Farbe für das Volk: Grafikkarte Volksfarben 4000

Wie im vorhergehenden Test der Crazy Dots berichtet, werden inzwischen bei manchen Herstellern von Grafikkarten die Unterstützung der alten ST-Serie aufgegeben und die neuen Grafikkarten nur noch für die Rechner mit VME-Bus angeboten. Anders die Firma EXCET: Deren neustes Produkt, die Grafikkarte Volksfarben 4000, arbeitet ausschließlich mit den „alten“ Rechnern der ST-Serie zusammen.

Das Konzept der Grafikkarte ist dabei gänzlich anders als bei den meisten anderen Anbietern: Während diese auf eine Eigenentwicklung setzen und die Grafikkarte bis zum letzten Chip selbst zusammensetzen, greifen die Hersteller der Volksfarben auf eine handelsübliche PC-Grafikkarte zurück und schließen diese mittels eines speziellen Adapters an die Rechner der ST-Serie (520/1040/Mega ST) an. Ein Anschluß der Grafikkarte an Rechner mit VME-Bus (TT oder Mega STE) ist jedoch nicht möglich und auch nicht geplant, und auch der Anschluß an einen 1040 STE dürfte zumindest problematisch werden, da Atari für diesen Rechner eine andere Bauform der CPU verwendet hat, für die es noch kein fertiges Anschlußschema gibt. Zwar sollen die handelsüblichen Adapter, die auch für den Einbau von PC-Emulatoren benötigt wurden, mit der Volksfarben funktionieren, doch wurde dies nie offiziell vom Hersteller bestätigt. Auch fehlte bei Redaktionsschluß eine entsprechende Erfolgsmeldung eines Volksfarben-Benutzers.

Lötkolbenakrobat gesucht?

Der Einbau der Volksfarben geht im Mega ST ganz einfach vonstatten: Man steckt die Grafikkarte in den Adapter und diesen dann samt der Grafikkarte auf den Systembus des Mega ST, der allerdings nicht durchgeführt ist, so daß Besitzer eines Coprozessormoduls in Zukunft auf den Rechenknecht verzichten müssen. Anschließend wird noch ein Stecker auf die freie Stromversorgung des Netzteils gesteckt, und das System ist (hardwaremäßig) einsatzbereit. Nicht ganz so einfach ist der Einbau bei den Rechnern, die nicht über den Mega-Bus verfügen. Hier muß erst auf die CPU ein Sockel aufgelötet werden, der dann ein Einstecken des Grafikkartenadapters erlaubt. Problematisch wird die ganze Sache erst dann, wenn neben der Volksfarben ein Beschleuniger-Board benutzt werden soll. Dabei, zumindest bei den Tastaturrechnern, muß dann einiges an Tricks auffahren, damit die beiden feindlichen Brüder zu einer Zusammenarbeit bewegt werden können. Außerdem stellt sich hier ein Platzproblem, auch beim originalen 68000er: Der Deckel geht nach dem Einbau einfach nicht mehr zu, so daß man in Zukunft entweder mit einem offenen Rechner arbeiten oder aber dem ST ein neues Zuhause in Form eines PC-Desktop- oder Tower-Gehäuses schaffen muß. Mega-ST-Benutzer haben es da einfacher: Durch die Verwendung des Megabusses kann man den Prozessor weiter „frei“ nutzen. Allerdings gibt es dann Probleme mit der Bauhöhe des Beschleuniger-Boards, das nicht an die weit über den Prozessor hinausragende Grafikkarte stoßen darf. Platz ist im Gehäuse des Mega ST reichlich, so daß man mittels eines kleinen Zwischensteckers für ausreichend Freiraum sorgen kann. Beschleuniger-Boards sind aber insgesamt nicht der ganz große Freund der Volksfarben-Grafikkar-te: Lediglich wenige Beschleuniger kommen mit der Farbenpracht zurecht, besonders Boards mit 68030-Prozessor bereiten jedoch zur Zeit noch unüberwindliche Anpassungsprobleme, die eine Zusammenarbeit verhindern. Mit dem Medusa-Board, das mit Motorolas Flaggschiff, dem 68040 Prozessor ausgestattet ist, hingegen arbeitet die Volksfarben korrekt zusammen, so daß es kein Problem sein kann, das in dem neueren Prozessor begründet ist. Vermutlich funkt dabei eine kleine Unsauberkeit in der Anpassung des 68030 an die ST-Hardware dazwischen.

