XBoot

XBoot ist auf dem besten Weg, zum Standard-Boot-Selektor zu werden. Neben dem für ein Autoordnerprogramm ungewöhnlichen Bedienungskomfort besticht es durch eine Vielfalt von nützlichen Funktionen, die die tägliche Arbeit mit dem Atari ST ungemein erleichtern können. Dieser Artikel gibt einen tieferen Einblick in die Möglichkeiten, die in XBoot stecken.

Die Hauptaufgabe von XBoot ist natürlich, bei jedem Booten (d.h. nach dem Einschalten des Rechners bzw. nach einem Reset) die Programme im Autoordner sowie die Accessories auszuwählen, die geladen werden sollen. Eine solche Auswahl ist aus vielen Gründen sinnvoll. Zum einen gibt es da das altbekannte Problem, daß sich nur maximal sechs Accessories laden lassen, zum anderen werden viele der geladenen Autoordnerprogramme / Accessories oftmals gar nicht benötigt. Letzteres führt zu einer sinnlosen Verschwendung des Speichers im Rechner, der an anderer Stelle oft dringender benötigt wird. Hier tritt XBoot auf den Plan und sorgt dafür, daß man immer nur mit den Programmen / Accessories arbeitet, die man tatsächlich benötigt. Kombinationen von Autoordnerprogrammen und Accessories, die häufiger gebraucht werden, lassen sich bequem in einem sogenannten SET zusammenfassen.

Für die SETs gibt es eine Menge verschiedener Anwendungsmöglichkeiten. Naheliegend ist, sich für jede seiner Standardanwendungen ein SET zu erstellen, also zum Beispiel eins für die Arbeit mit der Textverarbeitung, eins für DTP, eins für das Grafikprogramm usw. Dabei bietet es sich natürlich an, für jedes dieser SETS in XBoot zusätzlich einen Autostart anzugeben, damit zum Beispiel bei der Auswahl des SETS Wordplus das Programm WORDPLUS.PRG nach dem Booten automatisch gestartet wird. Der automatische Start von GEM-Programmen funktioniert mit XBoot übrigens auch unter den alten TOS-Versionen 1.0 und 1.2.

Die SETs eignen sich jedoch auch für ganz andere Dinge. Anwender, die ihren ST sowohl mit dem SM 124 als auch mit einem Farbmonitor betreiben, kennen das Problem: Waren die Fenster- und Icon-Positionen auf dem Desktop in der monochromen Auflösung noch in Ordnung, so treiben in der mittleren oder niedrigen Auflösung „übereinandergestapelte" Icons und nicht oder kaum erreichbare Fenster den Anwender oft zur Weißglut. Ähnliche Sorgen plagen auch die Besitzer von Großbildschirmen. Mit den Infodateien in XBoot bekommt man solche Ärgernisse sicher und schnell in den Griff. Dazu wird lediglich für jede der Bildschirmauflösungen ein eigenes Desktop erstellt und mit Arbeit sichern abgespeichert. Nach dem Abspeichern muß die entstandene Datei DESKTOP.INF noch umbenannt werden, damit sie nicht beim nächsten Speichern überschrieben wird. Am besten gibt man den auflösungsabhängigen DESKTOP.INF-Dateien Namen wie DESK HI.INF (hohe Auflösung), DESK MED.INF (mittlere Auflösung) und DESK LOW.INF (niedrige Auflösung). Nach diesen jede der Auflösungen ein eigenes SET erstellt werden, für das man die zugehörige alternative DESKTOP.INF-Datei bestimmt. So arbeitet man immer auf einem aufgeräumten Desktop.

Natürlich kann man neben den „Standard"-Desktops auch für jede Anwendung ein individuelles Desktop benutzen. Wie wäre es zum Beispiel, wenn bei der Auswahl des SETs Wordplus auf dem Desktop sofort die Fenster mit den Ordnern geöffnet würden, in denen sich Wordplus und die gespeicherten Textdokumente befinden? Dazu verfährt man genauso wie oben beschrieben und nennt die neue DESKTOP.INF-Datei einfach DESKWORD.INF. Nun muß diese Datei nur noch beim nächsten Systemstart in das SET Wordplus übernommen werden.

