In der Herde schwarzer Schafe im Public Domain-und Shareware-Bereich tummeln sich doch hin und wieder weiße Schafe. (Eigentlich sollte es ja anders herum sein, aber leider...) Eines dieser „weißen“ Schafe und damit eine rühmliche Ausnahme stellt das Shareware-Desktop GEMINI dar, das vor etwa einem Jahr erstmals die ST-Besitzer/innen erreichte. Wir wollen Ihnen nun die neueste Version (1.2) vorstellen, die seit November 1990 vorliegt.
GEMINI ist eine Shell, deren Autoren viel Wert auf saubere Programmierung gelegt haben. So sind beispielsweise die Richtlinien zur Gestaltung der Oberfläche eingehalten. womit die Bedienung relativ einfach gemacht ist. Daß ein Programm unter Beachtung bestehender Richtlinien nicht an Funktionalität verliert, sondern vielmehr gewinnt, beweist diese Shell.
GEMINI ersetzt das Original Desktop des Atari ST bzw. TT. Es kann ab TOS 1.04 (Rain-bow TOS: die Versionsbezeichnung war vormals 1.4) automatisch gestartet werden, so daß der ST bzw. der TT sofort mit der GEMINI-Oberfläche erscheint. Alle vom Desktop her bekannten Funktionen (mit einer kleinen Ausnahme) lassen sich auch unter GEMINI ausführen. Darüber hinaus bietet GEMINI sehr viele Funktionen, die unter dem Atari-Desktop schon immer vermißt wurden. Auch der TT-Desktop bietet nicht das, was GEMINI bietet.
Zuerst ein Funktionsüberblick. GEMINI beinhaltet zwei Programme: Mupfel und Venus. Mupfel ist eine kommandoorientierte Oberfläche, die UNIX-ähnlich gehalten wurde. Venus bietet mit der grafischen Oberfläche die gewohnte, einfache Bedienung mit der Maus. Über die grafische Oberfläche sind die Standardfunktionen wie Dateien, Ordner oder Disketten kopieren und löschen erreichbar. (Hier findet sich auch die oben angesprochene Ausnahme: GEMINI kann keine Disketten sektorenweise kopieren. Die Autoren verzichteten angesichts der vielen zu erwartenden Sonderwünsche auf diese Funktion. ) Natürlich lassen sich die Namen von Dateien, Ordnern und Disketten ändern sowie Dateien und Ordner bewegen. GEMINI 1.2 kann nun im Gegensatz zur ersten Version auch Disketten formatieren.
Die Inhaltsverzeichnisse von Ordnern und Disketten werden in Fenstern dargestellt. Die Darstellung erfolgt als Icon (in zwei Größen) oder als Text, wobei der Zeichensatz dank GDOS frei wählbar ist. Die Angabe der Größe, des Datums und der Zeit ist optional. Für Dateien und Ordner können die Icons nach bestimmten Regeln festgelegt werden. Programme, C-Quelldateien und vieles mehr sind dadurch schnell zu erkennen. Ein besonderer Vorteil ist, daß alle Icons auf dem Desk-top abgelegt werden können. Häufig benutzte Programme, Ordner und Dateien sind damit immer schnell greifbar. GEMINI 1.2 verfügt über eine Aufräumfunktion, mit der die Icons auch gut und schnell plazierbar sind. Die Probleme der ersten GEMINI-Version sind damit beseitigt. Programme können jetzt als Overlay gestartet werden. Es bleibt nur noch ein kleiner Kern im Speicher. Besitzer/innen kleinerer Rechner werden sich darüber freuen!
Die Fenster von GEMINI sind weitgehend über Tastatur bedienbar. Nett sind so kleine Hilfsmittel wie das Öffnen eines Ordnerfensters durch Doppelklick auf den Ordner (und den Verlust des Inhaltsverzeichnisses), wobei bei gleichzeitig gedrückter Alternate-Taste das Ordnerfenster zusätzlich zum vorigen geöffnet wird. Ferner kann GEMINI 1.2 jetzt auch Dateien anzeigen bzw. ausdrucken, wenn diese nicht für eine bestimmte, vordefinierte Anwendung gedacht sind. Programme können - wie gerade vom Atari-Desktop her bekannt - als Anwendung für Dateitypen angemeldet werden. Unter GEMINI lassen sich jedoch mehrere Dateitypen anmelden. Ein C-Entwicklungssystem kann so über Dateien mit den Extensions C und H gestartet werden.
