Signum! Drei: Jetzt mit Tabellensatz!

Kennen Sie Edna? Wenn nicht, dann verrate ich Ihnen jetzt ein kleines Geheimnis. Edna war sozusagen der „Mädchenname“ eines Editors für naturwissenschaftliche Anwendungen (daher der Name), bevor daraus, nach der „Vermählung“ mit Application Systems Heidelberg, die Textverarbeitung Signum! wurde. Doch das ist lange her. Damals, als Worte wie „power without the price“ noch etwas wert waren, scharten sich hunderte von Programmierern um diese kleinen Wunderkisten namens 260 ST, 520 ST, 1040 ST. Die ATARI-Welt war geradezu eine Brutstätte neuer Ideen. Zu dieser Zeit wurde auch Signum! ausgebrütet.

In der ST-Computer 1/87 war damals zu lesen: „Signum! verfolgt ein völlig neues Konzept bei der Textverarbeitung. Es arbeitet ausschließlich im Grafikmodus und bietet dadurch ungeahnte Möglichkeiten.“

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Nur - der Editor für naturwissenschaftliche Anwendungen hat sich inzwischen zu einer Textverarbeitung gemausert, die in der gesamten Computerwelt in dieser Art bis heute einmalig ist.

Signum!Drei ist jetzt in der Version 1.3 erschienen, Grund genug, dieses Programm mal wieder ausführlich unter die Lupe zu nehmen. Nachdem die bei der Version 1.2 (ATARI Messe '92) hinzugekommenen Funktionen wie Serienbrief und FAXfähigkeit wohl endlich mit dem Vorurteil, Signum! sei nicht bürotauglich, aufräumen sollten, hat man sich bei ASH diesmal zwei Schwerpunkten gewidmet:

Des Kaisers neue Kleider

Daß Signum! auch in der Version 3 kein GEM-Programm ist, ist einigen Autoren der Fachpresse sauer aufgestoßen. Als Anwender sehe ich das allerdings mit einiger Gelassenheit, hat mir diese Nicht-GEM-Oberfläche doch einiges an Bedienungskomfort gebracht, den ich bei GEM-Programmen schmerzlich vermisse.

Andererseits gab es doch einige Bedienkonzepte, die sich in der WinDOSen- und Apfelwelt durchgesetzt und bewährt hatten. Aus Anwendersicht war es zu wünschen, daß sich auch Signum! an diese Standards hält.

Bei den Control-Tastenbefehlen entsprach Signum!3 schon von Anfang an dem Standard.

In der neuen Version wurde nun auch die Benutzeroberfläche des Text-Edit-Fensters stark überarbeitet und in den wesentlichen Punkten dem Standard angepaßt. Sofort fällt die neue Funktionsleiste auf, in der Zeilenattribute, Fonts, Schriftarten, Farben und Formatierung weitgehend über Drop-down-Menüs einstellbar sind. Trotz der vielen Einstellmöglichkeiten wirkt sie nicht überladen und läßt sich flüssig bedienen. Durch die Funktionsleiste werden einige Bedienfelder, die früher auf dem Signum!Drei-Desktop herumlagen, überflüssig. Signum! macht dadurch auch auf einem kleinen Monitor einen aufgeräumteren Eindruck.

Überhaupt ist Signum! in der neuen Version viel intuitiver bedienbar. Durch Öffnen eines neuen Dokuments gelangt man nun direkt ins Text-Edit-Fenster und kann sofort mit dem Schreiben anfangen. Neu ist auch das Bewegen von Textblöcken mittels „Drag and drop“. Dazu wird der Text zuerst wie gewohnt selektiert. Dieser Textblock kann mit der Maus nun einfach verschoben bzw. (mit Shift) kopiert werden. Dabei folgt dem Mauszeiger ein Cursor, der die Position markiert, an der der Text eingefügt wird, sobald man die Maustaste losläßt.

Bilder können nun direkt mit der Maus selektiert werden, sofern nicht die Option „Grafik liegt unter Text“ eingestellt ist.

Sehr praktisch ist auch die Einstellung „Arbeitsumgebung automatisch speichern“. Dadurch merkt sich Signum! alle momentan geöffneten Texte. Bei einem erneuten Programmstart präsentiert sich der Signum!-Bildschirm wieder genauso, wie man ihn verlassen hat, und man kann sofort weiterschreiben. Dummerweise funktioniert dies nicht, wenn man zwischen Druck- und Textprogramm hin- und herwechselt.

Tabulatoren

Am linken Rand der Funktionsleiste befindet sich unter dem Absatzsymbol ein Knopf, den man leicht übersehen könnte. Dahinter verbirgt sich jedoch eine der interessantesten neuen Funktionen - eine Tabulatorverwaltung.