Neben der Verwaltung von verschiedenen Desktops werden oft auch ganz andere Dateien in mehreren Versionen benötigt zum Beispiel die von GDOS benötigte Datei AS SIGN.SYS. Will man je nach Anwendung mit unterschiedlichen GDOS-Zeichensätzen oder Gerätetreibern arbeiten, braucht man schon mehr als eine ASSIGN.SYS-Datei. Auch das kann von XBoot übernommen werden. Speichern Sie einfach mehrere alternative ASSIGN: SYS-Dateien mit unterschiedlichen Namen ab, und wählen Sie dann für jedes SET die benötigte aus. Infodateien ist man jedoch nicht auf DESKTOP.INF und ASSIGN.SYS beschränkt. Mit dem Konfigurationsprogramm lassen sich die Zielnamen der Infodateien beliebig einstellen. Dadurch wird es zum Beispiel möglich, den Grafikkartentreiber so zu konfigurieren, daß Sie immer in der gewünschten Auflösung mit den dazugehörigen Farben arbeiten, die Größe der benutzten RAM-Disk für jedes SET individuell zu bestimmen oder immer die gerade benötigten Zeichensätze fürden Laserdruckertreiber parat zu haben. Praktisch alles läßt sich flexibel verwalten, solange das betreffende Programm über eine separate Datei konfigurierbar ist. Die in XBoot eingebaute Kommandosprache bedarf ebenfalls besonderer Erwähnung. Mit ihr ist es möglich, für jedes SET eine Folge von bis zu zehn Dateibefehlen zu definieren, die bei Auswahl des SETs ausgeführt werden. Dazu benutzt man den in XBoot integrierten Editor. Die zur Verfügung stehenden Befehle sind: COPY, NAME, KILL und EXEC.

Für die Befehle gibt es eine ganze Reihe verschiedener Anwendungsbereiche. Der Befehl COPY kann Verwendung finden, wenn Sie mehr als drei verschiedene Infodateien verwalten müssen. Wollen Sie beispielsweise neben den drei Infodateien DESKTOP.INF, ASSIGN.SYS und LASBRAIN.BAT (für den Laserdruckertreiber) auch noch verschiedene Versionen der Datei RAM-DISK.INF verwalten, die Größe und Laufwerk Ihrer RAM-Disk festlegt, benutzen Sie dazu den COPY-Befehl. Zunächst müssen wieder mehrere Ausführungen dieser Datei mit unterschiedlichen Namen abgespeichert werden, zum Beispiel RAM200G.INF (200 kB, Laufwerk G) und RAM500G.INF (500 kB, Laufwerk G). Um nun bei der Arbeit mit Wordplus mit einer 200 kB-RAM-Disk zu arbeiten, geben Sie im Kommandozeilen-Editor von XBoot für das SET Wordplus folgende Zeile ein (wir gehen davon aus, daß sich RAM-DISK.INF im Wurzelverzeichnis des Boot-Laufwerks befinden muß):
COPY \RAM200G.INF, \RAM-DISK.INF

Dadurch wird bei Aktivierung dieses SETS eine Kopie von RAM200G.INF unter dem Namen RAM-DISK.INF erzeugt und somit dafür gesorgt, daß eine 200 kB große RAM-Disk auf Laufwerk G: angelegt wird. Mit NAME werden Dateien umbenannt und/oder in der Dateihierarchie verschon. Sie können den Befehl benutzen, um zu erreichen, daß eine Treiberdatei o.ä. bei der Aktivierung eines SETs geladen bzw. nicht geladen wird. Arbeiten Sie zum Beispiel mit der RAM-Disk FLEXDISK oder dem LUFTSCHLOSS aus dem Buch Scheibenkleister, dann bewirkt der Befehl
NAME \COPYLIST.FDA,\COPYLISPFDX
(für die FLEXDISK)
NAME \COPY RRD.INF,\COPY RRD.INX
(für das LUFTSCHLOSS),
daß die Extension der Autokopierdatei COPYLIST.FDA bzw.COPY_RRD.INF in *.FDX bzw. *.INX geändert und damit die Datei nicht mehr vom RAM-DiskKopierprogramm FLEXCOPY bzw. COPY RRD geladen wird. Der Effekt wäre in diesem Fall, daß keine Dateien in die RAM-Disk kopiert werden. Existiert die angegebene Datei nicht, wird keine Fehlermeldung ausgegeben, denn die Datei könnte ja bereits umbenannt worden sein. Werden für ein anderes SET die Dateien aus der Autokopierdatei hingegen benötigt, so fügt man dort den umgekehrten Befehl
NAME \COPYLIST.FDX,\COPYLIST.FDA
bzw.
NAME \COPY RRD.INX,\COPY RRD.INF
ein. Benutzt man diese Methode, werden die Dateien aus COPYLISTTDA resp. COPY RRD.INF nur dann kopiert, wenn man sie wirklich braucht.

