Scarabus 2.0 - Der Profi-Fonteditor für SIGNUM2! und Script

Zu Beginn dieses Testberichtes möchte ich der ST-Redaktion dafür danken, daß sie mir genügend Zeit zum Testen ließ. Entgegen der gängigen Praxis anderer Magazine, Vorversionen in Windeseile von hierzu kurzzeitig freigestellten Mitarbeitern testen zu lassen, durfte ich SCARABUS 2.0 zwei Monate lang auf Herz und Nieren prüfen. Anwendungsfeld des Testes waren die Verbesserungen und Erweiterungen meiner Fontdisketten Theolfont plus 2.0 und Arabicum 2.0 sowie der neuen Professional Fontdisk 3.0 [zu den Font(Zeichensatz)-Disketten Näheres am Schluß]. Erster Pluspunkt für SCARABUS 2.0 war seine Bombensicherheit. In 2 Monaten täglicher, oft mehr als 8 Stunden dauernder Arbeit ist es mir nicht gelungen, das Programm zum Absturz zu bringen.

Bei SCARABUS 2.0 handelt es sich um die neue Version des "erweiterten Fonteditors" für das Text Verarbeitungsprogramm SIGNUM!, über das ich wegen seiner Beliebtheit auf dem ATARI ST keine Worte verlieren muß. Daß die SIGNUM!-Anwender sehr arbeitsam sind, was das Fonterstellen angeht, beweisen die inzwischen über 1000 SIGNUM!-Fonts. Das neue Textverarbeitungsprogramm SCRIPT derselben Softwarefirma Application Systems kann die SIGNUM!-Fonts ebenfalls verwenden (256! gleichzeitig), weshalb sich das Anwendungsgebiet von SCARABUS nun auch auf SCRIPT erstreckt.

Professioneller Editor

In dem Testbericht einer anderen ST-Zeitschrift hieß es zu SCARABUS 1.0,es handele sich nur um eine aufgepeppte Zusammenfassung der drei Original-SIGNUM!-Fonteditoren (im folgenden kurz: OFE). Entschuldigen Sie bitte die Schärfe! Zu solch einem Urteil kann m.E. nur ein Tester kommen, der ein wenig "getestet" hat, nicht jedoch professionell damit arbeiten mußte. Was verstehe ich nun unter professioneller Fonterstellung? Ein Profi-Fonteditor muß es mir erlauben, in angemessener Zeit kalligraphisch saubere, korrekt proportionierte Fonts zu erstellen.

Hierzu dient erstens die Möglichkeit, gescannte Vorlagen wie ein Alphabet als Bild einzulesen und buchstabenweise zu verarbeiten.

Zweitens benötigt man horizontale und vertikale Hilfslinien, die zwar nicht abgespeichert werden, aber die Orientierung erleichtern. Aus leidvoller Erfahrung mit dem OFE weiß ich, wie umständlich es vor zwei Jahren bei der Erstellung meiner Hebräischfonts zuging. Die hebräischen Vokale sitzen sublinear unter den Konsonanten. Ständig mußte abgezählt werden, damit alles stimmte (s. Bild 1).

Drittens wird der professionelle Anwender (z.B. Universitäten, Firmen) stets mehr als nur ein Druckerformat bearbeiten müssen: für 9- und 24-Nadler sowie Laserdrucker. Gegenüber den drei Programmen des OFE hat er es bei SCARABUS nur mit einem integrierten Programm zu tun. (Bei SCARABUS 2.0 ist übrigens der kleine Fehler der Version 1.0 behoben. Jetzt wird beim Umschalten von einem in das andere Format die Proportion gleich richtig angezeigt.) Unter diesem Punkt ist auch die Formatkonversion aufzuführen. Mit SCARABUS ist es möglich, aus jedem Format (P9/P24/L30) in eines der drei Formate zu konvertieren. Als Spezialanwendung gibt es die Konversion ohne Formatanpassung. Ich habe damit aus Times-11-italic-L30 (Laser) eine bessere Vorlage für Times-9-italic-P24 (24-Nadler) erzeugt, als wenn ich aus Times-9-italic L30 per Konversion mit Formatanpassung Times-9-italic-P24 erzeugt hätte.

Bearbeitungsmöglichkeiten

Viertens braucht der professionelle Anwender von einem bestimmten Font wie den TIMES-Fonts der Professional Fontdisk mehrere Größen (z.B. 13-Punkt für Überschriften. 11-Punkt für Haupt- und 9-Punkt für Fußnotentext) sowie Schriftarten (z.B. kursiv, fett, outlined, shadowed). Wie bei den meisten Computertextverarbeitungen kann man natürlich mit SIGNUM! und SCRIPT eine verwendete Schriftart mit den Optionen breit, fett, groß etc. kombinieren, doch das Ergebnis ist für ein geübtes Auge höchst unbefriedigend. Ein Ausweg wären hier Vektorfonts wie bei CALAMUS. Demgegenüber haben Sie aber mit SCARABUS (wie dem OFE) die Möglichkeit, die Fonts Punkt für Punkt ganz auf das jeweilige Druckermedium einzustellen. Ich selbst benutze dabei undokumentierte Tricks, die es mir erlauben, auch Feinheiten punktgenau zu zeichnen. Diese Feinheiten und Ebenmäßigkeit sind mit CALAMUS oder anderen Programmen, die auf Vektorfonts arbeiten, nicht möglich (sinnvolles Anwendungsgebiet für Vektorfonts sind sehr hohe Punktgrößen bzw. Lichtsatzmaschinen). Die Option kursiv können Sie bei SIGNUM! und SCRIPT zwar benutzen, doch wie auch sonst üblich, werden die vorhandenen Fonts hierbei nur geneigt. Abgesehen von den dabei auftretenden Rechenfehlern ist ein geneigter Font noch kein kursiver, der eben andere Formen hat (vgl. a, e, f, ß). Dieses Wissen müssen Sie schon selbst mitbringen. SCARABUS bietet aber die Möglichkeit (bei SCARABUS 2.0 endlich nicht nur für ein Zeichen, sondern gleich auf den ganzen Font anwendbar), Fonts gleichzeitig zu verbreitern und zu strecken (analog kürzer und schmäler), zu verdicken, helle outlined (anstatt des üblichen Buchstabens nur die leichten Umrißlinien), schattierte (shadowed) und inverse Fonts zu erzeugen. Wer noch mehr Tatendrang hat, kann mit einem der 36 vorgegebenen Füllmuster seine Fonts bearbeiten (s. Bild 1).

Font tauschen

Fünftens ist es in den in Frage kommenden Anwenderkreisen manchmal nötig, individuelle Tastaturbelegungen für Spezialanwendungen zu erstellen. Das sind einerseits Publikationen. Für das Buch Diethelm Michel, Untersuchungen zur Eigenart des Buches Qohelet, Berlin-New York 1989 (BZAW 183) brauchte ich zwölf Fonts, die auf den sieben Positionen bei SIGNUM!2 unterzubringen waren. Andererseits müssen für die französischen, amerikanisch-englischen, dänisch-skandinavischen Versionen meiner Fontdisketten jeweils an die landesübliche ST-Tastatur angepaßte Belegungen erarbeitet werden. Für die 15 Fonts meiner THEOLFONT plus (in Wirklichkeit sind es 45, wenn man die drei Druckformate berücksichtigt) brauchte ich hierfür mit dem OFE mehrere Tage harter Arbeit - eingerechnet die vielen lauernden Fehlerquellen. Mit SCARABUS 2.0 geht dies unter dem Punkt "Font tauschen" in wenigen Stunden. Der eigentliche Konversionsvorgang mit SCARABUS dauert hierbei stets nur Sekunden. Die meiste Zeit vergeht mit der Vorarbeit, der Erstellung der neuen Tastaturbelegungspläne. Da stets alle drei Formate gleichzeitig getauscht werden können, fällt die Fehlerquelle weg, in einem Format einen Buchstaben vergessen zu haben (s. Bild 2 und 3). Alle genannten Optionen von SCARABUS 2.0 erleichtern dem professionellen wie dem passionierten, privaten Anwender die Fonterstellungsarbeit, die er so mit dem ansonsten guten SIGNUM!-OFE nicht bewerkstelligen kann.

