Ein Fest für Adventure-Fans: drei neue Spiele des legendären Softwarehauses Infocom sind da: »Ballyhoo«, ein Software-Krimi im Zirkus-Milieu, »A Mind Forever Voyaging«, eine düstere Science-fiction-Geschichte und die brandneue Fantasy-Story »Trinity«.
Der Zirkus ist in der Stadt! Glitter und Glitzerlicht, Show und Sensation. Exotische Tiere und die tollkühnen Kunststücke der Artisten füllen das Rund der Arena mit aufgeregten, faszinierten Menschen. Dieses Ereignis haben Sie sich natürlich nicht entgehen lassen.
Nach der Vorstellung verlassen Sie das Gelände nicht sofort. Schließlich möchte man sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen, mal etwas hinter den Kulissen zu stöbern. In einer düsteren Ecke werden Sie Zeuge eines Gesprächs. Die Tochter des Zirkus-Direktors wurde von einem Kidnapper entführt und wird irgendwo auf dem Gelände gefangengehalten. Da bei Ihnen das Herz auf dem rechten Fleck pocht, können Sie sich angesichts eines derart schändlichen Verbrechens natürlich nicht einfach aus dem Staub machen. Vielmehr beschließen Sie, auf eigene Faust nach der Entführten zu suchen.
Die Zirkusleute sind allerdings nicht sehr kooperativ; schließlich sind Sie ein Außenseiter. Außerdem wird es dunkel und der Erpresser treibt sich herum. Er schätzt Ihre Schnüffelei gar nicht und überlegt sich, ob er Sie nicht beseitigen soll.
»Ballyhoo« ist eines der neuen Abenteuerspiele von Infocom, dem legendären amerikanischen Softwarehaus. Von Infocom-Adventures pflegen Insider schon seit Jahren zu schwärmen. Die Programme bieten keinerlei Grafik - nur nackter Text erscheint auf dem Monitor. Die Texte sind dafür vom Allerfeinsten.
Die Infocom-Programmierer sind auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz sehr bewandert und haben einen Parser geschaffen, der seit Jahren als Adventure-Standard gilt.
Besonderer Wert wurde bei seiner Entwicklung auf die Interaktivität gelegt; die Fähigkeit, mit anderen Spielfiguren zu kommunizieren. Im Adventure können Sie mit anderen Personen reden, sie befragen, ihnen Gegenstände geben und so weiter. Aus diesem Grund nennt Infocom seine Spiele gerne »Interactive Fiction«. Jedes Programm ist quasi ein Software-Buch, in dem Sie eine Hauptrolle spielen. Durch Ihre Entscheidungen beeinflussen Sie die Handlung natürlich wesentlich.
Infocom-Adventures haben eine für Computerspiel-Verhältnisse relativ reife Anhängerschaft. In den USA gelten sie aufgrund ihrer Komplexität und des hohen Niveaus als typische Erwachsenen-Spiele: Beste Computer-Unterhaltung mit geradezu literarischen Ansprüchen. In Deutschland sind Infocom-Spiele kaum über den Status eines heißen Insider-Tips herausgekommen. Der Hauptgrund dürfte die Sprachbarriere sein. Die anspruchsvollen Texte erscheinen in schönstem Englisch auf den Bildschirm. Alle Versuche, dem Parser auch die deutsche Sprache schmackhaft zu machen, schlugen wegen der komplizierten Grammatik fehl. Außerdem waren die Programme ein teures Vergnügen. Da Infocom keinen festen deutschen Vertriebspartner hatte, mußte man pro Spiel zwischen 120 und 170 Mark ausgeben.
Die Zeit derart kräftiger Preise ist gottlob vorbei. Wie gemeldet, hat Activision Infocom in einer Blitz-Aktion gekauft. Die Infocom-Adventures sind jetzt über Activision Deutschland bei uns erhältlich. Bei den neuen Preisen kann man ein paar Scheinchen sparen: Alle Programme für die 8-Bit-Heimcomputer sollen je 89 Mark kosten. Die Versionen für Atari ST, Amiga und Macintosh sollen bei 99 DM liegen. Warum es nicht noch billiger geht, erklärt Winrich Derlien von Activision Deutschland: »Derart anspruchsvolle Spiele sind nun einmal etwas teurer, denn die Entwicklungszeit ist bei Infocom-Adventures sehr lang. Ein durchschnittliches Programm ist etwa 1/2 Jahre in Arbeit. Außerdem kostet die aufwendige Aufmachung mit den ganzen Packungsbeilagen ein Heidengeld.«
Bleiben wir gleich bei der besagten Aufmachung. Sie ist neben dem Parser das zweite typische Infocom-Kennzeichen. Die Anleitung zum Spiel besteht immer aus zwei Teilen. Neben der sachlichen Beschreibung. in der das Spielprinzip genau erklärt wird, gibt es noch einige höchst unterhaltsame Extraseiten. Bei »Ballyhoo« handelt es sich dabei um das offizielle Programmheft des Zirkus, um den sich die gesamte Handlung dreht. Hier finden Sie Informationen über die Zirkus-Geschichte, aber auch haarsträubende Details über großartige Artisten. Dieses Zirkuslatein ist nicht nur sehr unterhaltsam, sondern auch nützlich. In der Anleitung wimmelt es nur so von kleinen Hinweisen, die Sie im Spiel gut gebrauchen können.
In der Packung findet man noch drei Beigaben: eine Eintrittskarte, eine Anzeige über den Wundertrunk eines Dr. Nostrum und einen lila Luftballon mit dem Zirkus-Logo. Diese Gegenstände sind nicht nur nett und putzig, sondern unter Umständen auch recht hilfreich, da sie versteckte Hinweise enthalten können.
»Ballyhoo« ist das Erstlingswerk von Jeff O'Neill, der 1984 als »Gametester« bei Infocom landete. Seine Aufgabe war es, die fertigen Programme anderer Autoren durchzuspielen und auf Fehler zu untersuchen. In solchen Testphasen läßt man oft zwei Dutzend Personen vier Monate lang spielen, damit auch der letzte Bug ausgemerzt wird. Jeffs Programm-Einstand ist ein solides Adventure auf dem wie üblich hohen Infocom-Level. Spielerisch gibt es keine Neuerungen oder Besonderheiten.
Obwohl es zu den Kriminal-Abenteuern zählt, ist »Ballyhoo« kein typisches Detektivspiel wie seine drei Vorgänger »Deadline«, »Suspect« und »The Witness«. Kriminell geht es zwar auch zu, doch die Trenchcoat und Trommelrevolver-Atmosphäre tritt zugunsten der Zirkus-Romantik etwas in den Hintergrund.
»Ballyhoo« ist nicht zu schwer (Infocom selbst bezeichnet es als Standard-Adventure) und deswegen auch Einsteigern zu empfehlen, die noch kein Programm dieses Softwarehauses gespielt haben. Gute Englischkenntnisse sollten Sie auf jeden Fall haben, wenn Sie sich mit einem Infocom-Abenteuerspiel beschäftigen wollen. »Ballyhoo« ist auf Diskette für eine ganze Reihe von Computern erhältlich: C 64, Atari XL/XE/ST, Schneider CPC, Apple II, Macintosh und demnächst auch für Amiga, IBM-PC und Kompatible.
Seit kurzem gibt es eine Steigerung des Infocom-Spielvergnügens. »Infocom Plus« nennt sich eine neue Adventure-Serie, die es nur für Computer mit mindestens 128 KByte Arbeitsspeicher gibt. Dadurch sind komplexere Handlungen und ein noch größerer Wortschatz möglich.
Der erste Titel der »Infocom Plus«-Reihe bietet höchsten Spielgenuß für Science-fiction Freunde. »A Mind Forever Voyaging« erzählt die Geschichte einer düsteren Zukunft. Im Jahre 2031 steht die Menschheit vor dem völligen Chaos. In Südamerika tobt ein bakteriologischer Krieg und die Staaten der dritten Welt drohen angesichts der Überbevölkerung völlig unterzugehen. Das Raketen-Wettrüsten zwischen West und Ost hat ein Ende gefunden. Handliche kleine Atombömbchen sind der jüngste Schrei, die von Terroristen in dicht besiedelte Städte geschmuggelt werden.
Abraham Perelman ist ein genialer Wissenschaftler, der im Bereich der Künstlichen Intelligenz bahnbrechende Leistungen erzielt hat. Seit 20 Jahren arbeitet er an einem faszinierenden Projekt. In einem Computer hat er einen künstlichen Geist herangezüchtet, dem er in den letzten Jahren ein echtes menschliches Leben per Simulation vorgegaukelt hat. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, um diesem Wesen namens Prism seine wahre Bedeutung zu erklären. Die Computer-Intelligenz, die wie ein Mensch denkt und handelt, wird in eine simulierte Welt eingeschleust; die Simulation, wie die Welt in einigen Jahren aussehen könnte.
Bevor Sie in die simulierte Zukunft entlassen werden, beschreibt Dr. Perelman Ihre Aufgabe. Sie müssen bestimmte Erfahrungen in der fiktiven Zukunft sammeln, durch ein Aufzeichnungsgerät (beziehungsweise das Adventure-Kommando »Record«) festhalten und von der Simulation in das Laboratorium zurückkehren.
