"Daily Mail" ist eine spezielle Textverarbeitung für den Atari ST. Statt einer Unmenge von Funktionen hat es nur eine: es schreibt Briefe. Aber das kann Daily Mail besonders gut und besonders schnell.
Einen Brief mit dem Computer zu schreiben ist eine Kunst: Da müssen Druckvorlagen eingestellt, Adressen mühsam abgetippt und Formate jedesmal neu definiert werden. Sobald man beispielsweise einen Brief schreiben will, der in einen Sichtfenster-Umschlag gehört, wird die Sache kompliziert. Um die Adresse an den richtigen Platz zu bringen, muß man oft nach Gefühl vorgehen; oft kann man den Brief erst nach mehreren Probeausdrucken umschlaggerecht formatieren. Eine Woche später, wenn man einen weiteren Brief an die gleiche Adresse schicken will, wiederholt sich der gesamte Vorgang. Wen wundert's da. daß viele Computerbesitzer für ihre tägliche Post lieber wieder zur Schreibmaschine greifen und den Computer nur noch zum Schreiben von langen Texten und Referaten benutzen.
Das soll sich jedoch ändern. Die Heidelberger Software-Designer von Application Systems kreierten "Daily Mail", ein Programm, das die tägliche Post nahezu allein erledigt Einzig schreiben müssen Sie den Brief selbst — und anschließend natürlich das bedruckte Blatt Papier falten, in den Umschlag stecken, eine Briefmarke draufkleben und dann "dafür sorgen, daß Briefe in die dafür vorgesehenen gelben Kästen geworfen werden", empfiehlt das Handbuch.
Application Systems verfolgt mit Daily Mail ein etwas anderes Konzept, als man es von anderen Herstellern gewohnt ist: Statt das Programm mit Funktionen zu überladen und die Bedienung damit zu komplizieren, haben sich die Heidelberger auf die wichtigsten Funktionen beschränkt, um die Handhabung dieses auf eine Detaillösung spezialisierten Programms so einfach wie möglich zu machen. Und das ist ihnen auch gelungen.
Schon die Installation des Programms gestaltet sich sehr einfach. Das Handbuch rät dazu, erst einmal eine Sicherheitskopie und zusätzlich eine Arbeitskopie anzufertigen, auf der die nicht benötigten Dateien (wie z. B die einzelnen Druckeranpassungen) gelöscht werden können. Das Handbuch ist zwar recht verständlich, überfordert den Computer-Einsteiger aber dennoch gelegentlich. So muß man hin und wieder ein wenig experimentieren. um herauszufinden, was der Autor eigentlich gemeint hat. Auch die Übersichtlichkeit des Handbuchs läßt zu wünschen übrig: Ständig muß man zwischen Inhaltsverzeichnis und Stichwortregister hin- und herblättern, wenn man den Durchblick nicht verlieren will. Und die einzelnen Kapitel sind nicht klar gegliedert. so daß sich der Leser durch den ganzen — zwar unterhaltsamen, aber dennoch umfangreichen — Text durcharbeiten muß. statt nach bestimmten Themen gezielt suchen zu können.
Das ist aber auch das einzige Handicap in der Handhabung von Daily Mail. Ganz unkompliziert ist beispielsweise die optische Gestaltung von Briefen auf dem Bildschirm. So entwirft man erst einmal einen Briefkopf mit Name. Anschrift. Telefonnummer und Datum, das über einen Platzhalter im Briefkopf positioniert wird. Anschließend speichert man den Briefkopf auf Diskette oder Festplatte. Bei Bedarf können Sie jederzeit darauf zurückgreifen.
Was nützt der Computer samt Textverarbeitung, wenn er eine Schreibmaschine nur ersetzt, das Briefeschreiben aber nicht vereinfacht? Gar nichts. Darum enthält Daily Mail auch eine Adreß-Datenbank mit besonderen Fähigkeiten: Man füttert die Datei mit Adressen und kann die gewünschte Adresse dann per Mausklick in das Adreßfeld des gerade bearbeiteten Briefes einklinken. Auf Wunsch erscheint sogar die Anrede im Brief. Beispiel:
Sie möchten einen Brief an Herrn Mustermann in Lübeck schicken. Seine Adresse samt Anrede ist bereits in der Adreßdatei von Daily Mail gespeichert. Jetzt wählen Sie mit dem Mauszeiger im Menü "Adressen" den Punkt "Briefadresse einsetzen" und anschließend im Datenfeld auf dem Bildschirm die Adresse des Herrn Mustermann. Der Mausklick befördert die Adresse an den gewünschten Platz im Brief, so daß er in einen Fensterumschlag paßt. Somit haben Sie. ohne eine Taste auf der Tastatur zu drücken, einen Briefkopf inklusive Anrede innerhalb weniger Sekunden geschrieben. Und außerdem müssen Sie die Adresse nicht auswendig wissen oder im Adreßbuch suchen. Anfangs ist der Aufbau einer Adreßdatei etwas mühsam, da man ja alle Adressen eingeben muß.
Haben Sie bereits eine Adreßdatei von einer anderen Datenbank (beispielsweise von AdimensST), dann bietet Ihnen Daily Mail die Möglichkeit, diese Daten zu übernehmen. Voraussetzung ist lediglich, daß die Daten als ASCII-Datei vorhegen müssen, was aber die meisten Datenbanken können.
