Freeway - Ohne Tempolimit

Wäre das Datenbankprogramm Freeway ein Auto, so hätte man einen geländegängigen Käfer vor sich, in dem ein Motor von Porsche seinen Dienst tut. Freeway hat eine schnörkellose, fast schon karge Oberfläche, ist aber sehr flexibel; Hinzu kommt, daß Datenbankoperationen recht schnell ablaufen. Kern der Freeway-Idee ist es, möglichst jede Art von Text in die Datenbank importieren zu können. Jeder Text wird prinzipiell als ein Datensatz behandelt, es sei denn, daß Freeway Datensatztrenner im Text findet. Innerhalb eines Datensatzes können die Felder in beliebiger Reihenfolge auftauchen, wichtig ist nur, daß das Feld durch die Feldklammern eingegrenzt ist und daß der Feldname durch den Feldmarker vom Inhalt getrennt ist. Die Konsequenz daraus ist, daß nur Zeichenketten in der Datenbank gespeichert werden (was aber nicht heißt, daß man nicht mit Zahlen rechnen könnte oder ähnliches).

Durch dieses sehr flexible Datensatzkonzept ist es möglich, innerhalb einer Datenbank sehr unterschiedliche Daten zu verwalten. Felder, die in einem Datensatz nicht vorkommen, sind für diesen als leer markiert. Zusätzlich zu den normalen gibt es zwei vordefinierte Felder, die für jeden Datensatz einen Inhalt haben: LINE und FREE. Das Feld LINE enthält den gesamten Datensatz, das Feld FREE den Teil des Datensatzes, der nicht zu Feldern gehört.

Die Ausführung

Freeway stellt alle wichtigen Funktionen für das Datenbankmanagement zur Verfügung: Einfügen, Ändern, Löschen, Anfragen, Sortieren, Selektieren und Im- und Exportieren. Alle diese Funktionen sind an das Volltext-Konzept angepaßt.

Die drei wichtigsten Hilfsmittel bei der Benutzung von Freeway sind das Listenfenster, der Texteditor und das Icon-Fenster (Bild 1). In einem Listenfenster können Anfragen getätigt werden, und es werden jeweils die Datensätze der letzten Anfrage dargestellt. Das Listenfenster dient auch der Selektion von Datensätzen, auf die sich dann eine nachfolgende Operation wie z.B. Löschen oder Ändern bezieht. Die Anfrage-Eingabe von Freeway ist sehr einfach zu benutzen. Hierbei gibt es drei Möglichkeiten: Im einfachsten Fall gibt man ein Wort (oder einen Wortanfang) ein, und Freeway sucht in allen Datensätzen nach diesem Fragment. Dabei ist eine Ähnlichkeitssuche möglich (Bildl 2), bei der Freeway ähnliche Wörter vorschlägt. Statt die Ähnlichkeitssuche durchführen zu lassen, kann man auch die „Tippmatic" benutzen. Nachdem der Benutzer! einen Wortanfang eingegeben hat, drückt er die Tab-Taste und bekommt der Reihe nach mögliche Vervollständigungen vorgeschlagen. Die Alternative hierzu ist die Eingabe von mehreren Wörtern, die durch Kommata in Gruppen eingeteilt werden können. Die Kommata repräsentieren hier bei jeweils eine Oder-Verknüpfung. Mittels eines Leerzeichens zwischen den Wörtern kann dabei auch eine Und-Verknüpfung benutzt werden. Ein Ausrufezeichen ergänzt die Funktionen um eine Nicht-Verknüpfung. Die Verknüpfungen lassen sich in beliebig vielen Ebenen klammern, so daß auch komplexe Suchkriterien möglich sind. Die letzte Möglichkeit besteht in der Eingabe von SQL-Kommandos, um eine Anfrage durchzuführen (Bild 3).

Um einen oder mehrere Datensätze einzufügen oder zu ändern, stellt Freeway den oben erwähnten Texteditor zur Verfügung. Dieses Verfahren ist im ersten Moment insofern ungewohnt, weil andere Datenbanken hierfür Masken benutzen. Eine solche starre Maske ist aber für ein Volltext-Datenbanksystem ungeeignet. Mit Hilfe des Editors kann der Datensatz in jede gewünschte Form gebracht werden. Es können z.B. alte Felder entfernt und ganz neue Felder eingeführt werden. Sehr nützlich ist dabei die Funktion der Tab-Taste: Mit ihr kann von einem Feldinhalt zum nächsten gesprungen werden. Neben dieser Funktion enthält der Texteditor natürlich auch die wichtigsten Editierfunktionen.