Zum althergebrachten Kombi-Tabulator gesellen sich nun fünf weitere Tabulatortypen. Mit dem zentrierten Tabulator ist es nun endlich möglich, mathematische Formeln zentriert auszurichten und sie gleichzeitig noch rechtsbündig zu numerieren.

Durch die Hilfsfunktionen „Tabs äquidistant setzen“ und „gleichartige Tabs löschen“ wird die Manipulation der Tabulatorverteilung im aktuellen Lineal zum Kinderspiel.

Lineale

Die Dialogboxen für die Lineale warten mit einigen interessanten neuen Parametern auf. Es ist nun endlich möglich, den Zeilenabstand direkt auf ein-, eineinhalb-und zweizeilig zu setzen. Die Werte orientieren sich dabei an dem jeweiligen Zeilenabstand einer Schreibmaschine. Durch die Kopplung des Zeilenabstandes eines lokalen Lineales an das globale Lineal müssen die lokalen Abstände bei einer späteren Änderung des Zeilenabstands nicht alle einzeln nachbearbeitet werden.

Mit der Option „frei“ wird die automatische Korrektur des Zeilenabstandes abgeschaltet. Signum! erlaubt dadurch auch in einem automatisch formatierenden Lineal unterschiedliche Zeilenabstände.

Auch in die Dialogboxen für die Lineale haben die praktischen Drop-down-Menüs Einzug gehalten, wodurch trotz neuer Parameter sogar noch an Übersichtlichkeit gewonnen wurde.

Als Linealtypen stehen weiterhin „normal“, „Überschrift“ und „Tabelle“ zur Verfügung. Eine Erweiterung um Überschriften unterschiedlicher Hierarchie mit der damit verbundenen automatischen Numerierung wäre zu wünschen gewesen.

Tabellensatz

Hat man den Linealtyp „Tabelle“ eingestellt, erscheint beim Verlassen der Parameterbox eine zweite Box, in der die Tabellenform eingestellt werden kann.

Zusammen mit der Tabulatorverwaltung stellt sie ein sehr mächtiges Werkzeug dar, um Tabellen der unterschiedlichsten Form zu erstellen. Für einfache Tabellen genügt die Standardeinstellung, bei der automatisch ein Rahmen sowie vertikale und horizontale Linien gezeichnet werden. Die vertikalen Linien werden dabei links der normalen (linksbündigen) Tabulatoren im Abstand von von 0.1 Zoll gezeichnet. Der Abstand der horizontalen Linien von der Grundlinie der darüberliegenden Zeile ist mit 0.028 Zoll leider etwas zu knapp geraten, die Linie wird von den Zeichen mit Unterlängen durchstoßen. Man muß diesen Abstand also manuell vergrößern. Ein besonderes Highlight ist die Möglichkeit, einzelne Spalten oder Zeilen mit einer Farbe und/oder einem Füllmuster zu hinterlegen. Man kann sogar eine Sequenz von bis zu max. 8 verschiedenen Farben/Füllmustern definieren, die dann zyklisch wiederholt wird. Damit läßt sich die Übersichtlichkeit von großen Tabellen, die viele Daten auf kleinstem Raum darstellen müssen, beträchtlich erhöhen.

Tabellenparameter

Externe Tabellendaten können über „ASCII-Datei einfügen“ direkt in ein bestehendes Tabellenlineal importiert werden. Dazu müssen die Spalten in der ASCII-Datei mittels des Tabulatorzeichens (ASCII-Wert; 09) getrennt sein.

Rahmenfunktion

Mit etwas Phantasie lassen sich manche Signum!-Funktionen zu Dingen „mißbrauchen“, für die sie ursprünglich gar nicht gedacht waren. Für mich macht gerade dieser Aspekt den besonderen Reiz von Signum! aus. Oder kennen Sie sonst noch eine Textverarbeitung, bei der man in dem Maße kreativ sein kann? Nehmen wir z.B. den Tabellensatz. Nichts ist naheliegender als die horizontalen und vertikalen Linien abzuschalten und nur noch die Rahmenfunktion zu nutzen.

Rahmenfunktion

Mit den obigen Einstellungen erzeugt man einen Rahmen mit einer Doppellinie und hellblauem Hintergrund. Für zentrierten Text genügt es, die Formatierung des lokalen Lineales entsprechend einzustellen. Will man den Text jedoch im Blocksatz oder Flatterrand in den Rahmen schreiben, so sind noch weitere Einstellungen notwendig.

