Piccolo - Klein und spritzig

Zur CeBIT im März wird Application Systems ein kleines Zeichen-Utility herausbringen, das auf den bezeichnenden Namen Piccolo hört. Im Gegensatz zu "normalen" ST-Zeichenprogrammen, die sich mit ihren Möglichkeiten geradezu überschlagen, ist es auf die wichtigsten Funktionen beschränkt.

Das hat auch seinen Grund, denn erstens will man sich nicht im eigenen Hause Konkurrenz machen (Application Systems vertreibt schon STAD und Creator), und zweitens - und das ist das Besondere an Piccolo - läßt es sich sowohl als Accessory als auch als Programm benutzen. Sie können es also aus jedem GEM-Programm aufrufen, Ihre Bilder erstellen, verändern etc. Sogar an eine Schnittstelle zu Signum! wurde gedacht. Damit dürfte Piccolo das erste Grafik-Accessory sein, das man aus Signum! heraus aufrufen kann. Piccolo läuft im Accessory-Betrieb nicht in einem Fenster, sondern ersetzt den ganzen Bildschirm. Hier hätte man vielleicht die etwas elegantere Fensterlösung wählen sollen.

Grenzenlose Weiten

Piccolo arbeitet mit jeder Konfiguration und in jeder Auflösung (es wurde auch mit der MGE-Grafikkarte getestet). Auf dem TT läuft es derzeit nur in ST-Hoch(640x400 Pixel) und TT-Hoch-Modus (1280x960 Pixel); eine Farbanpassung, in der man allerdings nur eine Monochromdarstellung erhält, ist jedoch in Vorbereitung. Piccolo ist mit ca. 100 kB recht kompakt geraten und somit auch für 512 k13-Rechner geeignet. Dank einer dynamischen Speicherverwaltung wird immer nur soviel Speicherplatz beansprucht, wie unbedingt nötig, was gerade bei Rechnern mit einem halben oder einem Megabyte ein riesiger Vorteil ist.

Besonders gelungen ist bei Piccolo die Benutzeroberfläche, die stark an Programme auf dem NeXT-Computer erinnert. Aufgrund einer eigenen Fensterverwaltung lassen sich beliebig viele Fenster mit Grafiken in beliebiger Größe öffnen. Ist eine Grafik größer als der Bildschirm, kann man sich mittels Scroll-Balken (die übrigens im Gegensatz zu den auf dem ST üblichen Balken den Fensterinhalt sozusagen live verschieben) nacheinander das ganze Bild ansehen. Man kann übrigens wirklich von einem Soft-Scrolling sprechen, das derzeit seinesgleichen sucht.

Grafikfenster lassen sich bei Piccolo auch "verstecken", d.h., sie werden jeweils als kleiner grauer Kasten, fein säuberlich mit Namen versehen, am unteren Bildschirmrand positioniert. Dabei wird in der linken unteren Ecke angefangen und immer nebeneinander abgelegt, bis eine Reihe voll ist, und dann die nächste Reihe. Ein einfacher Mausklick auf einen Kasten öffnet das betreffende Fenster wieder.

Funktional

Wie bereits oben erwähnt, stellt Piccolo die wichtigsten Zeichenfunktionen zur Verfügung. Neben normalem Stift, Pinsel, Rechtecken, Kreisen etc. gibt es aber auch eine Funktion, bei der der Anwender Punkte mit Linien, offenen und geschlossenen Splines verbinden kann. Diese Funktion ist wie so einige andere vom großen Bruder Creator, einem der beiden "großen" Zeichenprogramme von Application Systems, übernommen, das aus der gleichen Feder stammt.

Die Zeichenfunktionen stehen in einem Panel zur Verfügung, das sich beliebig auf dem Bildschirm positionieren oder auch wegblenden läßt. Für Optionen wie Linienstärke, Pinselstrich etc. erscheint bei Anwahl der Hauptfunktion ein zusätzliches Panel, in dem man die nötigen Einstellungen vornehmen kann. Alle Zeichenfunktionen lassen sich auch per Tastatur anwählen, so daß ein schnelles Wechseln für den "Profi" möglich ist. Ebenfalls über Tastatur oder Panel erreicht man die schnelle On-Line-Lupe Piccolos, für die alle Zeichenfunktionen des Normal-Modus' zur Verfügung stehen.

Alle wichtigen Bildformate kann man bei Piccolo finden. Sie reichen vom normalen Doodle- bis zum TIFF-Format (s. auch Bild). Somit dürfte ein breites Anwendungsgebiet für Piccolo gesichert und die Anwender zufrieden sein. Einzige Ausnahme werden die DTP-Freunde bilden, da natürlich kein Vektorformat (z.B. CVG-Format von Calamus) unterstützt wird. Dafür lassen sich aber Bildausschnitte als IMG-Bilder abspeichern.

Als Option zur Blockkopier-Funktion bietet Piccolo eine stufenlose Verkleinerung bzw. Vergrößerung. Eine 90°Rotation von Grafiken ist ebenfalls vorgesehen. Im Gegensatz zu anderen Zeichenprogrammen erfolgt diese hier aufgrund der Fenstertechnik einwandfrei, auch wenn die gedrehte Grafik nach der Rotation über den sichtbaren Bildschirm hinausragt.

Letzte Worte

Im Prinzip ist es seltsam, daß bis jetzt noch niemand auf die Idee gekommen ist, ein Zeichenprogramm als Accessory anzubieten (obwohl Piccolo auch einwandfrei als ganz normales Programm läuft). Der Vorteil, daß Piccolo auch unter Signum! aktivierbar ist, ist aufgrund derselben Software-Firma verständlich und ein ganz deutlicher Pluspunkt. Ein Nachteil ist, daß man bei Piccolo keine Möglichkeit hat, selbst andere Accessories aufzurufen. Dies ist bei einem Betrieb von Piccolo als Accessory nicht zu bemängeln (ein Accessory aus einem anderen Accessory aufzurufen, dürfte bombensicher sein.), allerdings im Programmbetrieb ist es ein deutliches Manko. Piccolo sticht auch aufgrund seiner Benutzeroberfläche hervor, deren Verwirklichung man auf einem ST/ TT fast für unmöglich gehalten hat. Alles in allem ein gutes Utility, für das ein Preis von 99 DM sicherlich nicht zuviel ist.

HE

Bezugsadresse:
Application Systems
Englerstr. 3
6900 Heidelberg



Aus: ST-Computer 03 / 1991, Seite 40

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite