"The Copyist" macht einem altehrwürdigen Beruf ernsthaft Konkurrenz, wie an den Ausdrucken zu sehen ist.
"The Copyist" heißt ein Notendruckprogramm von der Firma Dr. T, das eine Ergänzung zum Software-Sequenzer KCS der gleichen Firma darstellt. Kommunikation zwischen diesen beiden Produkten ist möglich, d.h., ein Song, der in den Sequenzer eingespielt wurde, läßt sich vom Notendruckprogramm einlesen, editieren und ausdrucken.
Wozu braucht man überhaupt ein Notendruckprogramm? Gehen wir von einem Hobbymusiker aus, der eine Eigenkomposition geschrieben hat und diese nun einspielen möchte. Beim Überprüfen einzelner Akkordverbindungen kommen ihm starke Zweifel an seiner Genialität. Um diese zu wahren, beginnen die Veränderungen, die sich etwas hinziehen. Konsequenterweise wird alles noch einmal abgeschrieben, da die vielen Verbesserungen nicht nur zu neuer Genialität, sondern auch zu einem fortgeschrittenen Chaos geführt haben. Dies zieht nun selbstverständlich auch eine neue Einspielung nach sich. Im Klartext bedeutet das doppelte Arbeit für den geplagten Musiker. Um diesen Streß zu vermeiden, greift er daher zu einem Programm wie "The Copyist".
Betrachten wir dieses nun genauer. Das Programm nutzt leider nicht die Benutzeroberfläche GEM. Doch Eingewöhnung ist alles, und ein passables Ergebnis läßt sich durch geschickte Tastenbedienung schnell erreichen. Der Weg zum Erfolg muß durch ein umfangreiches Menüsystem hindurch gebahnt werden. Das wohl interessanteste Untermenü von allen ist EDIT.
Es dient zum Erstellen und Verändern von Noten. Befindet man sich in eben diesem Modus, kommt die EDIT-Page zum Vorschein, auf der die Noten in einem jeweiligen Ausschnitt zu sehen sind. Hier wird der erste Nachteil deutlich. Es ist nicht möglich, das gesamte Notenbild Seite für Seite darzustellen.
Abbilden läßt sich fast alles, was das Musikerherz begehrt, angefangen bei den Notenlinien, die an die jeweilige Stelle des Cursors gesetzt werden können. Zu den Linien gehören selbstverständlich Notenschlüssel. Vorhanden sind Baß-, G- und ein Altschlüssel, die man ebenfalls wieder an jede beliebige Stelle im Notenbild plazieren kann. Das ist leider auch einer der größten Fehler, die das Programm aufweist: Wer will schon einen G-Schlüssel auf der H-Linie haben? Baß- und G-Schlüssel sind eben durch ihren Ort festgelegt; daran läßt sich nichts ändern. Das Programm vermittelt nun den Eindruck, als ob es gleichgültig wäre, wo die Schlüssel angeordnet werden. Wie so oft, sind solch gravierende Mängel nicht so schlimm, wenn sie nur bekannt sind.
Ein ansehnliches Notenbild. Die Länge der Notenhälse wird ausgeglichen.
Hinsichtlich der Möglichkeiten, das Notenbild zu verändern oder neu zu entwerfen, läßt "The Copyist" nahezu keine Wünsche offen. Im folgenden möchte ich die Editierarten aufzählen, die dem Benutzer zur Verfügung stehen.
Alle gewünschten Symbole stehen zur Verfügung. Auch die Punktierung der Noten bereitet keine Probleme.
Um das Notenbild auszudrucken, existiert im Menü die Option PRINT. Nach ihrer Anwahl folgt die Frage, welcher Drucker angeschlossen ist oder ob man gar einen Plotter verwendet. Alles ist möglich.
Der Druckvorgang und sein Ergebnis sind bemerkenswert. Wie sehr gut zu sehen ist, handelt es sich um ein wirklich druckreifes Resultat. Doch warum muß jede Leerzeile, wie die zu druckenden Zeilen, dreimal durchlaufen werden? Eine Abfrage würde hier eine immense Zeitersparnis bringen. Dazu kommt noch die Tatsache, daß es nur eine Druckart gibt. Bei Kompositionen, die mehr als eine Seite umfassen (also 99% von allen), ist es ziemlich nervend, einige Stunden auf das Ergebnis warten zu müssen, um dann aufgrund weniger kleiner Fehler, die auf dem Bildschirm übersehen wurden, alles zu wiederholen.
** "The Copyist" bietet ein druckreifes Notenbild mit allen Schikanen**
Im PRINT-Untermenü existiert noch die Funktion, eigene Zeichen zu entwerfen. Allzu berauschend ist der Editor nicht, aber er erfüllt seine Aufgabe. Allein die Tatsache, daß es ihn überhaupt gibt, ist schon viel wert.
Zurück zum Hauptmenü. Als weitere Untermenüs sind SAUE, RESUME (nachträgliches Anschauen einer Datei), COMMAND, INTERFACE, PARTS und QUIT vorhanden. Mit PARTS lassen sich Teile eines Musikstückes erzeugen und speichern. QUIT erklärt sich von selbst. Eine der interessantesten Funktionen verbirgt sich hinter dem so unscheinbaren Wort INTERFACE. Files, die mit "The Copyist" erstellt wurden, lassen sich in Sequenzer-Files umwandeln. Ihr Format ist das des eingangs genannten KCS. Der umgekehrte Weg ist ebenso möglich. Eine Quantifizierung sollte möglichst vorher vorgenommen werden, denn sonst bleibt die praktische Anwendung leider etwas zurück. (Wer kann schon eine 1/13tel Note spielen?)
Das Programm benötigt einen immensen Zwischenspeicher, der sich natürlich nicht im RAM befinden kann (davon gibt es ja so wenig!), sondern auf die Diskette verlegt werden muß. Daher kann es leicht vorkommen, daß der verfügbare Platz auf der Datendiskette nicht ausreicht. Hier noch eine Aufstellung der positiven und negativen Eigenschaften des Programms:
Der Verlauf der Balken ist frei wählbar. Selbst Richtungen entgegen dem Notenverlauf, wie sie rechts zu sehen sind, läßt das Programm zu.
Positiv
Negativ
Das Handbuch kann nur noch als kaum geordnetes Chaos bezeichnet werden. Die Seitenzahlen stimmen nicht, vieles wird zwei- bis dreimal beschrieben und danach noch in einer Übersicht zusammengefaßt. Andere Dinge sind dagegen in kürzester Form abgehandelt.
Daran müßte - ebenso wie an den weiteren negativen Punkten - also noch gearbeitet werden. Die Tatsache, daß solch ein Programm überhaupt existiert, ist schon einiges wert. Da läßt sich auch über manchen Fehler hinwegsehen. Abschließend sei gesagt, daß es sich bei "The Copyist" um ein gutes Programm mit einigen Mängeln handelt. Der Preis von 490,- DM ist zwar nicht gerade niedrig, doch für Programme dieser Art durchaus üblich.
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