Hier handelt es sich um eines der spielstärksten Schachprogramme für den ST. All seine Funktionen sind auch über Tastenkombinationen zu erreichen. Unverständlich ist allerdings, warum diese in den Pull-down-Menüs nicht vermerkt sind, wie es sonst üblich ist. Besonders positiv fällt die große und beliebig erweiterbare Zugbibliothek auf. Mit ihrer Hilfe soll der Anspruch des Programms, aus gespielten Partien zu lernen, realisiert werden. Besonders ausgeklügelte Züge speichert "Colossus X" nämlich und ruft sie, falls nötig, wieder ab. Die Bibliothek kann vom Benutzer auch editiert und mit Vermerken versehen werden.
Selbstverständlich beherrscht das Programm alle Regeln, auch die Bauernumwandlung in andere Figuren als die Dame, die 50-Zug-Regel und Remis durch Zugwiederholung sowie das direkte Editieren der Stellung. Auch können zwei Spieler gegeneinander antreten, wobei der Computer die Rolle des Schiedsrichters übernimmt. Die etwa 40seitige Anleitung liegt in Deutsch vor und ist flüssig lesbar. Ein gut strukturiertes Inhaltsverzeichnis ermöglicht das schnelle Auffinden wichtiger Befehle. Im Programm selbst kann man zwischen fünf verschiedenen Sprachen wählen, darunter auch Deutsch. Letzteres ist zwar nicht ganz fehlerfrei, aber durchaus gut verständlich.
Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Auf einen Nachteil von "Colossus X" stößt man schon beim flüchtigen Blick auf das Cover. Dort steht nämlich "Colour Monitor Required". Wozu ein Schachprogramm einen Farbmonitor benötigt, will mir allerdings nicht ganz einleuchten. Darüber hinaus darf sich der Anwender entscheiden, ob das Programm ihn nur anpiepsen, ansprechen (mit furchtbarem Akzent) oder permanent andudeln soll. Hier besteht tatsächlich die Möglichkeit, zwischen Musikstücken von Chopin, Debussy, Beethoven und Gounod zu wählen. Eigentlich sollte "Colossus X" doch ein Schachprogramm darstellen und keine Musicbox. Hinzu kommt, daß der Klang miserabel ist.
Ferner läßt sich zwischen vier Arten wählen, wie die Spielfiguren auf den Schirm gebracht werden, nämlich normal, mittelalterlich, futuristisch oder orientalisch. Im letzten Fall erscheinen chinesische Figuren. Inwieweit man China zum Orient rechnet, sei dem Einzelnen überlassen.
Der größte Nachteil ist allerdings, daß das Programm nicht einwandfrei funktioniert. Klickt man schnell hintereinander zwei Optionen an und spielt dabei ein wenig auf der Tastatur, kann das (zumindest bei meinem alten ROM-TOS von 1986) dazu führen, daß der Bildschirm verrückt spielt und zeitweise unleserlich wird.
Das Speichern und Lesen von Zügen hat durchaus seine Vorzüge. Allerdings ist das Tempo, das die Floppy dabei an den Tag legt, nicht gerade berauschend. Man sollte das Programm, sofern genug Speicher vorhanden ist, auf die RAM-Disk legen. Das ist ohne Probleme möglich, da die Disketten glücklicherweise keinen Kopierschutz besitzen; lediglich eine Paßwortabfrage ist eingebaut. Wer über eine doppelseitige Floppy verfügt, sollte den Inhalt der beiden gelieferten Disketten auf eine einzige kopieren. So erspart man sich einen gelegentlichen Diskettenwechsel.
Die Ladezeit der Züge wird beim Spielen nicht von der Bedenkzeit des Rechners abgezogen, sondern die Stoppuhr wird einfach angehalten. So kann es dann z.B. beim Blitzschach vorkommen, daß der Computer die ersten fünf Züge tätigt, ohne dafür auch nur eine einzige Sekunde seiner Spielzeit zu verbrauchen. Das ist dem Spieler gegenüber ziemlich unfair.
Was die Spieltechnik betrifft, ist "Colossus X" äußerst stark. Allerdings weist es unerklärliche Mängel auf, so daß man es nur bedingt empfehlen kann.
Colossus Chess X (ST)
Hersteller: CDS
Info: Leisuresoft