Die Kommandooberfläche enthält einen reichhaltigen Satz von Befehlen. Für diverse Anwendungen lassen sich praktische Batch-Dateien erstellen. Auch Befehle zur Anzeige der Cookie-Variablen oder zum Ändern der ab TOS 1.04 relevanten Bits in Programm-Headern sind dabei! Der volle Befehlssatz ist in aller Kürze in unserer Liste aufgeführt. Ausgaben von TOS-Programmen, die sonst auf dem vollen Bildschirm angezeigt werden, lenkt GEMINI in das Kommandofenster um. Die gewohnte GEM-Oberfläche muß also nie verlassen werden!
GEMINI enthält noch viele kleine Neuigkeiten, die hier (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) aufgeführt werden sollen. Datei-Icons lassen sich in das Kommandofenster ziehen, womit die Dateinamen automatisch übertragen werden. Teile aus einer Kommandozeile lassen sich ins Clipboard kopieren und bei Bedarf wieder einsetzen. Bei geöffnetem Kommandofenster kann weitergearbeitet wer den. Ein Doppelklick auf einen Dateinamen bei gehaltener Control-Taste bewirkt die Ausgabe einer zur Datei gehörigen Information. Neue Icons für die grafische Oberfläche. Komfortable Änderungsmöglichkeiten für Icon-Regeln (mit Kopieren!). Shortcuts für bis zu 10 Dateien, Ordner oder Laufwerke.
Soweit der Kurzüberblick über GEMINI 1.2. Da GEMINI nachdem Shareware-Konzept vertrieben wird, haben alle Anwender/innen den Vorteil, das Programm vor Entrichtung des Shareware-Obulus’ ausreichend zu testen. Sie können sich also selbst eingehend von den Vorteilen dieser Shell überzeugen. Das Shareware-Konzept bedeutet, daß das Programm ohne Erhebung von Kopiergebühren beliebig weitergegeben werden darf. Bei einer Nutzung ist der Shareware-Obulus (bei GEMINI 50 - DM) zu entrichten. Das Shareware-Konzept unterscheidet sich damit grundlegend von Public Domain oder Freeware, da die Entrichtung des Obulus’ bei einer Nutzung Pflicht ist. Leider halten sich längst nicht alle Anwender/innen von Shareware-Programmen an diese Regel. Genutzte Shareware-Programme kommen Raubkopien gleich, sofern der Test beendet und der
Obulus nicht entrichtet wurde. In Verbindung mit GEMINI existieren diverse Zusatzprogramme, die die interne, dokumentierte Schnittstelle mehr oder weniger gut ausnutzen. An dieser Stelle sollen zwei Accessories genannt werden. Zum einen ist dies das Accessory CLIPBRD. das das Clipboard verwaltet, und zum anderen TreeView, das die Directory-Hierarchie im Fenster darstellt.
Das CLIPBRD-Accessory beinhaltet eine Funktion zur Anzeige von Dateien in Standardformaten. Legt man beispielsweise das Accessory-Icon von CLIPBRD auf dem GEMINI-Desktop ab. kann eine Bilddatei im Bit-Image-Format (Extension IMG) darauf geschoben werden. CLIPBRD zeigt das Bild umgehend in einem Fenster an. Die simple Datei anlegen-Funktion ist so auch für Bilder erweitert!
Tree View zeigt die komplette Directory-Hierarchie (auch ab einer bestimmten Ebene) an. Ordner können durch Klick auf Knotenpunkte aus und wieder eingeblendet werden. Klickt man auf einen Ordnernamen, öffnet GEMINI automatisch das dazugehörige Fenster, womit auch die zum Ordner gehörigen Dateinamen sichtbar werden! Sogar in Funktionen wie dem zyklischen Wechseln des aktiven Fensters ist das TreeView-Fenster mit einbezogen!
Neben diesen beiden Utilities existieren noch weitere (wie DISKINFO 3.00). die das GEMINI-Protokoll zumindest soweit beherrschen, daß sie sich über Icons auf dem Desktop starten lassen.
Ein Jahr GEMINI-Erfahrung bedeutet auf der einen Seite, eine Shell schätzen zu lernen, aber auch, sich über schlechte Programme (vor allem im PD-Bereich) zu ärgern. So zum Beispiel birgt der Vorteil von GEMINI, einen beliebigen GEM-Font für das Kommando- und die Directory-Fenster zu verwenden, die Gefahr, mit Programmen zu kollidieren, die ihre virtuelle Workstation nicht sauber öffnen und somit nicht mit dem GDOS zurechtkommen. Oder TOS-Programme, die direkt den Bildschirm beschreiben und somit die I/O-Redirection, die für die Ausgabe des Textes im Kommandofenster zuständig ist, zunichte machen. Oder die zahlreichen sogenannten GEM-Programme. die mit immer neuen Oberflächen kommen, nur weil ihre Autorinnen und Autoren der Meinung sind, die beste Oberfläche gefunden zu haben. Eine Umgewöhnung von der GEM-Oberfläche, derer sich GEMINI bedient, ist viel zu häufig nötig. (Um es an dieser Stelle noch einmal deutlich auszudrücken: Es liegt nicht an GEMINI, wenn andere Programme unsauber programmiert sind!)
