FIRST_MILLION medium - Ein neuer Bär auf dem Parkett

Zu den bekannten Groben der Fakturierungen in der ATARI-Szene wie MegaFakt oder Argus hat sich ein weiterer interessanter Kandidat gesellt: "FIRST_M1LLION medium" ist der Name einer neuen integrierten Büro-Software der Berliner Firma SOFTBÄR. Sie tritt mit dem Anspruch an, die notwendigen Bürotätigkeiten kleiner und mittlerer Firmen, die nicht bilanzierungspflichtig sind, zu vereinfachen. Nach einer nun ca. 15monatigen Erprobung bei verschiedenen Betrieben wird das Programm jetzt auch für den breiteren Markt zugänglich gemacht. Für uns Grund genug, es einem intensiven Test zu unterziehen.

Dabei ist laut Aussage von SOFTBÄR nicht geplant, dieses Programm als Stangen-Software zu verkaufen, da Service und Betreuung der Kunden zu einer wesentliche Bestandteile der Firmenphilosophie sind. Insbesondere wirbt die Berliner Firma mit einer eingehenden Beratung bei der Wahl von Hardware und Software, so daß individuelle Anpassungen an die Wünsche des jeweiligen Benutzers möglich sind. In erster Linie wendet sich das Programm natürlich an Handwerker, Freiberufler oder Gewerbetreibende, die als Einpersonen- oder Familienbetriebe mit FIRST_MILLION viel Zeit sparen sollen. Die Besonderheit von FIRST_MILLION liegt in der Integration von vier Programmteilen: Buchhaltung, Kunden- und Lieferantendatei, Artikelstammdaten und Fakturierung. Das hat den Vorteil, daß problemlos untereinander Daten ausgetauscht werden können.

Installation

FIRST_MILLION medium stand mir für einen Test in der Version 2.01 zur Verfügung und wird auf einer Diskette mit einem ca. 200 Seiten umfassenden Handbuch ausgeliefert. Das Handbuch gliedert sich in die einzelnen Teilbereiche auf, beschreibt ausführlich die einzelnen Funktionen und hat mir persönlich sehr gut gefallen. Vermißt habe ich lediglich eine ordentliche Verpackung: ein so umfangreiches Handbuch gehört schon in einen Ringbuchhefter, da ansonsten schnell die einzelnen Seiten zerknicken und zerreißen. FIRST_MILLION begnügt sich mit 512 KB Speicher und einem Diskettenlaufwerk. kann aber natürlich auch auf Festplatte installiert werden. Die Arbeitsgeschwindigkeit ist von der Wahl des Massenspeichers unabhängig, da alle Daten permanent im Arbeitsspeicher gehalten und erst bei Programmende gesichert werden. Dies birgt natürlich die Gefahr, daß im Falle eines Systemabsturzes alle geänderten Daten verlorengehen. Von der Größe des Arbeitsspeichers hängt aber die Menge der verwalteten Daten wesentlich ab. Bei einem Rechner mit 1 MByte Speicher können entweder 1.400 Kunden- oder Lieferantendaten. 5.600 Artikel in der Artikelliste, 11.200 Buchungssätze oder 700 Einträge in der Fakturierung vorgehalten werden. Das sind aber wohlgemerkt Entweder/oder-Angaben. Hält man beispielsweise 5.000 Buchungen im Speicher, kann man nur noch 2.500 Artikel oder 1.200 Kunden verwalten. Die Wahl der Größe des Speicherplatzes beeinflußt also wesentlich die Arbeit mit diesem Programm. FlRST_MILLION ist nicht kopiergeschützt, so daß problemlos Sicherheitskopien für den Hausgebrauch erstellt werden können. Allerdings geht die Firma SOFTBÄR einen etwas anderen Weg in Sachen Raubkopien: Da das Programm vorerst nur direkt erhältlich ist, wird der Name und die Anschrift des Käufers auf dem Desktop verewigt. Zusätzlich enthalten alle Ausdrucke ebenfalls Name und Anschrift. Das Sicherheitsdenken der Firma geht allerdings leider sogar soweit, daß mir zum Test nur eine zeitlich begrenzte, vom Datum abhängige Demoversion zur Verfügung gestellt wurde. Anscheinend hat man bereits in anderen Fällen schlechte Erfahrungen gemacht. Nun ja, zugegebenermaßen ist die oben beschriebene Idee des Software-Schutzes, die bestimmt Schule machen wird, sehr intelligent. Sie wird zukünftig sicherlich verstärkt von Software-Häusern angewendet werden.

Die ersten Schritte

Nach dem Start von FIRST_MILLION erscheint das Desktop mit einer Dialogbox, in der man das aktuelle Datum einstellt. Dies ist ein recht ungewöhnlicher Einstieg, da die meisten ATARI-Computer mittlerweile eine eingebaute Uhr haben. Auf der linken Seite des Desktop stehen sieben Icons, die einen bestimmten Programmteil repräsentieren. In der Mitte erscheinen die Lizenznummer und der Name des Anwenders, rechts unten gibt eine Infobox über die Anzahl vorhandener und noch möglicher Datensätze Auskunft. Bei einer Fahrt mit der Maus über die Menüleiste (Bild 1) bemerkt man relativ wenig Menüeinträge. Dies ist aber nicht weiter verwunderlich, da FIRST_MILLION zu wesentlichen Teilen auch über Pop-Up-Menüs gesteuert wird. Äußerst positiv ist mir die Tatsache aufgefallen, daß FIRST_MILLION vollständig ins GEM eingebunden ist und somit natürlich auch den Zugriff auf Accessories erlaubt. Bei den Dialogboxen handelt es sich ausschließlich um "Fly-Dials", die auch die vom Apple MAC bekannten Radio-Buttons und Auswahlknöpfe verwenden. Vor der eigentlichen Arbeit steht bekanntlich der Schweiß. So muß man im Menüpunkt PARAMETER (Bild 7) erst wichtige Einstellungen tätigen. Unter anderem bestimmt man hier die Anfangswerte für die Vergabe der Kundennummer, Artikelnummer. Buchungsnummer und der Fakturierungsnummer. Des weiteren können verschiedene Rabatte sowie die Fristen für den Mahnvorgang eingestellt werden. FIRST_MILLION bietet leider keine eigene Druckerinstallation an, ist aber bereits im Vorfeld für 5 verschiedene Emulationen vorbereitet worden und arbeitet so mit ca. 99% aller Drucker problemlos zusammen. Im Menüpunkt KONTENNAMEN definiert man die Konten und Gegenkonten für die Buchhaltung. Schlußendlich hat man noch die Möglichkeit, einen der im GEM enthaltenen Systemzeichensätze für die Fensterdarstellung auszuwählen.

Die Buchhaltung

Die deutschen Finanzämter stellen an eine EDV-unterstützte Buchhaltung einige Anforderungen, wenn dieses Programm bei einer Buchprüfung als alleiniger Nachweis für eine ordentliche, nachvollziehbare Buchhaltung gelten soll. Ein wesentlicher Punkt dieser Bestimmungen sagt, daß in EDV-Buchführungen keine nachträglichen Änderungen vorgenommen werden dürfen. Hat man sich zum Beispiel bei der Eingabe eines Betrages vertippt, darf man diesen Buchungssatz nicht erneut aufrufen, sondern muß eine zweite Buchung vornehmen, die diesen Betrag entsprechend korrigiert. Leider hält sich FIRST_MILLION nicht an diese Regeln und bietet bewußt Korrekturmöglichkeiten an. Aus diesem Grund können die Daten einer ordentlichen Buchprüfung nicht standhalten. So kommt der Anwender nicht umhin, Buchungsbelege und Kontenblätter ordnungsgemäß abzuheften und aufzubewahren. Zum Trost sei gesagt, daß letzteres ohnehin vorgeschrieben ist. FIRST_MILLION stellt zwei Varianten der Buchung zur Verfügung. Alle Einnahmen und Ausgaben werden mit dem Datum der Rechnungserstellung in die Bücher übernommen - in der Fachsprache nennt man das eine Buchhaltung nach vereinbarten Zahlungen. Oder die Buchung erfolgt mit dem Datum, an dem die Geldbewegung auf dem Geldkonto erfolgt. In diesem Fall handelt es sich um eine Buchführung nach dem Prinzip der vereinnahmten Zahlungen. Im ersten Fall müssen Sie bei einer Umsatzsteuervoranmeldung eine noch nicht vorhandene Mehrwertsteuer an das Finanzamt abführen. Die zweite Variante ermittelt dagegen die Umsatzsteuer nur von den bereits bezahlten Rechnungen, muß allerdings beim Finanzamt beantragt werden. FIRST_MILLION medium arbeitet nach dem Prinzip der Einnahme-Überschußrechnung. Hierfür stehen über 100 Gegen- und Geldkonten zur Verfügung. Die Dialogbox Buchungen (Bild 2) enthält alle Daten, die zu einem Buchungvorgang benötigt werden. Im oberen Teil gibt man einen Buchungstext sowie das Buchungsdatum ein. Der Buchungsbetrag kann wahlweise brutto oder netto erfaßt werden. Danach wählt man noch die entsprechenden Konten aus. Prinzipiell wird immer von einem Geldkonto auf ein Gegenkonto gebucht, also von links nach rechts. Woher kam das Geld, für welchen Bereich wurde es ausgegeben? Alle bisherigen Buchungen werden nach Datum geordnet in einem Fenster "Buchungen" angezeigt. Zum Jahresabschluß sollte man sich noch die Kontenlisten und die Kontenübersicht ausdrucken lassen; anschließend wird das alte Rechnungsjahr auf Diskette abgespeichert. Allerdings kann diese Datei jederzeit geladen und geändert werden. FIRST_MILLION bietet auch die Möglichkeit, regelmäßig wiederkehrende Buchungen automatisieren zu lassen. So kann man auf Knopfdruck (Bild 3) verschiedene Buchungen wie einen Dauerauftrag in die Buchungsliste einfügen. Insbesondere bietet sich diese Funktion für AfA-Buchungen an, bei denen Wirtschaftsgüter über einen bestimmten Zeitraum hinweg abgeschrieben werden.

