Mortimer, ein Produkt aus dem Hause OMIKRON, beschreibt sich selbst als Multi-Utility der dritten Generation. Die hier vorliegende Version nennt sich Mortimer DeLuxe 3.06. Ob der Butler eine gute Hilfe für den täglichen Arbeitsaufwand am Rechner ist, soll in diesem Artikel ergründet werden.
Ausgeliefert in einem DIN-A5-Ordner mit 150 beidseitig bedruckten Seiten, kommt das Programm auf einer Diskette ins Haus. Installiert ist Mortimer sehr schnell und einfach. Das Handbuch ist in diesem Teil auch so ausführlich, daß jeder seinen Mortimer installieren kann. Mortimer ist im Gegensatz zum Kontrahenten Harlekin (1) kein Accessory, aber trotzdem jederzeit verfügbar. Soll Mortimer immer im Rechner anwesend sein, empfiehlt es sich, ihn in den Auto-Ordner zu stecken und beim Booten gleich mit zu starten. Aufgerufen wird er Default-mäßig mit der Tastenkombination Control + Alternate. Diese Kombination kann mit Hilfe des Setup-Programms geändert werden. Dort werden alle Einstellungen des Programms getätigt und auch übernommen. In diesem Setup-Programm wird u.a. die Zugriffsberechtigung eingestellt. Jeder, der Mortimer im Auto-Ordner hat und ein Boot-Selektor-Programm benutzt, wird diese Zugriffsberechtigung feststellen, wenn der Boot-Selektor ein Programm umbenennen will. Mortimer fragt in diesem Fall nach, falls die Berechtigung dafür nicht erteilt wurde. Dies ist ein wichtiger Teil der Virenüberwachung in Mortimer.
Mortimer ist zwar kein Anti-Viren-Programm, aber beim Thema Virus sehr aufmerksam. So meldet das Programm einen Schreibzugriff auf eine Datei und unterbindet diesen zuerst. Nach einer Entscheidung des Anwenders wird dann fortgefahren. Dieses Verfahren soll dem Aufspüren von Link-Viren dienen. Sollte aber tatsächlich ein Link-Virus existieren, so kann ihn Mortimer nicht entfernen. Das muß einem externen Viren-Killer-Programm überlassen werden. Säubern kann Mortimer allerdings Boot-Sektoren, wenn einen ausführbaren gefunden haben sollte. Nachdem Daten über erlaubte ausführbare Boot-Sektoren in Mortimer aufgenommen wurden, muß man die INF-Datei sichern, auf daß die Daten auch langfristig im Butler-Gedächnis bleiben. Das Speichern der INF-Datei passiert im Hauptmenü von Mortimer. Fürs Sichern und fürs Laden der INF-Datei gibt es jeweils einen eigenen Buttons. Alle 25 Button können natürlich mit der Maus angewählt werden, auch wenn Mortimer in einem TOS-Programm aufgerufen wird. Des weiteren kann jeder Button mit einem Tastaturkommando aktiviert werden. Hierfür sind dann aber schon gute Augen notwendig, da ein kleines alphanumerisches Zeichen in Verbindung mit der Alternate-Taste für die Selektierung zuständig ist. Wer diese Tastenkombination ständig nutzen möchte, sollte ein gutes Gedächnis haben, da einige Zeichen in keinem Zusammenhang mit dem Button stehen. Auch die Kommandos, die man in der Kommandozeile eingeben kann, sind in der Regel englische Begriffe. Welches Ziel damit verfolgt wurde, bleibt unklar! Aber auch hier hilft ein Starten des Setup-Programms, um das komplette Hauptmenü neu zu gestalten. Das kann bis zur völligen Eliminierung eines Eintrages gehen.
Was dem Butler im Hauptmenü nicht angesehen wird, ist das Kalkulationsmenü. Es gibt aber keine kleinen Buttons, um die Zahlen anzuklicken, sondern alles muß von Hand in der Kommandozeile eingegeben werden. Gerechnet wird in DEZ, HEX oder BIN. Leider kann in der Eingabezeile nicht zurückgeblättert werden, um eine ältere Eingabe zu korrigieren. Da es auch keine Möglichkeit des Zwischenspeicherns gibt, ist der Taschenrechner nicht gerade als komfortabel zu bezeichnen. Der String in der Ergebniszeile wird in den Speicher des Einspieltreibers übernommen. Dieser Einspieltreiber ist ein Teil der Tastaturmakros. Die Makros werden, wie weit gebräuchlich, durch ein Recording aufgezeichnet. Hierbei sind so ziemlich alle legalen Tastaturkombinationen möglich. Allerdings sollte der Anwender über ein gutes Gedächtnis verfügen, da es keine Makroübersicht im Mortimer gibt. Diese Übersicht wird in Form eines kleinen Programmes geliefert, welches einen freien Editor in Mortimer aufruft und dort die Makros darstellt. Jetzt ist natürlich auch eine Veränderung der Makros möglich.
Stichwort Editor: Dieser stellt mit Sicherheit einen Höhepunkt in Mortimer dar. Nach Aufruf durch Tastaturkommando oder durch Anklicken des Buttons landet man im Editor. Dieser sieht auf den ersten Blick sehr sparsam aus. werden doch lediglich in der obersten Zeile die Cursorposition, der ASCII-Code der Zeichens unterm Cursor und der Dateiname angezeigt. Durch Drücken der Help-Taste erscheint ein kleiner Dialog, der einen Teil der Editor-Möglichkeiten anzeigt. Als erstes fällt auf, daß man mit den Funktionstasten zwischen zehn(!) Editoren wechseln kann. Ganz unten steht lapidar, daß der Rest den Menüs entnommen werden soll. Diese Menüs sieht man durch Bewegen des Mauspfeils in die schwarze Kopfzeile. In den einzelnen Menüs findet man auch einen Teil der Einträge im Hauptmenü wieder. Unter anderem kann der Taschenrechner von hier aufgerufen werden. Werden Bilder eingeladen, die Mortimer kennt, so kann eine Darstellung erfolgen, indem der entsprechende Eintrag gewählt wird. Alle gängigen Editorfunktionen wie z.B. Suchen, Ersetzen, Blockfunktionen und Drucken sind natürlich enthalten. Eine besonders schöne Sache ist die Möglichkeit, den aktuellen Editor-Text mit dem Text eines der anderen Editoren zu vergleichen.
Ein Notizblock ist der elfte Editorplatz. Er ist auch nur ein ganz normaler Text, ohne besondere Formatierung und Funktionen. Er dient zur Niederschrift von ein paar Notizen. Sind die Texte noch im Editor, und speichert man die INF-Datei von Mortimer ab, so stehen einem damit diese Texte auch nach einem Kaltstart wieder zur Verfügung. Der Notiztext wird indes automatisch gesichert. Sie können natürlich auch alle gedruckt werden. Als Unterstützung dazu gibt es den Spooler, der sowohl auf der seriellen als auch auf der parallelen Schnittstelle funktioniert. Konfiguriert wird der Spooler im Hauptmenü. Die Größe des Spoolers kann nicht beeinflußt werde, da sich dieser vollautomatisch anpaßt. Der Speicher, den Mortimer braucht, nimmt sich das Programm auch. Dabei verändert es die Systemvariable MEMTOP, damit andere Programme sich den Speicher bis MEMTOP komplett reservieren können, ohne Mortimer damit auszublocken. Die momentane Speicheraufteilung kann im Hauptmenü unter „Speicher“ begutachtet werden.