Es gibt jedoch einen Zeitpunkt, zu dem sich ein stabiles System eingespielt hat. Bei fehlerhaften Programmen kann man sich bei den zuständigen Software-Entwicklern und -Entwicklerinnen beschweren und auf eine Fehlerbehebung drängen.
Liegt erst ein funktionstüchtiges System vor, möchte man die Vorteile von GEMINI nicht mehr missen. Für ein Programmierprojekt werden die wichtigsten Dateien auf dem Desktop abgelegt und je nach Bedarf benutzt. Wichtige Ordner und Programme sind schnell und ohne große Suchereien in Directory-Hierarchien greifbar. Für sich häufig wiederholende Befehlsfolgen lassen sich praktische Batch-Dateien anlegen.
Bezugsadressen :
GEMINI {mit AMCGDOS 4.0, TreeView, Chameleon and einigen weiteren kleinen Utilities) erhalten Sie hei Gereon Steffens. Elsterweg 8, 5000 Köln 90, oder bei Stefan Eissing, Dorfbauerschaft 7, 4419 Laer-Holthausen, gegen eine formatierte Diskette and einen Freiumschlag. Die Shareware-Gehühr beträgt 50,- DM
TreeView ist von Stephan Gerle, Ruthstr. 8, 4600 Dortmund 1
CLIPBRD ist Public Domain (ST-Computer-PD 320).
Befehl | Erklärung |
---|---|
exit: | Mupfel (Kommando-Oberfläche) beenden |
cd: | Directory wechseln |
pwd: | aktuelles Directory anzeigen |
x: | Laufwerk wechseln (beispielsweise C: oder M:) |
pushd | angegebenes Directory merken |
popd | zuletzt gemerktes Directory holen |
dirs: | alle gemerkten Directories anzeigen |
help: | Hilfe zu allen internen Kommandos |
Cp: | Dateien kopieren |
mv: | Dateien umbenennen |
rename: | Dateien umbenennen, wobei die Extension geändert wird |
rm: | Dateien löschen |
mkdir: | Directory anlegen |
rmdir | Directory löschen |
chmod: | Dateiattribute ändern |
touch | Änderungsdatum von Dateien aktualisieren |
te: | Directory-Inhalte anzeigen |
echo: | Ausgabe der übergebenen Argumente |
cat: | Dateiinhalt anzeigen |
more: | Dateiinhalt seitenweise anzeigen |
pfint: | Dateien ausdrucken |
whereis: | Kommando suchen |
dt: | Speicherplatz von Massenspeichern anzeigen |
Label | Label von Massenspeichern anzeigen (und andern) |
backup | Dateien kopieren, wobei die Extension zu BAK geändert wird |
tree: | Directory-Hierarchie anzeigen |
find: | Dateien suchen |
hash: | Hash-Tabelle für externe Kommando anzeigen |
setenv: | Environment anzeigen bzw. andern |
show. env: | Environment anzeigen |
set: | Variablen anzeigen oder ändern |
var: | Variablen setzen oder ändern |
alias: | Alias-Namen anzeigen oder ändern |
noaiias: | Kommando ohne Aliasing ausführen |
fkey: | Funktionstastenbelegung anzeigen oder andern |
date: | Datum anzeigen oder ändern |
wc: | Zeilen, Worte und Zeichen in Dateien zählen |
du: | Platzbedarf eines Directorys ermitteln |
file: | Dateityp ermitteln |
imt: | Disketten initialisieren (löschen) |
formal | Disketten formatieren |
timer: | Timer setzen |
setscrap: | Scrap-Pfad des AES setzen |
biitmode | Blitter-Modus anzeigen oder ändern |
version: | Versionsnummern anzeigen |
shrink: | Speicher verkleinern |
free: | freien RAM-Speicher anzeigen |
pause: | Tastendruck abwarten |
cookie: | Inhalt des Cookie Jars anzeigen |
kbrate: | Tastatur einstellen |
kckck: | Tastenklick einstellen |
rsconf: | Baud Rate und Überfragungsprotokoll einstellen |
prtconf: | Druckerparameter einstellen |
Tab.1: Die Befehle der GEMINI-Shell