Bis vor ein paar Jahren waren Arbeitsspeicher bis zu 64 kByte das absolute Nonplusultra. Dann machte sich die MS-DOS-Familie auf und setzte das Maß allen Speichers auf 640 kByte, worauf sie auch lange Zeit begrenzt blieb (selber schuld). Als der ATARI ST mit den Typen 520 ST, 260 ST und 520 STM auf den Markt kam, war der verfügbare Speicher mit 16 Bausteinen des Typs 41256 (je 256 kBit) noch auf 512 kByte festgesetzt, obwohl der Mikroprozessor 68000 in der Lage war einen Adreßraum von 16 MByte anzusprechen. Der gravierende Unterschied zu den 8086/ 8088er-CPUs besteht darin, daß der 68000er von MOTOROLA in der Lage ist, die erwähnten 16 MByte durchgehend, und zwar ohne Segmentierung anzusprechen.
Ganz schnell wurde mit dem Markterfolg der ST-Geräteserie eine Erweiterung der Produktpalette und eine Vergrößerung des Speichers in den Typen 520 ST+ und 1040 STF auf 1 MByte verwirklicht. Erstmalig hatte der ATARI-Computer als Speicherriese unter den PCs die Nase vorn. Das Prinzip, wie diese Speicherverdoppelung erreicht wurde, war simpel: Man setzte einfach auf jeden der schon vorhandenen 16 Speicherchips (genannt 1. Speicherbank) einen zweiten im Huckepackverfahren oben drauf (Das wurde dann die 2. Speicherbank.). Stromkabelchen und vier Verbindungsleitungen der 2. Bank zur MMU lagen nicht gerade professionell auf der Mutterplatine umher. Der Autor dieser Zeilen kann ein leidlich' Lied davon singen, als er bei einem ATARI-Fachhändler die Aufgabe hatte, in dieser Art und Weise Kundenwünsche nach doppelt so viel Speicher zu befriedigen: Es ist ein Verfahren, von dem absolut abzuraten ist. Nur wirkliche Lötkolbenartisten bringen das Kunststück fertig, keine kalte Lötstelle (Fehlverbindung von Chip-Beinchen zur Leiterbahn) zu produzieren.
Als verantwortlich für das korrekte Ansprechen der Speicherstellen, quasi als Hausmeister des RAM, fungiert ein Custom-Chip, die MMU (MMU = Memory Management Unit, deutsch: Speicherverwaltungseinheit). Diese MMU kann bis maximal 4 MByte unter ihre Fittiche nehmen, und zwar 2 Speicherbänke mit jeweils maximal 2 MByte - mehr ist leider nicht möglich, obwohl die CPU bis 16 MByte verwalten könnte.
Natürlich stellt sich vor allem dem Computeranfänger die Frage: Wozu braucht man denn eigentlich so viel RAM-Bereich? Nun, wenn man bedenkt, daß sich seit der zeilenorientierten Befehlseingabe (sogenannte Command Line Interpreter, kurz: CLI) einiges auf unseren Bildschirmen (glücklicherweise) geändert hat, dann dürfte klar sein, daß solche grafischen Bedieneroberflächen (beim ATARI ST: GEM) auch irgendwo im Speicher residieren müssen. Außerdem gibt es unzählige Autostartprogramme, die vor der Systembereitschaft (also bevor ein GEM-Desktop erscheint) im RAM-Hintergrund installiert werden, sowie Accessories (kurz: ACCs), die per Desktop-Menüleiste zugänglich sind und auch irgendwo im RAM-Speicher schlummern. Der sogenannte Bildschirmspeicher, also das, was dann später auf dem Monitor zu sehen ist, belegt außerdem 32 kByte im RAM. Andere Anwender lassen sich noch einen RAM-Bereich für eine schnelle RAM-Disk reservieren. Sie sehen, so ist schnell der Arbeitsspeicher in kleine Bereiche aufgeteilt und der eigentlichen Anwendung steht nicht der volle Speicherausbau zur Verfügung.
