Let's Go East - ATARI-Club in der DDR

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ATARI auf der Leipziger Messe -– ein begehrter Rechner

Im Februar dieses Jahres gründete der Dresdner Thomas Wedler einen ATARI-Club. Dieser Club soll zu einem Dachverband ausgebaut und über ihn der Vertrieb von ATARI-Computern und Zubehor in die DDR abgewickelt werden.

Die DDR war schon vor der großen Wende 1989 ein "ATARI-Land". Mehr als 100000 ATARIs sind allein über die Handelsorganisation Forum in den Intershops verkauft worden, schätzte ATARI auf der Leipziger Messe im März dieses Jahres, Im wesentlichen Low-End-Geräte, also 8-Bit-Rechner, 520 STs, 1040 STs und die XTs. Eine unbekannte Zahl von Geräten brachten Omas von ihren Westreisen mit oder schickten die Verwandten von "drüben". Mehrere Universitäten, darunter die Karl-Marx-Universität in Leipzig und die Humboldt-Universität in Berlin, setzten in großeren Mengen ATARIs ein, und zu den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März stellte ATARI für Wahlauswertung und Politbarometer 80 Computer zur Verfügung. Auch komplette Zeitungen werden inzwischen mit ATARIs gesetzt, so zum Beispiel "Die Andere Zeitung" (DAZ) des neuen Forums in Leipzig.

Was lag also näher, als einen ATARI-Club zu gründen? Tatsächlich hatte Thomas Wedler schon 1988 diese Idee, aber damals paßte das nicht in die politische Landschaft. Als sich dann die ersten Veränderungen im Oktober 1989 anbahnten, nutzte der Dresdner die Gelegenheit, um sein "Projekt ATARI" in die Tat umzusetzen. "Ich fand bald einen kleinen Kreis von 15 bis 20 Usern, die von meiner Idee begeistert waren", erzählt er. "Rechtliche und materielle Unterstützung fand ich beim Kulturbund der DDR. Bedingung war allerdings, dass alle Club- Interessenten bereit waren, beim Kulturbund mitzumachen, um zu dessen Finanzierung beizutragen. Seit der Streichung der Gelder von der damaligen SED ist das sogar zum Dreh- und Angelpunkt für die Bezahlung der hauptamtlichen Mitarbeiter beim Kulturbund geworden.", beschreibt Wedler die komplizierte Situation.

Rund 40 Mitglieder im Alter von 14 bis 60 Jahren kamen schließlich im Dezember 1989 zusammen, als ihrem Club offiziell erlaubt wurde, sich "IG ATARI - Computerclub im Kulturbund der DDR" zu nennen. Eine Veroffentlichung in der Dresdner Bezirkspresse im Januar sorgte für eine "Flut von Briefen von Interessenten", erzählt Wedler, "aber zum Glück hatte ich mein Postamt und meinen Briefträger vorher informiert". Im Februar fand dann die offizielle Gründungsversammlung statt, und der Club gab sich eine ordentliche Satzung. Thomas Wedler wurde ehrenamtlicher Geschäftsführer.

"Hauptziel ist die Schaffung eines Kommunikationszentrums für alle ATARI-Freaks der 8- und 16-Bit-Technik." sagt der unternehmungstustige Dresdner. Über 150 Mitglieder hat die IG derzeit, und zusammen mit den Leitern der Arbeitsgruppen und dem "Schatzmeister", die in der Übergangsphase die Geschäfte des Clubs leiten, baut Wedler ein Netz von Kontaktstellen im gesamten Bezirk Dresden und in Leipzig auf. Sie bemühen sich um die Bildung von Ortsgruppen ab 5 Usern, die selbständig vor Ort arbeiten. Aufgenommen werden einzelne User und bereits bestehende Clubs. Eine eigene Clubzeitung soll herausgegeben und ein Landesverband Sachsen gegründet werden. Auch eine feste Anlaufstelle gibt es in Dresden bereits. Die IG ATARI bietet Mitgliedern und Interessierten vielfältige Arbeitsmoglichkeiten. Neben individuellen Zusammenkünften stehen den Mitgliedern verschiedene Arbeitsgruppen offen. So steht bei der AG Software "Programmieren in ATARI-BASIC, Assembler und anderen ATARI-Sprachen" auf dem Plan. In der AG Trickkiste werden Fragen behandelt, die beim Arbeiten mit Anwender- oder Spielprogrammen auftreten, Tips und Tricks vermittelt und außerdem Beschreibungen zu bestimmten gefragten Programmen erstellt. Die AG Sound hilft beim Einsatz des ATARI als Sound-Maschine.