Zu Beginn des Spiels befinden Sie sich nicht gleich in der Zukunftssimulation. Die müssen Sie erst durch den Befehl »Go to simulation mode« betreten. Vorher haben Sie die Chance, einen Nachrichtensender anzuzapfen und über den Laborcomputer mit Dr. Perelman zu kommunizieren.
Insgesamt gibt es vier Modi: Im Communications-Modus können Sie per Computernetz verschiedene Räume besuchen. Der Library-Modus erlaubt den Zugriff auf bestimmte Datenfiles und ist eine wichtige Informationsquelle. Im Interface-Modus können Sie einige Parameter der Simulation beeinflussen, die dann im Simulation-Modus schließlich abläuft.
»A Mind Forever Voyaging« ist in vielerlei Hinsicht ein ausgefallenes Programm. Es ist kein spezielles Ziel vorgegeben und es gibt auch nicht so viele Puzzles und Rätsel wie in anderen Adventures. Sie müssen sich in der fiktiven Welt zurechtfinden und Erfahrungen sammeln, in die Wirklichkeit zurückkehren und dann neue Instruktionen befolgen. Es gibt eine ganze Reihe von Wegen, um das Adventure zu beenden und sogar eine Ideallösung.
Ein wenig kompliziert hört sich die Geschichte schon an, aber nach intensivem Studium der Anleitung, die eine hervorragende Kurzgeschichte enthält, versteht man die Zusammenhänge. Für Science-fiction-Fans gibt es wohl kein Adventure, in dem man eine düstere Zukunftsvision so gut miterleben kann. Der Schwierigkeitsgrad von »A Mind Forever Voyaging« wird von Infocom als »Advanced« (Fortgeschritten) bezeichnet. Wer sich an das Spiel heranwagt, sollte schon Erfahrungen mit Infocom-Adventures gesammelt haben.
Der Autor der Geschichte um eine unwirkliche Zukunft ist Steven Meretzky. Steven ist ein alter Infocom-Hase und programmierte bereits »Planetfall« und »Scorcerer«. Zusammen mit dem Schriftsteller Douglas Adams schrieb er außerdem »The Hitchhiker's Guide to the Galaxy« zum gleichnamigen Buch.
In der Packung findet man einen Kugelschreiber mit dem Werbeaufdruck des futuristischen Versicherungbüros »Quad Mutual Insurance«, einen Stadtplan von Rockvil inklusive Werbung und einen Decoder, mit dem man die raubkopiererfeindliche Sicherheitsabfrage zu Beginn des Simulation-Modus beantworten kann.
»A Mind Forever Voyaging« ist für Atari ST, Apple II und Macintosh (512 KByte) erhältlich. Versionen für den C 128 mit RGB-Monitor, Amiga, IBM-PC und Kompatible folgen demnächst.
Das neueste Infocom-Adventure ist ebenfalls ein Titel der »Plus«-Reihe und lag zu Redaktionsschluß erst in einer Vorab-Version vor, Das Programm tragt den Namen »Trinity« und soll in den nächsten Wochen für die gleichen Computer wie »A Mind Forever Voyaging« erscheinen.
Hier sind Sie einmal kein Detektiv oder Künstliche Intelligenz, sondern ein ganz normaler Tourist, der durch London schlendert. Sie erfreuen sich gerade an Ihrem letzten Urlaubstag, als die Katastrophe beginnt. Die Sirenen heulen; Menschen rennen in Panik in die Häuser. Der 3. Weltkrieg hat begonnen und London ist das Ziel eines Raketen-Geschwaders.
Als Sie sich schon mit dem Weltuntergang abgefunden haben, erscheint plötzlich eine geheimnisvolle weiße Tür. Sie öffnen diese Tür und betreten eine andere Welt, voller Geheimnisse und Magie. Sie reisen durch Zeit und Raum und müssen sich mit den höchst eigenwilligen Gesetzen dieser neuen Dimension zurechtfinden Der Höhepunkt der turbulenten Ereignisse ist eine Reise in die Wüste von New Mexico vom 16 Juli 1945. Sie kommen zehn Minuten vor der ersten Atomexplosion der Welt an, die den Codenamen »Trinity« trägt.
Im Gegensatz zu »A Mind Forever Voyaging« ist »Trinity« ein Adventure konventioneller Prägung. Es gibt eine Reihe von Rätseln und Problemen sowie ein bestimmtes Spielziel: Gelingt es Ihnen, durch Ihre Zeitreisen die Katastrophe des 3. Weltkriegs zu verhindern?
Der Autor des Programms ist Brian Moriarty, der vor einem Jahr mit »Wishbringer« seinen Infocom-Einstand gab. Wer mehr von Brian Moriarty und der Zukunft von Infocom wissen will, der blättere ein paar Seiten weiter. In unserer Rubrik Soft Story gibt es in diesem Monat ein Exklusiv-Interview mit dem Erfolgsprogrammierer.