Einem Helfer dürfen in der heutigen Zeit die wichtigste Speichermedienbearbeitungsfunktionen nicht fehlen. Mortimer hat sie auf der Hauptmenüoberfläche im Angebot. Hier kommt sicher auch die Kommandozeile sinnvoll zum Einsatz. Als erstes wäre nämlich der Button Umbenennen’ an der Reihe. Das englische Kommando „rename“ ermöglicht in der Schreibweise: RENAME A:LIESMICH.TXT READ_ME.DOC die sofortige Umbenennung von Dateien, ohne den Fileselektor zu benutzen. Das gleiche gilt für die Befehle Verschieben, Kopieren und Löschen. Da die verschiedenen Funktionen im allgemeinen das gleiche Menü aufrufen, ist fraglich, warum mehrere Buttons auf der Oberfläche verwendet wurden und nicht ein Sammelbegriff für Disk-Operationen gefunden wurde. Als weitere Disk-Funktionen gibt es noch Disketten-Copy, Formatieren, Ordner anlegen und Dateien suchen. Für die Festplatte wurde außerdem das SHIP.PRG von ATARI implementiert, welches die Platte in der Regel parken soll. Allerdings funktioniert dies nicht bei allen Festplatten, da diese auch den Befehl erkennen und unterstützen müssen.
Mortimer hat einen integrierten Bildschirmschoner, der den Bildschirm invertieren soll. Leider funktionierte dies bei mir weder auf dem 1040er noch auf dem TT. Erst nachdem die INF-Datei gesichert und ein Reset durchgeführt wurde, zeigte sich ein Erfolg auf dem 1040er. Der Bildschirm wurde invertiert, aber nicht nach der eingestellten Zeit, sondern wesentlich später. Für experimentierfreudige Anwender ist der Mausbeschleuniger gedacht. Hier kann der Treiber durch drei Variablen so individuell eingestellt werden, daß jeder seine Einstellung finden sollte. Das zusätzlich einstellbare Raster sorgt für eine Unterstützung in primitiven Zeichenprogrammen. Der Startpunkt des Rasters kann während des Betriebs mit der Alternate-Taste neu gesetzt werden. Bei gedrückter Alternate-Taste ist das Raster inaktiv. Um sich das Mitladen des ATARI-Kontrollfeldes zu ersparen, hat man auch gleich ein solches in Mortimer untergebracht. Dort werden die Tastatureinstellungen und die Druckerschnittstelle(n) konfiguriert. Eine Einstellung der seriellen Schnittstelle ist dort nicht zu finden. Als letztes sollte noch die flexible RAM-Disk erwähnt werden. Flexibel deshalb, weil sie nur den Speicher beansprucht, den die Dateien in der RAM-Disk auch benötigen.
Der Butler ist auf jedem Rechner und in jeder Auflösung eine Hilfe. Allerdings präsentiert er sich immer im gleichen Gewand, sprich er bleibt beim monochromen Outfit. Ein wahres Highlight im Butler ist der Editor, der einem durch das Konzept von Mortimer überall zur Verfügung steht. Sämtliche Dateioperationen werden heutzutage schon von fast jeder Fileselectbox angeboten. Es wäre vielleicht wichtiger gewesen, alle Funktionen von Mortimer sofort auf der Oberfläche anzubieten. So kann nur der aufmerksame Leser des Handbuchs feststellen, daß es eine Lupe gibt und daß der Mauspfeil bei Bedarf an- und ausgeschaltet werden kann. Auch der Bildschirmschoner findet sich erst nach der
Eingabe screen. Mortimer hat viele gute Ansätze, wovon einige allerdings nicht ganz bis zu Ende gedacht wurden. Irgendwie schleicht sich das Gefühl des „Nicht-fertig-Seins“ ein. So bleibt Mortimer etwas hinter den Erwartungen zurück, die an ein Multi-Utility der Version 3 gestellt werden. Es sollte aber letzen Endes jeder für sich entscheiden, ob Mortimer den eigenen Ansprüchen gerecht wird. Bis zur nächsten Version wird es also heißen: Eure Lordschaft haben geläutet?
JH
Bezugsadresse: Omikron.SOFTWARE Sponheimerstraße 12a D-75177 Pforzheim
(1) getestet in ST-Computer 1/93, Seite 36ff
Positiv:
immer erreichbar
sehr guter Editor
Negativ:
gutes Konzept oft nicht zu Ende gebracht
überfüllte Dialoge