Trotz dieser Flexibilität besitzt Freeway so etwas wie Masken. Es sind die sogenannten Vorgaben. Dabei handelt es sich um Datensatzrahmen, die aus einem Text bestehen, in dem schon die Feldnamen und -klammern vorhanden sind, aber noch kein weiterer Inhalt (Obwohl das auch möglich ist).

Auch Freeway besitzt eine der schon fast unvermeidlichen Werkzeugleisten (Bild 4). Dabei handelt es sich um das Icon-Fenster, in dem Icons für den Export, Editor, Papierkorb, Klemmbrett und die Connections vorgesehen sind. Zusätzlich sind 10 weitere Icons für Makros reserviert. Zieht man selektierte Datensätze auf dieses Fenster, so werden sie je nach Icon exportiert, geändert, gelöscht, ins Klemmbrett geschrieben, oder eine der Connections wird aktiviert. Bei diesen Connections handelt es sich um Aufrufe von anderen Anwendungen, denen dann ein Feldinhalt als Parameter übergeben wird. Anfragen kann man auf die Makro-Icons ziehen, und diese werden dann dort unter einer Kurzbezeichnung gespeichert. Mindestens genauso praktisch ist, daß gelöschte Datensätze erst bei Entleerung des Papierkorbs wirklich verschwinden. Bis zu diesem Zeitpunkt können sie zurückgeholt werden.

Neben den oben erwähnten drei Fenstern gibt es noch das Protokoll-, das SQL-und das „Feldanzeige & Sortier"-Fenster. Im Protokoll-Fenster erscheinen die Ähnlichkeitslisten, Mitteilungen an den Benutzer, Hilfetexte und ähnliches. Im SQL-Fenster werden alle Anfragen als SQL- Kommandos angezeigt. Diese Anfragen können auf die Makro-Icons oder auch in ein Listenfenster gezogen werden. Im „Feldanzeige & Sortier"-Fenster kann der Benutzer wählen, welche Felder er überhaupt sehen will und in welcher Sortierreihenfolge die Daten dargestellt werden sollen.

Ohne Grenzen

Im- und Export von Daten finden auf der Basis von Texten statt. Dadurch kann Freeway mit allen Applikationen, die auch Texte im- und exportieren können, Daten austauschen. Besonders praktisch ist dabei die Möglichkeit, diesen Austausch über das Klemmbrett vorzunehmen.

Für den Import braucht man, wie oben schon erwähnt, nur die Feldklammerung, den Feldmarker und den Datensatztrenner einzustellen. Für den Export gibt es aber viel mehr Möglichkeiten. Unter Ex port fällt in Freeway nicht nur der Aus tausch von Daten mit anderen Programmen, sondern auch Reportgenerierung und Serienbriefe. Die Form des exportierter Textes wird durch das Exportformular festgelegt (Bild 5). Dieses Formular besteht aus fünf Teilen: Titel, Seitenkopf, Körper, Seitenfuß und Abschluß. Titel, Seitenkopf. Seitenfuß und Abschluß bestehen aus festen Texten (bis auf ##, das im Kopf und Fuß durch die laufende Seitennummer ersetzt wird), die im fertigen Text an den entsprechenden Stellen auftauchen. Im Körper des Formulars können nicht nur Feldnamen in eckigen Klammern verwendet werden, die dann durch die entsprechenden Feldinhalte ersetzt werden, sondern in den eckigen Klammern sind auch SQL-Spaltenausdrücke möglich, und es gibt sogar die Möglichkeit, über Bedingungen verschiedene Fälle zu definieren.

Wie bei den Vorgaben ist es auch hier möglich, verschiedene Exportformulare anzulegen und abzuspeichern, um sie bei Bedarf zu laden und zu benutzen. Als Beispiele sind für die verschiedenen Beispiel-Datenbanken einige fertige Exportformulare beigelegt.

Wichtig für den Export sind auch die Ausgabetreiber. Hier kennt Freeway drei verschiedene Arten: Bildschirm-, Drucker- und Dateitreiber. Im wesentlichen besteht so ein Treiber aus einer Konvertierungstabelle, in der jedem Zeichen des ATARI-Zeichensatzes ein oder mehrere Zeichen zugeordnet werden, die in der Ausgabe erscheinen sollen. Für den Druckertreiber kann zusätzlich noch die Seitengröße in Zeilen und Spalten eingestellt werden. Die Druckertreiber können auch aus Treiberdateien nachgeladen werden. Beigelegt sind leider nur wenige Treiber, die aber eigentlich reichen sollten, da es für einen Report oder für Serienbriefe nicht nötig ist, im Grafikmodus zu drucken, weil Draft- oder NLQ-Qualität vollkommen ausreicht.