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Über 100000 ATARI-Rechner wurden im Intershop verkauft.

Ein DDR-spezifisches Problem wird in der AG Hardware behandelt: Die Hardware-Reparatur. "Hier in Dresden gibt es zwar einen Computerservice", erklärt der Club-Chef, "aber die Reparatur muß in DM bezahlt werden. Darum bleibt meist nichts anderes übrig, als es mit Basteln zu versuchen. In unserer Hardware-Gruppe haben wir dafür ausgesprochene Spezialisten, aber wenn neue Bauteile gebraucht werden, muß man immer noch in den Westen fahren und gegen DM kaufen oder man läßt es ganz." Die AG Organisation ist für die Öffentlichkeitsarbeit und Organisation verantwortlich. Sie stellt die Kontakte des Clubs nach außen her, hält die Verbindung Mit dem Kulturbund aufrecht und gibt eine Übersicht über clubeigene Software und Literatur. Sie organisiert außerdem Mitgliederversammlungen und offentliche Treffs. Zu den weiteren Vorhaben gehoren eine AG Sprachsynthese, AG Grafik/ Design, AG LOGO und eine AG Club-Magazin.

Ein großes Mitgliedertreffen in Form einer Borse wird alle Vierteljahre veranstaltet. Das erste dieser Art in Dresden überhaupt fand im März diesen Jahres statt. "Dieser Art" bedeutet offentlich, denn bisher trafen sich die ATARI-Freaks in Schulclubs oder in großeren Wohnungen. Auf der Borse konnten Software, Erfahrungen und Informationen ausgetauscht werden, und in Zusammenarbeit mit bundesdeutschen Firmen wurde erstes ATARI-Zubehor angeboten, zum Beispiel ATARI-Lichtgriffel und vieles andere. Eine Marktanalyse sollte den Bedarf an Diskettenstationen und Druckern klären. Der rührige Wedier will außerdem ein ATARI-Verkaufsbüro in Dresden eroffnen, "wo Computerfreunde, IG-Mitglieder natürlich bevorzugt, sowohl Computer als auch Zubehor erwerben konnen. Früher konnten sich viele einen Computer nicht leisten, weil eine Floppy oder ein Drucker made in DDR für einen Wucherpreis von 5000 Mark verkauft wurden und weil DM knapp war, darum gibt es hier jetzt einen enormen Markt. Zentrale Anlaufstelle für Vertrieb und Verkauf soll die IG ATARI sein. Entsprechende Kontakte mit einigen ATARI-Fachgeschäften und Software-Häusern in der Bundesrepublik sind bereits geknüpft."

Nicht kommerzielle Kontakte sucht die IG zu ATARI-Clubs in der Bundesrepublik, "vor allem zum Erfahrungsaustausch, zum Beispiel über Raubkopien, jugendgefährdende Software und überhaupt alles, was die Arbeit mit ATARIs betrifft", meint Wedler.

Im Club selbst geht es streng demokratisch zu: Im Mai findet die nächste Mitgliederversammlung statt, auf der die Clubleitung, die zunächst einmal alle drei Monate Zeit hatte, sich einzuarbeiten, für die kommenden zwei Jahre gewählt wird. Ihre Aufgabe ist vor allem, die reibungslose Arbeit der einzelnen Mitglieder zu berücksichtigen. In der Clubordnung wird dabei auch an einen verantwortungsbewußten Einsatz der Gelder appelliert, denn der Club finanziert sich selbst. Die ebenfalls für zwei Jahre zu wählende Revisionskommission wacht darüber.

Interessenten konnen sich direkt an den Computer-Club wenden:

IG ATARI
Alexander-Herzen-Straße 55
DDR - 8080 Dresden
Andrea Rudolph



Aus: ST-Computer 07 / 1990, Seite 22

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