Es gibt zahlreiche Formulierungen. die sich in jedem Brief wiederholen "Mit freundlichen Grüßen" beispielsweise. Auch diesen Schlußsatz können Sie mit einem Tastendruck in den Text einfügen. Dafür ist die sogenannte Makro-Funktion zuständig. Sie drücken gleichzeitig die linke Shifl-Taste und eine der zehn Funktionstasten und schon wird der Text automatisch in den Brief eingefügt. Wenn Sie die rechte Shift-Taste mit einer Funktionstaste kombinieren, dann können Sie den Makro-Text verändern. Darüber hinaus bietet Daily Mail auch Textbausteine an. falls Sie fertige Textpassagen in Ihre Briefe einklinken wollen.
Mit einer gut bestückten Adreßdatei lassen sich Serienbriefe sehr schnell und komfortabel schreiben. Dabei kann man auch mit Variablen arbeiten, um beispielsweise den entsprechenden Namen mitten im Text ein weiteres Mal zu erwähnen.
Briefe sind eine Art Visitenkarte. da ist auch die Qualität des Ausdrucks wichtig. Daily Mail läßt sich an jeden gewünschten Drucker anpassen. da es nur Standard-Druckeigenschaften unterstützt. (Beispiele: Fettschrift. Super- und Subscript. Unterstreichen). Den Grafikmodus des Druckers braucht man nur für eine einzige Funktion, den Druck einer digitalisierten Unterschrift.
Diesen Grafikmodus haben ohnehin nicht alle Druckertypen, Typenrad-Drucker beispielsweise kommen ohne ihn aus. Außerdem ist es Geschmacksache, ob man eine digitalisierte Unterschrift auf einem Brief schön oder angebracht findet. Falls Sie aber für Serienbriefe Gebrauch davon machen möchten. können Sie Ihre Unterschrift entweder mit einem Scanner selbst digitalisieren oder von Application Systems digitalisieren lassen. Gegen eine Bearbeitungsgebühr von 30 Mark erhalten Sie eine Diskette mit der entsprechenden Datei für Daily Mail.
Eine sehr komfortable Funktion ist auch der Sammelausdruck. Sie schreiben einen Brief wie gewohnt und wählen dann unter dem Menü "Drucken" den Punkt "Brief. Erst fragt das Programm nach der Anzahl der Exemplare, dann können Sie wählen, ob der Brief sofort oder erst später gedruckt werden soll. Wenn Sie den Brief erst später drucken lassen wollen, müssen Sie ihn speichern; anschließend können Sie dann den nächsten Brief bearbeiten. Sind Sie mit allen Arbeiten fertig und wollen Ihre Briefe aus-drucken lassen, dann rufen Sie die Funktion "Sammel-Ausdruck" unter dem Menü "Drucken" auf. So kann man Briefe sehr schnell schreiben. ohne vom Drucker im Arbeitsfluß unterbrochen zu werden.
Eine kleine Schwachstelle ist sicherlich, daß man Briefe nicht in gewohnter Signum-Qualität — Signum ist eine Textverarbeitung vom gleichen Hersteller, die sich als Schönschrift-Spezialist einen Namen gemacht hat aus-drucken kann. Allerdings ließe sich das nicht ohne größeren Aufwand realisieren, und die Stärke von Daily Mail hegt ja gerade in seiner Einfachheit.
Daily Mail ist ein nahezu perfektes Programm mit vielen Extra-Nettigkeiten; so bietet es beispielsweise eine Seiten-Übersicht. die auf dem Bildschirm noch einmal anzeigt, wie der ausgedruckte Brief aussehen wird. Die Programmentwickler bei Application Systems Heidelberg haben mit Daily Mail einen Trend gesetzt: Er geht deutlich zu preiswerten Einzellösungen. die in ihrem kleinen Wirkungsbereich oft kompetenter sind als die teuren Alleskönner mit ihren unzähligen Funktionen, die niemand braucht. Die Spezialisierung, wie Daily Mail sie bietet, setzt Maßstäbe. Statt den Umgang mit dem Computer durch langwierige Schulungen zu erschweren. wie das bei umfangreichen Textverarbeitungen der Fall ist. geht die Arbeit mit Daily Mail vom ersten Tag an leicht von der Hand. Leider gibt es Daily Mail nur für den Atari ST, eine Umsetzung auf den MS-DOS-PC wäre angebracht.
kl
Auf einen Blick Programmname Daily Mail Programmart Toxtverarbeitung Preis in Mark rund 180 Hersteller/Importeur Application Systems Heidelberg Hardware-Anforderungen Atari ST mit Monochrom Monitor Kopierschutz nein Lieferumfang Diskette, Handbuch Handbuch Ausführung Umfong deutsch 1,20 Seiten Service/Unterstütxung Update-Service, Hotline Unterstützte Fromdformate ASCII Besonderheiten ß»oftoxt Editor, digitalisierte Unterschrift, Dateien Import, eigene Bildschirmfonti Wertungen
Handbuch befriedigend Bedienungsfreundlichkeit sehr gut Geschwindigkeit sehr gut Funktionsumfang sehr gut Serienbrieffunktion hervorragend Texteditor Sohr gut Druckerunterstützung gut
Gesamtwertung sehr gut