in Paderborn der Erwerb eines Folien-Plotters aufgeschoben, obwohl vielleicht 10-15mal im Monat auch Aufträge für Folienbeschriftungen hereinkamen. Diese wurden dann entweder manuell gefertigt oder von einem externen Betrieb über einen dort vorhandenen Plotter ausgegeben. Für den Eigenbedarf an Folien zur Montage von Siebdruckfilmen galt das gleiche, eher unwirtschaftliche Prinzip, nur daß hier des öfteren, wie schon seit Jahren, die Filmherstellung über Reprokamera und Schere lief.

Als Anfang '92 endlich der Entschluß gefaßt wurde, in den neu bezogenen Betriebsräumen auch einen Plotter-Arbeitsplatz auf ATARI-DTP-Basis einzurichten, schien das nur ein gutes Timing gewesen zu sein; seit dieser Zeit wird jedenfalls ein großer Teil des Umsatzes mit der Fertigung von Folienschriften und den damit fast immer verbundenen Nachfolgegeschäften in anderen Bereichen der Firmenwerbung erwirtschaftet.

... der Plotter?

Die gleiche DTP-Konfiguration, die bei der Gestaltung von Drucksachen ihre Dienste tut, kann also mit einem Plotter neben effektiverem Arbeiten auch in anderen Arbeitsfeldern zu wirtschaftlichen Verbesserungen führen. Umgekehrt gilt das gleiche. So hatte man sich in der Siebdruckerei anfangs für das Plotten auf dem ATARI entschieden, um den Bedarf an Folienschriften kostengünstig abzudecken. Inzwischen können, mit der gleichen Hardware und Calamus SL und Didot als Software auch Aufträge aus der Druckvorlagenherstellung angenommen werden. Die Kunden sind ja die gleichen, ebenso die graf ischen Vorlagen: wer kommt, um eine LKW-Beschriftung in Auftrag zu geben, hat normalerweise auch Bedarf an weiterer Geschäftswerbung. Diese kann dann kostengünstig unter Verwendung der bereits vorhandenen Gestaltungselemente des Beschriftungsauftrags gleich mit erledigt werden.

Die Geschäftsdrucksachen, die für einen Kunden im Layout-Programm entworfen und belichtet wurden, beinhalten ja meist auch schon exakt die Daten, die für den zusätzlichen Bedarf an Beschriftungen, Schildern und KFZ-Aufklebern benötigt werden. Hier können also gleich die identischen Vorlagen des Firmenlogos und der Datenfelder genutzt werden. Wurden diese Elemente bereits bei der Gestaltung der Drucksachen im Vektorformat angelegt, kann eigentlich auch sofort geplottet werden.

Besonders beim Satz von Schreibschriften ergeben sich gezwungenermaßen Überschneidungen in den Vektorpfaden. Würde dieser Text so auf Folie geplottet dann wurden die Schnitte in den jeweils nächsten Buchstaben laufen.

Wird ein Text für eine Folienbeschriftung 2farbig angelegt, so wird das, was nachher als Outline zu sehen ist oft als eigener Schriftzug angelegt. Einmal wird also der gesamte Text in seiner „Outline-Größe“ geplottet ein zweites Mal nur der eigentliche Text ohne Outline. Die drei Abbildungen zeigen den Ablauf: der Text die spätere Outline, das montierte Endergebnis.
Die bereits vorhandene Vorlage im CVG-Format kann auf einen Scan des Kundenfahrzeugs montiert werden. Nicht nur für den Kunden ergibt sich so ein realitätsnahes Bild der späteren Beschriftung.

Gerade in kleineren Firmen, die in einem Leistungsbereich allein keine vollen Kapazitäten fahren können, kann häufig durch zusätzliche Serviceleistungen ein großer Teil von Nachfolgeaufträgen gebunden werden. Ganz ähnlich war es ja auch vor 2-3 Jahren, als manch kleine DTP-Agentur, die mit dem Satz allein nicht so recht über die Runden kam, in einen Belichter investierte und sich heute vielleicht als gut ausgestatteter und kompetenter Dienstleister für den Film- und Lithoservice präsentiert.