Bild 1: Hauptbedienungsoberfläche von SCARABUS
Bild 2: "Font tauschen" (helle Zeichen aus Font B)
Bild 3: "Font spezial" - für buchstabenweises Bearbeiten

SCARABUS 2.0

Worin liegen nun die Unterschiede zwischen der Version 1.0 und 2.0? Die Version 2.0 bietet wie die Version 1.0 die Möglichkeit, das Programm alternativ über die Tastatur wie mit der Maus zu bedienen. Die Version 2.0 ordnet die mit der Maus auszuwählenden Optionen jedoch erheblich ergonomischer an, verzichtet auf unsinnige Tastaturbefehle und erleichtert das Pixeln.

Die alte Version glänzte beim Pixeln (Setzen und Löschen der einzelnen Punkte) gegenüber dem OFE mit einer unausstehlichen Lahmheit. Das Problem wurde dahingehend gelöst, daß nun nur noch die linke Maustaste aktiv ist. Gelöscht wird mit Shift-linke Maustaste. Obwohl ich seit 2 1/2 Jahren den OFE gewohnt bin (Setzen: linke Maustaste, Löschen: rechte), fällt mir das Umsteigen auf SCARABUS 2.0 relativ leicht. Bloß heim parallelen Anwenden von SCARABUS 2.0 und dem OFE innerhalb weniger Stunden (in außergewöhnlichen Fällen) ergehen sich leichte Umstellungsprobleme. Wie bereits oben erwähnt, sind jetzt einige Optionen auf den ganzen Font anwendbar, die früher nur für einzelne Zeichen aufrufbar waren.

Handbuch

Das Handbuch ist übersichtlich und klar geschrieben. Den alten Hasen sei angeraten, es auch dann durchzulesen, wenn man mit dem leicht zu bedienenden Programm auch so schon zurecht kam. Es stecken nämlich einige hilfreiche Hinweise drin, die man sich so nur über lange Umwege zufällig erschließt. In Verbindung mit der Shift-Taste wirken z.B. bestimmte Funktionen kontinuierlich. Jetzt sind Verschiebearbeiten schnell und leicht zu erledigen. Wer spezielle Informationen zur Technik der einzelnen Drucker, dem Speicherformat etc. wünscht, sollte auf das SIGNUM!2-Handbuch (das SCRIPT Handbuch kenne ich noch nicht) zurückgreifen.

Kleine Wermutstropfen

Anfangs verwies ich auf einen anderen SCARABUS-Testbericht. Diesem entgingen die in SCARABUS 1.0 enthaltenen Fehler. Damit ist niemand geholfen. Meines Erachtens hilft ein ehrlicher Test dem Programmierer wie dem Anwender. Wegen der nachfolgend beschriebenen, noch vorhandenen Unstimmigkeiten habe ich mich bereits mit dem Programmierer in Verbindung gesetzt. Er war für die Hinweise sehr dankbar. Für ein Update konnte er mir noch keinen genauen Termin angeben, doch er versprach, sich sobald wie möglich an die Behebung der Kritikpunkte zu machen.

Bezüglich der zu bemängelnden Programmpunkte muß fairerweise bemerkt werden, daß Sie nur bei Spezialanwendungen ins Gewicht fallen, während sie bei gängigen Anwendungen gar nicht benutzt werden.

Der störendste Fehler tritt beim Odem unter "Font spezial" auf. Mittels dieses Menüpunktes sollte es u.a. möglich sein, Umschrift- (Transkriptions-) und Eurofonts zu erstellen. Einziges Problem hierbei ist nur. daß SCARABUS 2.0 die Proportionen wahllos einstellt. Mal nimmt er die des zu odernden, dann die des überschreibenden Zeichens, aber auch eigenständig gewählte Proportionen. Mein Tip: Bevor Sie odern, sollten Sie den betreffenden Font pur abspeichern und danach auf Position B laden und Buchstaben für Buchstaben die Proportionen vergleichen und verbessern. Für den, der wie ich alle drei Druckerformate bearbeiten muß, ist dieses Verfahren immer noch erheblich einfacher, als mit dem OFE alle drei Formate einzeln ödem zu müssen. (Dieser Fehler wird laut Auskunft des Programmautors leicht zu beheben sein.)

Wer sehr große Fonts erstellen will oder wie beim Hebräischen sehr tief oder hoch sitzende Buchstaben und Zeichen hat, wird merken, daß gegenüber dem OFE das Druckernetz in der Vertikalen aus Platzmangel verkleinert ist. Der Hinweis, gegenüber dem OFE nach oben und unten z.T. ohne Verluste verschieben zu können, kann mich nicht befriedigen. Für diese Anwendungen wird ein neues Konzept erarbeitet werden müssen. Hierzu zählt auch das Problem mit dem Zahlenfeld des Menüpunktes "Font spezial": Alles was über eine bestimmte Höhe und Tiefe hinausgeht, wird nicht mehr dargestellt (bezieht sich nicht auf den wirklichen Editor- und Druckerfont), sondern nur auf die Monitordarstellung innerhalb dieses Menüpunktes.

Unter "Font tauschen" sollte die Alternative bestehen, einerseits in der momentan gewohnten Weise die Fonts darzustellen (optimal für lateinische Schriften), andererseits die wirklichen Editorfonts anzuzeigen. Wenn ich z.B. einen Arabischfont umbelegen muß, der sich an der arabischen Schreibmaschine orientierte, habe ich keine Assoziationsmöglichkeit mit den angezeigten lateinischen Buchstaben.

Unproportionaler Font: Dieser Menüpunkt ist an sich sehr begrüßenswert, doch verbesserungsbedürftig. Momentan sucht SCARABUS die größte Proportion innerhalb eines Fonts (wird in der Regel "W" oder "M" sein), stellt alle Proportionen auf diesen Wert und zentriert alle Buchstaben diesbezüglich. Sinnvoller wäre es, einen etwas kleineren Proportionswert vorgeben zu können. Die Proportion orientiert sich nämlich eher am kleinen "m"; d.h., die Großbuchstaben werden in einem unproportionalen Fönt etwas gestaucht werden müssen.

Ich selbst hatte auf einem Mega 4 [mit 2200 kB RAM-Disk (Flexdisk)] keine Speicherplatzprobleme. Auf einem 1040 soll es bei vielen Accessories schon mal eng werden können (wurde mir berichtet). Erstellen Sie sich dann für die Arbeit mit SCARABUS eine eigene Arbeitsdisk ohne Accessories. An dieser Stelle noch eine Merkwürdigkeit. SCARABUS selbst stürzte nie ab. Wenn ich aber direkt nach der Arbeit mit SCARABUS das Druckprogramm aufrief, stürzte dieses mit 2-3 Bomben manchmal ab. Liegt dies an der Speicherverwaltung, -freigebung durch SCARABUS?

Fazit

Wer als privater Anwender ausgefallene Fonts (outlined, shadowed etc.) erstellen möchte, sollte den Kauf von SCARABUS 2.0 in Erwägung ziehen. Der reine Hobbyanwender, der nur mal einen schon vorhandenen Font bearbeiten möchte, ist mit den drei Original-SIGNUM-Fonteditoren bestens bedient - zumal dieser Anwender es nur mit einem Druckertyp zu tun hat. Für den professionellen Anwender gibt es keine Alternative zu SCAR ABUS 2.0. Allein die Zeitersparnis amortisiert schon den Kaufpreis von 100,-DM innerhalb kurzer Zeit.

P.S.: Bezüglich der Fontdisketten Arabicum 2.0 (Arab.-Pers., Umschrift), Theolfont plus 2.0 (Hebr. Griech., Kopt.. Jidd., Syr.) und Professional Fontdisk 3.0 (Times) dürfen Sie sich an mich wenden, wenn Sie Ihrer Anfrage mindestens 2,40 DM (Rückporto) in Briefmarken beilegen. Herzlichen Dank!

Veit Brixius Romerstr. 4R D-6501 Buden heim

Bezugsadresse:

Application Systems /// Heidelberg Englerstr 3 6900 Heidelberg


Veit Brisius
Aus: ST-Computer 11 / 1989, Seite 49

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