Grafikzauber

Eine professionelle Textverarbeitung ohne Grafikeinbindung dürfte sich heutzutage als unverkäuflich erweisen. Andererseits haben diese Programme auch ihren Preis. Was liegt da näher, als sich in der PD-Sammlung nach einer brauchbaren Losung umzusehen?

MS-DOS läßt grüßen

In vielen Fällen reichen bei Grafikeinbindung in Text schon recht einfache Symbole. Wenn man einmal auf die MS-DOS-Welt schielt, findet man dort im Bereich der ASCII-Codes 128 bis 255 eine ganze Menge Sonder- und Grafikzeichen. Vor allem mit den Linien und Rastern lassen sich mit etwas Übung schon ganz passable Illustrationen erzeugen. Es muß dabei nur der ATARI-Zeichensatz umgestellt werden und der Drucker über den IBM-Zeichensatz #2 verfügen.

Von diesem Umstand ausgehend, habe ich mir überlegt, ob man nicht noch einen Schritt weiter gehen könnte und wirklich beliebige Zeichen auf Bildschirm wie Drucker zaubern kann. Da es für die Bildschirmdarstellung schon viele gute Lösungen gibt (z.B. FONTEDIT, ST-PD 217), soll dieser Aspekt an dieser Stelle weitgehend unberücksichtigt bleiben. - Die Programme, mit denen ich am meisten arbeite und mit denen ich mich am besten auskenne, sind Harlekin (MAXON) und Minitext (ST-PD 230). Diese beiden Programmen benutzen eine ähnlich aufgebaute Druckeranpassungsdatei. die unter anderem auch eine Tauschtabelle für einzelne Zeichen beinhaltet. Ursprünglich ist sie dazu gedacht, aus dem vom Textprogramm gesendeten ASCII-Code einen anderen zu machen, um so beispielsweise das ß (ASCII 158) behelfsweise in ein ß (ASCII 225) zu tauschen. Nachdem ich erfreut festgestellt hatte, daß dort nicht nur Byte gegen Byte, sondern gegen beliebig viele ausgetauscht werden können, war das Problem schon zur Hälfte gelöst!

Ein guter Tausch

Meine einfache, aber äußerst effektive Idee war, in die Tauschtabelle eine Steuersequenz für eine Minigrafik einzufügen. Da benutzerdefinierbare Zeichen in der Breite auf traurige 30 bis 40 Punkte eingeschränkt waren, habe ich mich auf die Einzelnadelansteuerung (Bit Image Mode) gestürzt. Im Klartext heißt das. daß das nicht benötigte Zeichen (auf dem Kopf stehendes Ausrufezeichen, ASCII 173, $ad) gegen die Sequenz Einzelnadelansteuerung einschalten (ESC *, $1b 2a), 24 Nadeln mit 180 dpi (39 bzw. $27), die Spaltenzahl und abschließend die Daten-Bytes getauscht werden muß (gilt für EPSON-kompatible Geräte). Diese Minigrafiken dürfen 24 Punkte hoch(24-Nadel-Drucker. sonst nur 8) und bis zu 2880 Punkte breit sein. Gedruckt werden kann zwischen 60 Punkte/ Zoll (dpi) und 360 dpi, wobei sich mit 180 dpi m. E. die besten Ergebnisse erzielen lassen.

Käsekästchen

Zur Vorbereitung wird Kästchen- oder Millimeterpapier benötigt, auf dem man seine Sonderzeichen entwirft. Es gehört schon etwas Übung und Geduld dazu, das Zeichen im Raster zu entwerfen und korrekt in Bytes zu übertragen.

Dabei sollte man die Auflösung nicht überschätzen, denn ein Pixel Abstand kann man hinterher kaum erkennen. Probieren geht hierüber Studieren! - Die hübsche Grafik verdeutlicht an einem Beispiel, wie man Vorgehen muß: Bei 24 Nadeln wird jede Spalte durch drei Bytes beschrieben, bei einem 8-Nadeldrucker entsprechend nur durch eines. Die Daten müssen spaltenweise (Byte 1 bis 3) hinter der Umschaltsequenz und der Spaltenanzahl angegeben werden (alle Zahlen für Minitext hexadezimal). Der Wert ergibt sich durch Addieren der einzelnen Zeilenwerte (1 bis 128). Um die kleine Diskette aufs Papier zu hämmern, muß man also 72 Zahlen ausrechnen und korrekt eingeben: 1b2a27 (Grafikmodus) 1900 (Spalten, Schreibweise siehe Druckerhandbuch) ffffff 800001 800001 800001 800001 8000ff 800081 800081 8000bd 8000bd 80(K)bd 800081 800081 800081 800081 800081 80008I 800081 800081 8000ff 800001 bOOOOl bOOOOl 800001 ffffff. - Abschreckend, aber lohnend!

Fazit

Ich hoffe, daß ich Sie auf eine interessante, kreative Möglichkeit aufmerksam machen konnte. Nicht immer muß ein teures Programm her. sondern mit ein bißchen Phantasie läßt sich manches Problem lösen. Diese Art der Druckersteuerung ist allerdings schon eher etwas für Fortgeschrittene, aber das Funktionsprinzip dürfte nun soweit klar sein, daß sich jeder in die Materie einarbeiten kann.

TL



Aus: ST-Computer 02 / 1991, Seite 172

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite