Convector Zwei

Nach Convector, ihrem ersten Vektorisierungsprogramm, legen uns Shift aus Flensburg nun die zweite Version vor, die folgerichtig auf den Namen 'Convector Zwei' hört. Die größte Einschränkung von Convector Nr. 1 war, daß es ausschließlich Linienzüge erkennen konnte, jedoch keine Kurven. Daneben ist Convector aber einer solchen Kur unterzogen worden, daß man von einem ganz neuen Programm sprechen kann.

Vor einem Jahr testeten wir in der ST-Computer vier verschiedene Vektorisierer, darunter auch Convector. Aus den bereits genannten Einschränkungen ergab sich sein mageres Abschneiden in diesem Vergleich. Doch bevor wir genauer auf den Nachfolger selbst eingehen, widmen wir uns noch kurz der Frage, wozu diese Programme überhaupt dienen.

Theorie...

Vektorisierungsprogramme konvertieren Rasterbilder in Vektorbilder. Rasterbilder, wie sie z.B. beim Scannen entstehen, tragen die Information Punkt gesetzt/nicht gesetzt. Sie sind zumeist relativ groß und vor allem nur unter erheblichem Qualitätsverlust zu vergrößern, zu drehen etc. Das Vektorbild trägt Informationen mathematischer Natur, die die Konturen auf dem Bild beschreiben. Das sind Punkte, die durch Kurven (sog. Beziers) oder Linien verbunden sind.

Das Vektorisierungsprogramm, auch Tracer genannt, muß also in dem Pixel-Raster, der sog. Bitmap, Konturen erkennen und auf diese geeignete mathematische Kurven legen. Dieser Job ist alles andere als einfach, was sich nicht nur an der Rechenzeit, sondern auch an den vielen Parametern, die dabei notwendig sind, bemerkbar macht.

... und Praxis

Der Kunde kommt also zum Grafiker, bringt sein Firmenlogo mit und bestellt geschnittene Folien für seinen neuen Lieferwagen. Da der Schneid-Plotter, der die Folie ausritzt, aber mit präzisen Konturdaten gefüttert werden muß, kann er mit der gescannten Vorlage herzlich wenig anfangen.

Das Vektorisierungsprogramm wird also zunächst eine Vektorgrafikdatei erzeugen, diese kann dann in einem normalen Vektorgrafikprogramm vergrößert und mit Schrift versehen und letztlich auf den Plotter ausgegeben werden.

Auch in vielen anderen Fällen ist die Bitmap, die beim Scannen entsteht, lediglich eine Vorstufe zum eigentlichen Bild, z.B. bei der Erstellung neuer Vektorschriften für Calamus oder andere DTP-Systeme. Hier werden bereits bestehende Schriften auf diesem Wege dem elektronischen Satz zugeführt. Das Vektorisieren bestehender technischer Zeichnungen zur Weiterverarbeitung im CAD-System liegt nahe. Jedoch ist das mit Convector Zwei ebenso wie mit fast allen anderen ST-Tracern nicht möglich. Doch dazu später mehr.

Die Ergebnisse, die ein Tracer erzielen kann, sind sehr stark von der Qualität der Vorlage abhängig. Das ist auch bei Convector Zwei nicht anders. Wohl kann z.B. Pixel-Schmutz vor der Wandl ung herausgefiltert werden. Doch eine kleine, vielleicht sogar gerasterte Vorlage wird immer unruhige und unsaubere Ergebnisse liefern. Mit den Parametern, die das Programm bietet, kann vor allem eingestellt werden, wie grob oder fein die Vektorisie-rung ausfallen soll. Je gröber sie ist, desto mehr 'abstrahiert' das Programm das Bild und gleicht auch grobe Treppen durch Linienzüge oder Kurven aus. Auch die Tendenz zu mehr Linien ödet Kurven, die Rechentiefe bei der Suche nach der richtigen Kurve und die Frage, ob nicht vielleicht nur Linien erzeugt werden sollen, kann per Dialog eingestellt werden.

Vorgang

Glücklicherweise gibt einem Convector Zwei die Möglichkeit, sich fünf voreingestellter Parameterzusammenstellungen zu bedienen. Die reichen in der Regel völlig aus, um zu einem der Vorlage entsprechenden, guten Vektorbild zu gelangen.

Das Rasterbild kann in einem der zahlreich zur Verfügung stehenden Bildformate geladen (darunter u.a. TIEF) und auch wieder als IMG-Datei gespeichert werden. Nach evtl. Filteraktionen, die die Bitmap reinigen oder glätten, wird vektorisiert. Wer ein wenig Übung mit Convector Zwei hat, sieht einer Vorlage schnell an, mit welchen Einstellungen sie konvertiert werden muß. Für jeden neuen Versuch macht das Programm ein Fenster auf, so daß die verschiedenen Ergebnisse unmittelbar verglichen werden können.

Wer jetzt den wichtigen Schritt der Korrektur des Vektorbildes erwartet, wird von Shift auf 'Arabesque' aus gleichem Hause verwiesen. Ein Vektoreditor, mit dem sich Pfade verbinden und trennen, Punkte verschieben und löschen lassen, fehlt Convector Zwei völlig.