Sehr erfreulich fällt bei Freeway auf, daß man sämtliche Menüeinträge (und auch die Tastenkürzel) ändern kann. Dies geschieht, indem der Menüeintrag mit gedrückter Control-Taste ausgewählt wird. Daraufhin erscheint ein Formular, in dem der Text und das Tastenkürzel geändert werden können. Auf dieselbe Weise kann man auch die Menüeinträge im Texteditor ändern. Diese Änderungen werden, wie auch der Rest der Arbeitsumgebung (inklusive der aktuell geladenen Datenbank), gespeichert.

Hilfe, Hilfe...

Für Benutzer, die bei dieser Fülle an Funktionen und Möglichkeiten nicht andauernd in dem erfreulicherweise sehr kompakten Handbuch nachschlagen möchten, gibt es natürlich eine Online-Hilfe (Bild 6). Leider handelt es sich bei dieser nicht um eine hypertextartige Hilfe (was sich ja wohl gerade für eine Volltext-Datenbank angeboten hätte), sondern der Benutzer wird aufgefordert, in einem Formular auszuwählen, zu welchem Thema er zusätzliche Informationen haben möchte. Sie erscheinen dann im Protokoll-Fenster.

Für die SQL-Kommandos gibt es keine Hilfetexte. Es gibt allerdings eine Datenbank, die als Nachschlagewerk dient (da kann man dann gleich ausprobieren, ob man die Erklärung verstanden hat). Der in Freeway als „Kern" eingebaute SQL-Dialekt (namens „Brainbox") ist speziell auf die Bedürfnisse einer Volltext-Datenbank zugeschnitten.

Unter SQL besteht eine Datenbank aus einer oder mehreren Tabellen. In dieser Tabelle bildet jeweils der Inhalt des ersten Feldes aller Datensätze die erste Spalte, der Inhalt aller zweiten Felder die zweite Spalte usw. Felder haben bestimmte Datentypen und können z.B. nur Zahlen oder Zeichenketten speichern. Jedes Feld eines Datensatzes muß belegt sein. Brainbox-SQL erlaubt das Fehlen von Feldinhalten, besitzt aber nur den Feldtyp Text. SQL erlaubt als Ergebnis einer Abfrage nur die Ausgabe bestimmter Spalten; Brainbox-SQL hingegen kann auch „neue" Spalten erzeugen, indem durch Spaltenausdrücke die Werte anderer Spalten zu neuen verknüpft werden. Für diese Spaltenausdrucke, die auch in der Abfragebedingung auftauchen, gibt es ein ganzes Sortiment von Funktionen, die vom einfachen Zählen der Wörter bis hin zu Zeitdifferenzen u.a. reichen. Mit diesen Funktionen ist es auch möglich, Feldinhalte in Zahlen zu konvertieren, so daß mit diesen Werten gerechnet werden kann.

Leider sind noch nicht alle SQL-Kommandos implementiert. Nur die Abfrage mittels SELECT ist in Freeway realisiert. Außerdem besteht eine Datenbank nur aus einer Tabelle, und es ist nicht möglich. mehrere Datenbanken gleichzeitig zu laden, so daß die Stärke von SQL, nämlich die Möglichkeit, relational mit Datenbanken zu arbeiten, noch nicht ausgenutzt werden kann.

Fazit

Freeway macht insgesamt einen soliden und benutzbaren Eindruck. Die Benutzeroberfläche ist etwas karg, aber funktionell. Einige Teile der Oberfläche scheinen nicht ganz durchdacht, aber das behindert nicht das Arbeiten mit Freeway. Der SQL-Kern weist noch einige winzige Schönheitsfehler auf. Bestimmte Anfragen verhalten sich nicht so, wie sie sollen. Allerdings war es immer möglich, die Anfrage so umzuformulieren, daß es keine Probleme mehr gab.

Für Benutzer, die nicht mit ihrer Datenbank einen Schönheitspreis gewinnen und die sehr verschiedene Daten in einer Datenbank verwalten wollen, ist Freeway für den Preis von DM 298,- eine überlegens-werte Alternative zu anderen Programmen.

Bezugsquelle: Omikron.Soft- und Hardware GmbH D-75177 Pforzheim Sponheimstr. 12

Positiv:
läuft auf allen ST/STE/TT/Falcon
flexible Volltext-Datenbank
Brainbox-SQL-Kern

Negativ:
noch kein voller SQL-Sprachschatz
karge Benutzeroberfläche
nicht mehrere Datenbanken gleichzeitig ladbar


Oliver Willenbrock
Aus: ST-Computer 10 / 1993, Seite 46

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