Der Plotter und seine Software sind dort eine sinnvolle Ergänzung, wo die DTP-Konfiguration nicht unbedingt nur zur Druckvorlagenherstellung herangezogen wird. Abgesehen von den klassischen Bereichen wie Siebdruck und Beschriftungstechnik, in denen man mittlerweile ohne eine derartige Technik nicht mehr auf dem Markt konkurrieren kann, bietet der Einsatz eines Plotters gerade im Kleingewerbe die Möglichkeiten eines handwerklich orientierten Full Service. Allein der Einzelhandel benötigt regelmäßig und oft in kurzen Abständen Beschriftungen zum Bewerben neuer Angebote. Und das betrifft nicht nur die Beschriftung von Schaufenstern und Außenschildern.

Wer konventionelles Desktop Publishing betreibt und den Folienplot-Service als zusätzliche Dienstleistung anbieten will, muß wissen, daß trotz aller Technik mindestens die Hälfte der anfallenden Arbeiten ohne den Computer erledigt werden muß. Die Fertigung von Folien-Plots gehört deshalb weniger zum weiten Gebiet des „digitalen Publizierens" als zur klassischen und immer noch auf Handwerk basierenden Beschriftungstechnik. Alle Arbeiten, die nach der reinen Plot-Ausgabe anfallen, können noch keiner Maschine übertragen werden: der Negativbereich der Folie muß entfernt werden, was besonders bei kleinen Schreib- und Serifenschriften zum längerwierigen „Vergnügen" wird, Folien werden mehrfarbig montiert, mit Applikationsfolie kaschiert usw.

In der Folge entstehen also in jedem Fall auch weitere Kosten für die Arbeitszeit, die fast immer länger anzusetzen ist, als der eigentliche Plot-Vorgang dauert. Man muß immer wieder mit dem Messer selbst Hand anlegen, z.B. bei der Montage der geschnittenen Schriften auf Schilder, Fenster und Fahrzeuge. Will man nicht selbst plotten, bieten inzwischen mehrere Firmen einen Plot-Service auf ATARI-Basis an, entsprechend dem bereits bestehenden Belichtungsservice.

Die Praxis

Wie sieht ein ganz normaler Beschriftungsauftrag in der Praxis aus? Für eine PKW-Beschriftung werden zuerst einmal die genauen Maße der Wagenfläche benötigt, die für die Folienbeschriftung zur Verfügung steht. Das Messen erfolgt idealerweise direkt am Wagen: die zu beschriftenden Flächen werden in maximaler Größe ausgemessen und die Beschriftung in der Werkstatt nach diesen Maßen vorbereitet.

Besonders bei aufwendigeren Beschriftungen sollte dem Kunden, noch bevor die Folien geschnitten werden, ein Entwurf präsentiert werden können, der die fertige Arbeit in den korrekten Proportionen auf einer Skizze seines PKW zeigt. Für die Bildvorlagen der Wagentypen bieten sich beispielsweise die Datenblätter an, die als kostenlose Werbung in jedem Autohaus zu bekommen sind. Diese sind oft mit Aufrißzeichnungen aller Seiten des PKW versehen, aus denen auch die genauen Abmessungen hervorgehen. Diese Abbildungen können gescant und in einem Malprogramm entsprechend dem Kundenfahrzeug eingefärbt werden. Vektorvorlagen aller möglichen Fahrzeugtypen sind auch im Handel erhältlich, aber meines Wissens leider noch nicht im ATARI-üblichen CVG-Vormat.

Das weitere Vorgehen hängt von der verwendeten Software ab. Die Textblöcke können z.B. nach den vorhandenen Maßen direkt in einem Layout-Programm gesetzt werden. Aus DA's Layout oder DA's Vektor Pro kann direkt im Vektormodus gearbeitet werden, für die in Calamus gesetzten Texte werden LineArt oder Bridge benötigt, um sie ins CVG-Format zu konvertieren. Oder man benutzt das Calamus Plot-Modul „CalPlot",-dazu nächsten Monat mehr.