So ist nun nur noch das Speichern des Bildes möglich. Neben einem (unvermeidlichen) eigenen stehen das GEM-Me-tafile-Format (mit und ohne Bezierkurven) sowie C VG, das Arabesque-Format AOB, Megapaint Vektor VEK und PostScript (EPS) zur Verfügung.

Schnittstellen

Schnittstellen zu anderen Programmen sind aber nicht nur durch Dateitransfer gegeben. Als Accessory installiert, kann Convector Zwei auf die Zeichenfläche von Arabesque zugreifen. Dort geladene Bilder werden vektorisiert und sofort auf eine der Vektorseiten des kombinierten Vektor/Bitmap-Programms abgebildet. Aber auch als Megapaint-Modul läßt sich der Tracer aus Flensburg installieren.

Besondere Gedanken hat man sich bei Shift um das Erstellen neuer Zeichensätze gemacht. Ist eine Seite mit mehreren Zeichen vektorisiert worden, läßt sich jedes zu jeweils einem Pfad zusammenfassen. Das kann auch automatisch geschehen. Sehr flink kann dann jedem Objekt ein Index entsprechend des ASCII-Wertes des Zeichens gegeben werden. Alle Objekte werden anschließend einzeln unter Dateinamen, die aus den Indizes bestehen, in einem gemeinsamen Ordner gespeichert.

Die Schnittstelle zum Benutzer ist in GEM vom Feinsten. Gewissermaßen verpflichtet 'Interface' aus gleichem Hause ja auch dazu. Ein eigenes Desktop, fliegende Dialoge, reichhaltig Einstellmöglichkeiten sind für einen Tracer vielleicht ein wenig Viel des Guten, aber gefallen dennoch. Ausdruckmöglichkeiten bestehen über GDOS, was mir lästiges Installieren von Druckertreibern ersparte.

Sinn der Sache...

... ist es, möglichst schnell möglichst gute Vektorbilder zu erhalten. Dieses Ziel erreicht Convector Zwei mühelos. An Qualität und Geschwindigkeit gibt es keinen Zweifel, wie die Abbildungen zeigen. Die Auflösung kleiner Details und die harmonische Wiedergabe leicht fransiger Vorlagen gehören zur Spitze dessen, was auf ST und TT verfügbar ist. Auf der Diskette fand ich noch eine TT-Version, die auf die FPU des Rechners zugreift und angenehm schnell rechnet. Sie können übrigens die Zeiten für den ST direkt mit denen in [ 1 ] vergleichen. Convector Zwei ist nicht in der Lage, farbige Vorlagen zu vektorisieren. Rein monochrom sollten die Rasterbilder schon sein, was sich aber meist verschmerzen läßt. Eine Funktion zur Mittellinienvektorisierung fehlt ebenfalls. Mit ihr wäre es möglich, eine ein Pixel dicke Linie tatsächlich als einen Vektorpfad darzustellen. Convector Zwei jedoch legt auch um einen solchen minimal dünnen Strich eine Kontur und füllt diese schwarz aus. Das bedeutet, daß technische Zeichnungen praktisch nicht vektorisierbar sind. Denn für sie brauchte man genau diese Funktion. Folglich fehlt auch jedes Dateiformat, das in Richtung technischer Anwendungen geht: DXF, HP/ GL oder ein ASCII-Format habe ich vermißt.

Abgesehen davon ist zu überlegen, ob eine Vektorisierung von Zeichnungen aufgrund der zwangsläufig entstehenden Ungenauigkeiten überhaupt Sinn macht. Meist verschlingt die Nacharbeit dermaßen viel Zeit, daß man die Vorlage einfacher mit einem geeigneten Programm in den Hintergrund legt und abzeichnet.

Convector Zwei ist ein überzeugendes Produkt, leicht zu bedienen, absturzsicher und flink. Eine integrierte Hilfefunktion und ein ordentliches Handbuch runden das Bild ab. Für einen relativ geringen Preis muß man vor allem auf den Vektoreditor verzichten. Das aber wird Besitzer von Arabesque, Megapaint oder diejenigen, die Schriften vektorisieren wollen, nicht stören. Sie finden in Convector Zwei einen idealen Zulieferer für neue Vektorgrafiken.

Literatur: [1] Spuren in der Bitmap, ST-Computer 6/91 S. 16 ff.

                                 8 MHz 68000-ST            TT 030

Fahrrad:
672 * 392 Pixel, 32 kByte
schlechte Vorlage,                   3,30 Min.             0,18 Min
einfache und eindeutige Geometrie
8 Pfade, 15 Linien, 77 Beziers

Marsu:
1648* 2212 Pixel, 445 kByte
gute Vorlage                        22,10 Min.            2,21 Min.
groß, viele Kurven, viele Elemente
493 Pfade, 860 Linien , 1395 Beziers

Einkauf:
976* 411 Pixel, 62 kByte
normale Vorlage                        15,20 Min.         1,15 Min.
69 Pfade, 203 Linien, 770 Beziers

IB
Aus: ST-Computer 06 / 1992, Seite 58

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