Bild 2: Die Geldkonten und Gegenkonten werden in der Buchungsmaske durch einfaches Anklicken ausgewählt.
Bild 3: Auf Knopfdruck führt FIRST_MILLION alle regelmäßig anfallenden Buchungen aus.
Bild 4: In der integrierten Kunden- und Lieferantendatenbank können alle wichtigen Informationen über Geschäftspartner abgelegt werden.
Bild 5: Ausgewählte Artikel werden auf einfachste Weise in ein Angebot übernommen.
Bild 6: Über verschiedene Pop-Up-Menüs erreicht man weitere zahlreiche Funktionen.
Bild 7: FIRST MILLION erlaubt natürlich das Einstellen verschiedener Parameter.

Kunden- und Lieferantendatei

Es gibt kaum eine Firma, die nicht über mehrere Kunden und Lieferanten verfügt. Die Effektivität der Büroarbeit wird im wesentlichen davon bestimmt, wie schnell man Zugriff auf diese Daten hat. Besonders, wenn man eine Rechnung erstellt, wäre es vorteilhaft, die notwendigen Angaben problemlos aus einer kleinen Datenbank einfügen zu können. Das wird jedoch leider oft durch unterschiedliche Datenformate verhindert. In FIRST_MILLION können Kunden, Lieferanten, Interessenten und Privatadressen verwaltet werden, die im Kundenfenster deutlich sichtbar unterschieden werden. Der Aufruf des Kundenfensters erfolgt über die F2-Taste oder über einen Doppelklick auf das Icon "Kunden". Wenn man mit der linken Maustaste in das geöffnete Kundenfenster klickt und gleichzeitig die Alternate-Taste drückt, öffnet sich eine bis auf die Kundennummer noch leere Dialogbox, in der alle wichtigen Daten erfaßt werden. Da FIRST_MILLION keine getrennten Felder für den Vornamen und Nachnamen bereitstellt, wird im Feld Name1 der komplette Name in der Reihenfolge Nachname und Vorname eingegeben. Zur Unterscheidung von Vornamen und Nachnamen wird das Zeichen "<" (kleiner als) verwendet. Das ist eine recht ungewöhnliche Regelung und dementsprechend gewöhnungsbedürftig. Besonders gelungen ist die Übernahme einer Kundenadresse in ein Angebot oder eine Rechnung. So wählt man zuerst eine Adresse im Kundenfenster aus, die invertiert dargestellt wird. Aus diesem Datensatz fügt das Programm dann Namen und Anschrift in das Formular der Fakturierung ein.