Da der Rahmen links immer mit dem linken Rand des lokalen Lineals abschließt, ist es notwendig, einen linksbündigen Tabulator an die Stelle zu setzen, an der sich der linke Rand des Textes befinden soll. Aktiviert man nun noch „Erste Zeile einrücken“ und „Folgezeilen einrücken“ im lokalen Lineal, wird der Text im Blocksatz oder Flatterrand automatisch im Rahmen wie gewünscht formatiert.

Da die Tabellen- bzw. Rahmenform an ein lokales Lineal gekoppelt ist, kann sie mit diesem in der Linealliste gespeichert werden. Häufig benötigte Formate hat man so stets griffbereit.

Besonders gut hat mir am Tabellensatz gefallen, daß er sich nahtlos in das bestehende Linealkonzept einfügt. Gerade dieses Linealkonzept ist es, das noch ein ungeahntes Potential in sich birgt und mit dem Signum! seine Konkurrenz um Längen hinter sich läßt.

Grafikteil

Am Grafikteil hat sich auch in der neuen Version nicht allzuviel geändert. Lediglich ein Wechsel des Zeichensatzes, der Attribute und der Sperrung ist während der Eingabe von Text nun möglich.

Der Grafikeditor macht meiner Meinung nach noch einen unausgereiften Eindruck. Während die Einbindung von Bit-Bildern, bei denen es sich in der professionellen Anwendung wohl meistens um (Farb-) Scans handelt, recht gut gelungen ist, gestaltet sich sowohl die Handhabung von Vektorobjekten als auch die Bedienung des Grafikteils an sich etwas unpraktisch.

Zwar merkt man einigen Funktionen förmlich an, daß sie mit viel Liebe zum Detail (z.B. Familie) programmiert wurden. Für die Praxis hätte es jedoch ein einfaches „Gruppieren“ und „Gruppe auflösen“ auch getan, und das wäre weit weniger kompliziert gewesen.

Dennoch bietet auch der Grafikteil schon gute Ansätze. So enthält er z.B. eine Schnittstelle zum Grafikprogramm Piccolo, mit dem Bitmaps direkt aus Signum! heraus bearbeitet und auch neu angelegt werden können.

Nachdem die Standardisierung der Bedienung im Text-Edit-Fenster recht gut gelungen ist, würde man sich dasselbe auch für den Grafikteil wünschen. Denn auch im Grafikbereich haben sich Bedienkonzepte bewährt, die man momentan bei Signum! noch schmerzlich vermißt.

Noch ein paar Highlights zum Schluß

Mit der neuen Signum!-Version ist jetzt auch ein Druckertreiber für den HP LaserJet IV erhältlich. Damit ist es möglich, Bit-Bilder und Signum!3-Vektorgrafik mit einer Auflösung von 600 dpi zu drucken.

Im Formel-Edit-Modus sind nun mehrfaches Kopieren und Umfärben von Formelausschnitten möglich.

Über eine Escape-Sequenz kann das aktuelle Datum an der Cursor-Position eingefügt werden. Dabei hat man die Wahl zwischen Text und Symbol. Bei letzterem wird das Datum immer automatisch aktualisiert, deshalb ist diese Funktion vor allem für Briefformulare geeignet. Für den Büroeinsatz wäre noch eine Funktion „Rechnen im Text“ wünschenswert. Aber auch in der jetzigen Version ist Signum! schon hervorragend für den tagtäglich anfallenden Schreibkram im Büro geeignet.

Fazit

Obwohl Features wie Funktionsleiste und Tabellensatz schon längst auch von anderen Textverarbeitungen geboten werden, zeigt Signum! mal wieder, wie man es noch besser machen kann. Man merkt förmlich, daß hier nicht einfach von anderen Programmen abgekupfert wurde, sondern daß es sich um Eigenentwicklungen handelt, die sich an den gängigen Bedienkonzepten orientieren. In der neuen Version ist Signum! wesentlich einfacher zu bedienen, wodurch auch Einsteiger auf Anhieb damit zurechtkommen werden. Mit der Tabellenfunktion hat Franz Schmerbeck wieder einmal bewiesen, welch genialer Programmierer hinter Signum! steht.

Berücksichtigt man noch den Preis von 398.- DM (Studenten zahlen nur 298.-DM), läßt Signum! die Konkurrenz auch unter dem Aspekt Preis/Leistung weit hinter sich. Für Naturwissenschaftler gibt es seit eh und je keine Alternative.

Bezugsadresse:
Application Systems Heidelberg Postfach 102646 W-6900 Heidelberg

Signum!Drei

Positiv:

Negativ:


Martin Frank
Aus: ST-Computer 06 / 1993, Seite 42

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