Gehen wir diesen Weg ruhig einmal konsequent weiter: Autostart- und residente Hintergrundprogramme sowie Accessories (maximal 6) nehmen sich ihren RAM-Bereich, und in dem Rest muß ein Anwenderprogramm Platz haben. Im extremer Fall würde ein solches Anwenderprogramm 720 kByte groß sein, weil nicht mehr auf eine doppelseitige Diskette passen würde. Solche Mammutprogramme gibt es in der Realität (für den ATARI ST) noch nicht (Gottseidank). Gerade die Verkleinerung von Programmen - und dennoch eine Steigerung der Leistungsfähigkeit und des Funktionsumfangs - ist das obere Ziel der Entwickler (oder sollte es zumindest sein). Wie dem auch sei, die Größe des Anwenderprogramms ist nicht das Problem. Wenn ein solches-Programm gestartet wurde, wartet es natürlich auf entsprechende Tätigkeiten des Benutzers -Anwendung oder Applikation genannt. Und gerade für diese Applikation steht dann öfters nicht genügend Speicherplatz zur Verfügung.
Umfangreiche Zeichnungen in CAD-Programmen, bewegte Grafik in Spielprogrammen, digitale Bild- und Tonverarbeitung und nicht zuletzt das zunehmend beliebter werdende Desktop Publishing, alles das raubt den verbleibenden freien RAM-Speicher. Auch bei der Programmentwicklung mit Interpreter, Compiler, Debugger und Linker lassen die Programmierer die zeitraubenden Übersetzungsvorgänge gerne in einer RAM-Disk ablaufen und werden genügend großen Speicher zu schätzen wissen.
Im Falle der DTP-Anwendung gibt es noch ein atarispezifisches Problem aufzugreifen: der Laserdrucker. Aus Kostengründen hat ATARI darauf verzichtet, dem Laserdrucker einen eigenen Arbeitsspeicher zu bescheren, so daß er immer den der Zentraleinheit mitbenutzen muß und logischerweise an keinem anderen System (d.h. MS-DOS oder Amiga usw.) funktioniert. Gerade beim DTP fallen auch sehr schnell umfangreiche Grafiken an, die ihrerseits wieder Massen an RAM-Speicher beanspruchen.
Weil das Speicherausbauverfahren von ATARI, die Huckepacklöterei, mehr als fragwürdig war, kristallisierte sich sehr schnell eine eigenständige Zubehörindustrie heraus, die viele verschiedene Lösungen zum Speicherausbau parat hielt:
Je nach dem, welche Geräteversion vorliegt, kann sie mit 64 kBit (z.B. Typ: MCM4164), 256 kBit (Typen: MCM6256 oder KM41256) oder 1 MBit (Typ: TC511000) bestückt sein. Die 64er- und 256er-Typen sind untereinander pinkompatibel und können problemlos gegeneinander ausgetauscht werden. Es ist nur darauf zu achten, daß eine Bank durchgehend denselben Typ besitzt. Die andere Bank darf aus anderen Typen bestehen. So ist es aber auch durchaus denkbar, bei einem 512-kByte-Rechner (260 ST, 520 ST und 1040 STF) eine zweite Bank mit 1-MBit-Chips zu versehen (ergibt max. 2 MByte), was schließlich zu 2,5 MByte RAM führt. Wie schon erwähnt, ist das nackte Gegeneinanderlöten der RAM-Bausteine absolut nicht zu empfehlen. Einen Ausweg bieten verschiedene Firmen, die eine Bankplatine anbieten. Das Verfahren mit der Huckepackbankplatine ist wahrscheinlich für den ungeübten Bastler das komplizierteste.
Die Firma Thomas Heier bietet einen entsprechenden Bausatz für alle ATARI STs (außer dem STE und MEGA 2) an. Der Bausatz (Platine, Flachbandkabel, 16 Fassungen, div. Kondensatoren, ohne RAM-Chips) kostet 89 DM. Am 22. Oktober kostete der Kompletteinbau der Speicherbank 450 DM. Man sollte sich aber immer nach Preisänderungen erkundigen, da der RAM-Chip-Preis ständig schwankt.