Die Konfigurations-Software erlaubt es, alle Parameter einer ET-4000-Karte komfortabel zu verändern.

Einstellungssache...

Mit dem hardwaremäßigen Einbau der Grafikkarte ist jedoch die Installation ebensowenig beendet wie bei der Crazy Dots II. Auch hier muß erst einmal eine Treiber-Software installiert werden, die hierbei serienmäßig NVDI/ET-4000 heißt. Dies ist natürlich erfreulich, handelt es sich dabei doch um den zur Zeit schnellsten Grafikkartentreiber am Markt. Die Einstellung der gewünschten Auflösung ist ein wahres Kinderspiel, da hier ein sehr angenehmes und gegenüber anderen Grafikkarten neues Konzept verwendet wird: Da man beim Erwerb der Grafikkarte meist sowieso noch über den alten ST-Monitor verfügt, werden die Ausgaben des Einstellprogramms auf diesem dargestellt, und auf dem an die Volksfarben angeschlossenen Monitor erscheint ein Testbild, das nun synchron mit den Veränderungen der Einstellungen das daraus resultierende Bild darstellt. Durch diese ständige optische Kontrolle ist das Einstellen des optimalen Bildes ein Kinderspiel. Natürlich wacht das Konfigurationsprogramm auch darüber, daß die beim Programmstart vorgegebenen Maximalwerte für Zeilen- und Bildwiederholfrequenz nicht überschritten werden, und warnt, wenn man dies doch anwählen sollte, davor. So wird effektiv eine Beschädigung des Monitors verhindert. Das Programm funktioniert natürlich auch nur mit einem Monitor (entweder ST oder Grafikkarte), verliert so natürlich einiges an Komfort und kann deshalb prinzipbedingt auch keine Änderung der Auflösung, Farbenzahl etc. direkt auf die Grafikkarte bringen. Ein direktes Verändern der einzelnen Parameter innerhalb einer Auflösung ist zwar möglich, jedoch erweist es sich als um ein Vielfaches umständlicher als der Zwei-Monitor-Betrieb. Erwähnenswert ist an dieser Stelle besonders das Handbuch: Es gibt über alle Parameter ausreichend Auskunft und erklärt deren Wirkung, so daß sich selbst Ungeübte schnell ein Bild darüber machen können, was man mit dem Verändem der Werte für Effekte erzielen kann.

Triebtäter...

Durch die Verwendung des NVDI-Treibers für diese Grafikkarte haben die Entwickler mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: zum einen sparten sie dabei Entwicklungskosten, die ein eigener Treiber zwangsläufig verursacht, und kauften zum anderen das ein, was die meisten Benutzer sowieso nachträglich erworben hätten: den Nachbrenner für Grafikkarten mit dem Namen NVDI. Durch diesen Schachzug kommt der Benutzer in den Genuß des Gerätes zu einem sehr günstigen Preis, der aber nicht darauf beruht, daß an der Leistung gespart wurde. Im Gegenteil wurde gleich ein bewährter und anerkannt schneller Treiber eingekauft, der von den Autoren auch exzellent gepflegt wird und bei anderen Grafikkarten nur gegen Aufpreis zu haben ist. Für den Treiber gilt hier das gleiche wie bei der Crazy Dots II: Weder auf dem Gebiet der Kompatibiltät noch auf dem der Schnelligkeit ist er zu schlagen, er dürfte wohl der augenblicklich beste Treiber auf dem Markt sein. Der Fairneß halber sei gesagt, daß dieser Treiber ebenso noch für die Spectrum- und GengTec-Grafikkarten verfügbar ist.

Arbeiten wie die Profis...