Die Artikel

Für das Erstellen der verschiedenen Ausdrucke und Formulare einer Fakturierung benötigt man noch Informationen über die Waren. Hierfür ruft man mit F3 das Artikelfenster auf, das immer zusammen mit dem Fenster für die Formulare erscheint (Bild 5). Zur Aufnahme eines neuen Artikels klickt man mit der ALT- und der linken Maustaste in das Artikelfenster und ruft die Dialogbox "Artikeldaten" auf, die alle wichtigen Parameter erfaßt. Der Preis kann als Netto- oder Bruttopreis mit Preisstaffeln eingegeben werden. Ferner kann der Platz vorgegeben werden, an dem der Artikel in der Artikelliste erscheint. Darüber hinaus lassen sich Warenbereiche durch sogenannte Trennfelder unterteilen. Damit sieht die Warenliste immer zweckmäßig geordnet aus. Selbstverständlich lassen sich verschiedene Waren auch zu einem Warenpaket schnüren und wie in der Realität mit einem günstigeren Preis versehen. Der Ausdruck in einem Formular enthält dann alle Einzelposten ohne Preisangabe.

Die Fakturierung

Die Auswahl eines Artikels erfolgt über das Anklicken des Artikels im Artikelfenster. Dabei werden die Daten in das rechte Formularfenster übertragen. Abschließend besteht noch die Möglichkeit, dem Kunden weitere Informationen über das Eingeben von Zusatztexten zukommen zu lassen. Danach kann das Formular ausgedruckt oder gefaxt werden. Anschließend ist es Bestandteil der Fakturierung und kann von dort zwecks Weiterverarbeitung aufgerufen werden. Eine Weiterverarbeitung ist dann notwendig, wenn ein Angebot angenommen wurde und daraus eine Rechnung oder ein Lieferschein gemacht wird oder bei einer Rechnung das Zahlungsziel nicht eingehalten wurde und eine Mahnung erstellt werden muß oder die Positionen einer Bestellung geliefert wurden und diese jetzt zum Lagerbestand addiert werden. Der Aufruf eines Formulars aus der Fakturierung geschieht mit einem Doppelklick auf den Eintrag. Die erscheinende Dialogbox zeigt noch einmal die wichtigsten Daten zu diesem Vorgang. Wählt man den Knopf ÜBERNEHMEN an, erscheint der Vorgang nach dem WYSIWYG-Prinzip in einem GEM-Fenster. Hier lassen sich Positionen noch einmal editieren. Für das neue Formular können ebenfalls auch die Zusatztexte geändert werden. Die neue Stufe der Bearbeitung wählt man mit einem Pop-Up-Menü aus (Bild6). Nach einem erneuten Ausdruck befindet sich dann das Formular mit der neuen Stufe der Bearbeitung in der Fakturierung.

Die FAX-Option

FIRST_MILLION verfügt über eine Funktion, mit der das direkte Versenden eines Dokumentes als FAX möglich ist. Als zusätzliche Hardware werden lediglich ein fax-fähiges Modem sowie das Programm QFAX/Pro benötigt. Somit wird die Büroarbeit ungemein erleichtert, da Wartezeiten für Drucker, Briefpapier falten und Briefmarken kleben entfallen.

Abschließend...

FIRST_MILLION medium ist eine äußerst leistungsfähige und umfangreiche Büro-Software, die vier unterschiedliche Programmteile unter einem gemeinsamen Dach integriert und damit vehement in das Reich der etablierten Fakturierungen eindringt. Während des Tests arbeitete das Programm absolut zufriedenstellend, und die einzelnen Programmteile griffen hervorragend ineinander über. Einziger Wermutstropfen ist die Buchhaltung, die sich leider nicht nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung richtet. Der Preis für FIRST_MILLION beträgt DM 299,-, für die Version FIRST_MILLION medium DM 399,-. Dafür bietet die letztgenannte Version eine Gruppenbildung bei Artikeln, eine Serienbrieffunktion und einen erweiterten Kontenrahmen. Das FAX- Modul inklusive QFAX/Pro ist ohne FAX-Modem zum Preis von DM 149,-erhältlich. Bei diesen im Vergleich zu anderen Fakturierungen recht günstigen Preisen bietet sich FIRST_MlLLION medium geradezu für Einpersonenbetriebe an, die alle wichtigen Funktionen in einem Programm integriert haben möchten. Dieser Personenkreis kann FIRST_MILLION von daher durchaus in die nähere Wahl ziehen.

Bezugsquelle:

SOFTBÄR Ing.HJ. Konzeck Ruhardstr. 60 W-1000 Berlin 44

First Million

Positiv:

umfangreiche Bürosoftware mit integrierten Funktionen
sauberes GEM-Programm
hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit

Negativ:

Buchhaltung hält sich nicht an die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
Daten permanent im Speicher
teilweise lieblos gestaltete Dialogboxen


Rainer Wolff
Aus: ST-Computer 01 / 1993, Seite 48

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