Mit KILL läßt sich sicherzustellen, daß eine bestimmte Datei beim Booten nicht existiert. Zur Verdeutlichung bleiben wir bei dem letzten Beispiel mit der Autokopierdatei. Solange man lediglich eine Autokopierdatei hat, die mal benutzt, mal nichtbenutzt werden soll, kommt man mit NAME gut zurecht. Wird jedoch COPYLIST.FDA/COPY_RRD.INF in XBoot als Infodatei installiert, von der es mehrere Alternativdateien gibt, sollte man besser den KILL-Befehl benutzen, um Fehler beim Umbenennen zu verhindern, die auftreten, wenn die angegebene Zieldatei bereits existiert. Fügen Sie einfach den Befehl
KILL \COPYLIST.FDA
bzw.
KILL \COPY_RRD.INF
in diejenigen SETS ein, die FLEXDISK / LUFTSCHLOSS benutzen, bei denen aber ein automatisches Kopieren von Dateien unerwünscht ist. Dadurch vermeidet man den Fall, daß die RAM-Disk die Autokopierdatei von einer der vergangenen Arbeitssitzungen benutzt.

Benutzen Sie EXEC,um beim Booten Programme zu starten, die sich nicht im Autoordner befinden (weil sie ja sonst sowieso geladen werden). Dabei muß es sich um TOS-Programme handeln, da wie allgemein bekannt sein dürfte -GEM-Programme nicht aus dem Autoordner heraus gestartet werden können. Auch hier bieten sich die beiden genannten RAM-Disks als Beispiel an, da sich alle beide über eine Kommandozeile konfigurieren lassen. Größe der RAM-Disk und benutzte Laufwerkskennung können per Kommandozeile übergeben werden. Wollen Sie also bei der Arbeit mit Wordplus eine 200 kB große RAM-Disk auf Laufwerk P: zur Verfügung haben, geben Sie für das SET Wordplus folgenden Befehl ein:

EXEC \FLEXDISK\FLEXDISK.PRG, "P200"  

(für die FLEXDISK)

EXEC \LUFT\RRN.PRG, "x200P" (für das LUFTSCHLOSS)  

Vorausgesetzt ist natürlich, daß sich LUFTSCHLOSS bzw. FLEXDISK in den angegebenen Ordnern auf der Bootpartition/-Diskette befinden. So könnten Sie für jedes SET eine speziell angepaßte RAMDisk benutzen und benötigten dazu nur eine einzige Version der RAM-Disk auf Ihrer Diskette / Festplatte und keine separate Konfigurationsdatei.

Eine kleine technische Anmerkung: Startet man aus XBoot mittels EXEC ein speicherresidentes Programm, das sich anders als die erwähnten resetfesten RAM-Disks- nicht am Ende des freien Speichers installiert, kann es zu einer „Zerstückelung" des Speichers kommen. Daher sollten Sie solche Programme (dazu gehört beispielsweise die erweiterte Dateiauswahlbox FSELECT) besser in den AUTO-Ordner kopieren, wo sie auch hingehören. Außerdem ist diese Art von Programmen meist ohnehin nicht per Kommandozeile konfigurierbar. Die genannten Probleme gibt es, wie gesagt, nicht mit resetfesten RAM-Disks oder auch Drucker-Spoolern, da sich diese normalerweise am Ende des Speichers installieren.

Die aufgeführten Anwendungen zur flexiblen Installation von RAM-Disks haben natürlich eine rein exemplarische Bedeutung und sind auf beliebige Anwendungen übertragbar. Diese alle aufzuführen, würde den Rahmen eindeutig sprengen. Die Beispiele sollten nur deutlich machen, daß noch viel mehr in dem kleinen Utility steckt, als man auf den ersten Blick vermutet. Aber auch ohne diese ungemein nützlichen Zusatzfunktionen ist XBoot schon unverzichtbar für all diejenigen, die nach dem Einschalten Ihres ST sofort mit der Arbeit beginnen wollen.

HE



Aus: ST-Computer 03 / 1991, Seite 166

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