In einem Layout-Programm werden anschließend die Elemente der Beschriftung auf die eingefärbte Abbildung montiert. Die Gestaltung liegt ja schon im plotfähigen Vektorformat vor und kann so ohne Auflösungsverlust der Größe unserer Abbildung angepaßt werden. Wenn dann alles beispielsweise auf einem HP 550C Farbdrucker ausgegeben wird, hat nicht nur der Kunde einen relativ realitätsnahen Eindruck der fertigen Arbeit.

Scannen, Einfärben, Textsatz und Vektorarbeiten- bisher haben wir es mit Tätigkeiten zu tun gehabt, die uns täglich in der Druckvorlagenherstellung begegnen. Im Gegensatz dazu müssen wir uns aber bei den Plots auch um die Ausgabe der Daten selbst kümmern. Vom Satz bis zum fertigen Produkt wird hier alles selbst produziert, ohne Auftragsvergabe an Belichter und Drucker.

Folien

Die Auswahl der Folienfarben ist dann besonders heikel, wenn im Rahmen einer Komplettausstattung neben den Offset-Drucksachen auch Folien-Plots oder Siebdrucke in den identischen Firmenfarben geliefert werden müssen. Jedes Verfahren zur Weiterverarbeitung nutzt dabei seine eigenen Farbpaletten. Im Regelfall sind die Vorgaben schon durch die im Offsetdruck gebräuchlichen HKS-Farben festgelegt. Diese werden im Siebdruck angemischt, und sind als Folienfarben schwer zu bekommen. Für einen Plot-Auftrag, in dem eine sehr genaue Angleichung der Offset-, Siebdruck- und Folienfarben gewünscht wurde, mußte „Luis" dann aus eben diesen Gründen auch schon mal eine weiße Folienbahn flächig im Siebdruck bedrucken, um aus dieser so kolorierten Folie die gewünschten Plots anzufertigen! Farbmuster der Folienfarben bekommt man beim Plot-Service oder direkt bei den Folienlieferanten.

Da Plotter in einer ganzen Reihe von Anwendungen eingesetzt werden, nicht nur für die überall zu sehenden Schaufenster- und PKW-Be-schriftungen, sind auch Folien für die unterschiedlichsten Weiterverarbeitungen erhältlich. Da gibt es Folien für die Planenbeschriftung, Folien für kurze Anwendungen (z.B. Fensterbeschriftung), Folien mit langer Haltbarkeitsdauer (Haltbarkeitsdauer heißt bei Folien, daß sie durch Temperaturschwankungen und Sonneneinstrahlung kaum schrumpfen oder an Farbe verlieren), transparente Folien für die Leuchtkästenwerbung und zur Maskenerstellung für Sandstrahl-, Airbrush- und Lackierarbeiten usw. Jede hat eine andere Konsistenz, und nicht jede läßt sich auch für andere Zwecke einsetzen. Und natürlich hat auch jede ihren Preis, der in dem oben genannten Spektrum leicht von DM 3,- bis über DM 50,- für den laufenden Meter liegen kann.

Ähnliche Unterschiede gibt es bei den Applikationsfolien, die zur Montage der geplotteten Folien immer benötigt werden: transparente Kunststoff-Folien, die sich gut für trockene Montagen eignen, halbtransparente Papiere, die für nasse Kaschierungen ideal sind, usw. Jeder Betrieb wird hier seine eigenen Arbeitsweisen entwickelt haben. Wer sich noch nicht so recht mit den unterschiedlichen Materialien auskennt, sollte sich einmal von einem Folienlieferanten Muster der verschiedenen Folien zukommen lassen, mit denen dann eigene Tests gefahren werden können.



Aus: ST-Computer 01 / 1994, Seite 70

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