Nachdem die Installation sow'ohl software-wie hardwaremäßig beendet ist, kann die Arbeit mit der Grafikkarte beginnen. Hierbei fällt zuerst einmal auf, daß man beim Löten mit äußerster Sorgfalt zu Werke gehen muß: Nach dem Einbau der Karte suchte ich einige Stunden nach einem sporadisch auftretenden Bus-Error, der das System ins Nirwana schickte. Des Rätsels Lösung: ein Bein der Erweiterung war nicht richtig verlötet, so daß sich dieser Kontakt störend auf die Betriebssicherheit auswirkte. Nach dem nochmaligen Verlöten des Pins traten keine weiteren Probleme auf, und die Volksfarben Grafikkarte lief sicher und stabil. TOS 1.04 stellt jedoch die älteste Betriebssystemversion dar, mit der die Grafikkarte ordentlich und zuverlässig funktioniert, obwohl im Handbuch nichts dergleichen verlautbart wird. Unter TOS 1.02 oder kleiner kommt es hingegen immer wieder zu unerklärlichen unmotivierten und vor allem nicht nachvollziehbaren Systemabstürzen, die man jedoch eher dem hoffnungslos veralteten TOS als der Volksfarben zurechnen sollte. Die Geschwindigkeit des Systems kann selbst mit einem unbeschleunigten ST, natürlich abhängig von der gewählten Auflösung, noch als durchweg zufriedenstellend betrachtet werden. Man darf jedoch nicht vergessen, daß hierbei viel mehr B ildschirmspeicher verwaltet werden muß: Bei gleicher Auflösung belegen 256 Farben exakt das Achtfache einer monochromen Darstellung, und das bringt den Rechner natürlich schwer ins Schwitzen, dennoch kann man die Standard-VGA-Auflösung (640*480 in 256 Farben) problemlos darstellen. Für höhere Auflösungen und mehr Farben benötigt man jedoch schon ein Beschleuniger-Board, damit der Benutzer nicht ständig mit Däumchendrehen die Zeit totschlagen muß.

Farbe für alle?

Die Volksfarben stellt eine interessante Erweiterung für alle Besitzer eines „alten“ ST dar. Zwar reichen grundsätzlich auch 8 MHz aus, um mit dieser Grafikkarte arbeiten zu können, aber erst ab 16MHz wirkt die Arbeit nicht mehr zähflüssig oder ermüdend, sollte also für ernsthafte Anwender das Minimum darstellen. Etwas negativ ist, daß die Grafikkarte über ein extrem enges Timing verfügt und quasi auf jedes Beschleuniger-Board einzeln durch die Entwickler angepaßt werden muß. Außerdem wäre eine Anpassung an die neue Rechner-Hardware von ATARI, den TT, sicher kein Fehler, jedoch muß man auch berücksichtigen, daß dies bei dem ohnehin schon engen Timing wohl ein unmögliches Unterfangen sein würde. Die Art des Vertriebs ist dafür einzigartig: Die Entwickler bezeichnen ihr Produkt als „S ’ hardware“, was bedeutet, daß für Lötkolbenakrobaten die Baupläne und GAL-Gleichungen verfügbar sind und man nach erfolgreichem Aufbau ähnlich wie bei Shareware eine Gebühr an die Autoren zahlen muß. Da aber viele Benutzer zwei linke Hände haben, gibt es die Volksfarben in verschiedenen Ausbaustufen: Vom reinen Adapter für 95 DM bis hin zum Komplettpaket mit NVDI für 490 DM reicht die Spanne für den geneigten Bastler, die Shareware-Gebühr alleine beträgt 70 DM inkl. der nötigen Software (ohne NVDI ET/4000). Insgesamt stellt diese Grafikkarte ein sehr interessantes neues Produkt dar, daß den „alten“ Rechnern von Atari zu vernünftigen Farbauflösungen verhilft. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis kann nur als sehr ordentlich bezeichnet werden, so daß man diese Grafikkarte allen Farbinter-essenten nur wärmstens empfehlen kann.

Bezugsquelle:

EXET Stephan Skrodzki Tiroler Straße 12 76227 Karlsruhe

Preise:
Fertigversion inkl. NVDI/ET-4000: 490,- DM
Kompletthausatz: 440,- DM
ohne NVDI/ET-4000: abzüglich 105,- DM
Platine, Konfig. -software und GALs: 95, - DM
S’hardware-Beitrag: 70,- DM

Mega ST8MHZ, TOS 1.04 mit Volksfarben gegen ST mit TOS 1.04 und ST-Hoch. NVDI-Treiber

Geschwindigkeit Volksfarben (gemessen mit GEM TEST 2.0):

  640*480/256 800*608/256
Textausgabe 431% 431%
Linien 292% 292%
Rechtecke 178% 179%
Polygone 90% 90%
Kreise/Ellipsen 180% 180%
Rasteroperationen 50% 50%
Attributfunktionen 479% 479%
Auskunftsfunktionen 364% 364%
ESCAPES 49% 45%
BIOS-Ausgabe 227% 227%

Volksfarben 4000

Positiv:

Negativ:


Dirk Johannwerner
Aus: ST-Computer 10 / 1993, Seite 26

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