Einen ganz anderen Weg geht diese Technik, bei der eine Platine mit entsprechender Vorrichtung direkt in den Sockel der MMU gesteckt wird. Alte Lösungen, die die MMU in ihrem alten Sockel beließen und nur in die vier wichtigen Select-Kontakte gesteckt wurden, haben sich nicht bewährt. Besser ist es, die MMU aus ihrem angestammten Umfeld herauszuhebein, wozu am besten eine spezielle Zange benutzt wird. Dann findet in diesem quadratischen Sockel die Zusatzplatine Platz, und die MMU kommt in einen neuen Sockel auf der Platine.
Solch eine Lösung präsentiert die Firma GIGATRON. Diese MMU-Steckkarte ist für 260 ST, 520 ST, 1040 STF und sogar für MEGA ST2 geeignet. Die komplett aufgebaute Speicherkarte kostet mit 2 MByte 598 DM und mit 4 MByte 998 DM.
Komplettlösungen für alle ATARI-Geräte wurden uns auch von der Firma Wacker Systemelektronik GmbH, Karlsruhe vorgestellt. So kostet beispielsweise eine Erweiterung von ATARI 260 ST bzw. 520 ST auf 2 MByte inklusive Einbau 498 DM. Ein ATARI 1040 STF kann für 498 DM auf 2 MByte und für 848 DM auf 4 MByte. Damit sich später keiner wundert, offenbart die Firma Wacker, daß sie die alten Speicherbausteine des 1040 auslötet, da ein (funktionelles) Stillegen der alten RAM-Bank dennoch Strom abgreift und thermische Probleme auftreten können. Für den MEGA ST 1 gibt es 2 MByte für 448 DM und 4 MByte für 798 DM.
Sehr interessant ist die Lösung der Firma Lion Hard Systems, Witten: die Chamäleon-Card ist ein Subsystem, das z.B. in einen MEGA-Computer eingebaut und an den Videoshifterangeschlossen wird. Dort sind aber noch keine Speicherbausteine zu finden. Vielmehr bestehen die einzelnen Erweiterungen aus modularen Steckkarten (SIMMs), die dann in die Chamäleon-Card eingeführt werden. Die Chamäleon-Card kostet ohne SIMM-Karten 198 DM. Die Grenze von 4 MByte ist nun durchbrochen. Die Firma H. Richter bietet ein Erweiterungssystem an, das bis maximal 14 MByte ausgebaut werden kann. Die erforderliche Basisplatine setzt einem MEGA 4 noch 2 MByte drauf und kostet 1598 DM, von 6 auf 10 MByte wären 998 DM und von 10 auf 14 MByte genau 1798 DM zu bezahlen.
Noch ein Wort zum Schluß: Wir hätten Ihnen, liebe Leser, gerne ein umfassenderes Angebot an Speichererweiterungen vorgestellt und alle in Frage kommenden Händler angesprochen. Leider haben sich nicht alle dazu entschließen können, uns eine Reaktion zu geben. Aus diesem Grund und weil ständig neue Anbieter auf den Markt drängen, ist ein vollständiger Überblick unmöglich. Sollten Sie aber an einer Speichererweiterung interessiert sein, rentiert sich immer ein Preisvergleich und systematisches Durchkämmen des Anzeigenteils der ST-Computer (Kleinanzeigen nicht zu vergessen!).
Bezugsquellen:
FA. Thomas Heier Gorch-Fock-Straße 33 2000 Schenefeld
GIGATRON oHG Thüler Straße 3 4595 Garrel
Wacker Systemelektronik GmbH Bachstraße 39 7500 Karlsruhe 21
Lion Hard Systems Postfach 1847 5810 Witten 1
H. Richter - Distributor Hagener Straße 65 5820 Gevelsber