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Laborant ProfessionalVon Wolfgang Krebber Die Naturwissenschaften waren jahrelang ein Schwerpunkt im Bereich der Software für Atari-Computer. Dementsprechend umfangreich war die Auswahl an speziellen Programmen, z.B. zur Erfassung und Verarbeitung von Meßdaten oder zur Darstellung chemischer Formeln. Leider hielten sich die wenigsten an saubere GEM-Standards und strecken vor den modernen multitaskenden Betriebssystemen die Waffen. Da die Weiterentwicklung der meisten Anwendungen in diesem Bereich mittlerweile eingeschlafen ist, sucht der Ataribesitzende Naturwissenschaftler heute oft vergeblich nach entsprechender Software. Aber da gibt es ja noch Laborant professional, zwar auch nicht mehr ganz taufrisch (die mir vorliegende Version 1.02 stammt von 1994) aber dafür in GEM eingebunden und lauffähig unter MagiC. Das Programm Das Paket besteht aus diversen Beispieldateien für die einzelnen Funktionen, einer sehr umfangreichen Anleitung im ASCII- und TeX-Format, sowie dem mit PFX komprimierten Programm selbst. Laborant ist auflösungsunabhängig programmiert und läuft anstandslos unter MagiC 5. Nach dem Start präsentiert sich das Programm mit Menuleiste und einem (funktionslosen) Fenster, das man zwar nicht schließen, aber doch auf minimale Größe verkleinern kann, wenn es stören sollte. Der erste Eindruck: Laborant bietet eine gewaltige Anzahl unterschiedlichster Funktionen aus allen möglichen Bereichen der Chemie. Diese reichen von analytischen Berechnungen, über Meßwertbearbeitung bis hin zur Biochemie und zur Thermodynamik. Integriert sind auch diverse Datenblätter z.B. über physikalische Eigenschaften von Lösungsmitteln, sowie ein komplettes PSE. Nicht zu vergessen die Formel- und Gleichungsverwaltung und die Ausgabemöglichkeit als TeX-Dateien. Den Funktionsumfang komplett zu beschreiben, würde den Rahmen der ATOS auf jeden Fall sprengen. Der Autor Jens Schulz versteht Laborant selbst als ein "Universalprogramm". Es wird wohl niemanden geben, für den wirklich alle Möglichkeiten von Laborant von Nutzen sind, aber vielleicht ist ja für den einen oder anderen ein Leckerbissen dabei. Die wichtigsten Funktionen im Überblick: Übersicht:
Formeln und GleichungenLaborant besitzt eine umfangreiche Formel- und Gleichungsverwaltung. Die Formeleingabe ist recht einfach zu bewerkstelligen. Indizes schreibt man als normale Ziffern hinter die Elemente,z.B. Na2CO3. Ungeschachtelte Klammern und Kristallwasseraddukte sind auch erlaubt. Um die Eingaben noch zu vereinfachen, besitzt Laborant auch die Möglichkeit, Formeln, Gleichungen und Teile daraus als Makros zu speichern. Komplette Gleichungen können auch über die integrierte Gleichungsverwaltung geladen und gespeichert werden. Als Zugabe kann Laborant alle Formeln und Gleichungen noch als TeX-Dateien abspeichern. Die TeX-niker unter den Naturwissenschaftlern wird es freuen. Diverse Be- und UmrechnungenHier bietet Laborant eine Fülle verschiedenster Anwendungsmöglichkeiten. Beispielsweise kann man sich aus zuvor eingegebenen Formen und Gleichungen bei vorgegebener Gesamtmenge Mengen-, Mol- und Prozentanteile der einzelnen Elemente berechnen lassen. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, Mengen in Mol und umgekehrt umzurechnen oder Gasvolumina zu bestimmen. Hilfestellung bietet Laborant auch bei der Herstellung von Lösungen. Molarität und Molalität, Mischungskreuz oder Maßlösungen sind nur einige der bereitgestellten Funktionen. Hauptproblem: Für viele Berechnungen muß man die Dichte der Lösung kennen, z.B. wenn ich wissen möchte, wieviel NaOH ich zur Herstellung von 500ml 20%iger Natronlauge benötige. Ein weiteres Kapitel sind pH-Wert-Berechnungen und für die Biochemiker Molmassen und Elementaranteile von Polypeptiden und DNA/RNA-Nukleotid- sequenzen. Auch die biochemischen Formeln kann man speichern und wieder laden. Die Eingabe der Peptidketten und Nukleotide ist recht komfortabel. Man verwendet einfach Abkürzungen für die einzelnen Moleküle, wie Cys, Leu, AMP, usw. AnalyseverfahrenAuch aus dem Bereich der Analytik bietet Laborant etwas. Titrationen zum Beispiel, oder Verfahren zur Molmassenbestimmung über Gefrierpunktserniedrigung. Die physikalische Chemie kommt auch nicht zu kurz: Berechnungen aus der Photometrie, der Elektrochemie und der Kinetik gibt es ebenso wie eine Funktion zur Berechnung von Matrizen. MeßwertbearbeitungIn einem universellen Programm darf natürlich auch die Meßwertverarbeitung nicht fehlen. Diese ist allerdings recht einfach gehalten. Der entsprechende Dialog erlaubt die Eingabe von Meßwertpaaren x und y. Diese können vertauscht, korrigiert, sortiert und natürlich gespeichert und ausgedruckt werden. Bei der Verarbeitung liegt der Schwerpunkt auf statistischen Berechnungen und Auswerteverfahren. Eine Umformung von Meßdaten mittels frei definierbarer Formeln fehlt. Laborant verzichtet auch auf eine graphische Ausgabemöglichkeit. Dafür kann man seine Meßreihen in insgesamt zwölf (!) Formaten abspeichern, darunter DIV, CSV, und TeX-Tabellen. TabellenwerkeUnd noch ein Kapitel für sich. Laborant beinhaltet verschiedene Übersichtstabellen:
Diese Tabellen halten allerdings nur die wichtigsten Daten bereit und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Leider gibt es hier keine Möglichkeit zur Erweiterung. Gelungen finde ich die Implementierung des Periodensystems. Per Dialog kann man Daten einzelner Elemente, von Ionen oder einzelnen Gruppen abrufen. Daneben gibt es eine Komplettübersicht des PSE, aus dem man per Mausklick direkt einzelne Elemente abfragen kann. SonstigesDas sind allerdings noch nicht alle Funktionen, die Laborant bietet. Ein ganzer Menupunkt befaßt sich mit dem Kapitel Thermochemie. Hier kann man ganze Datenbanken laden und speichern sowie eine ganze Reihe Berechnungen vornehmen. Dies ist beispielsweise interessant zur Berechnung von Enthalpien oder Gleichgewichtskonstanten. Laborant verwendet hier die zuvor bereits angesprochenen Reaktionsgleichungen aus dem "Formelmanager". Zu guter letzt besitzt Laborant auch noch einen Formelexerciser und -identifier. Letzterer versagt jedoch meist bei der Eingabe komplexerer Formeln. Der Exerciser ist dagegen für Schüler und Studenten in den ersten Semestern durchaus eine spielerische Möglichkeit, die korrekten Formeln gängiger chemischer Verbindungen zu erlernen. Die BedienungDie Arbeit mit Laborant läuft in der Hauptsache über herkömmliche modale Dialogboxen, die leider auch nicht verschiebbar sind. Für die Arbeit mit Großbildschirmen empfiehlt sich daher das gute alte Let 'em fly. Viele Funktionen sind nur über Sub- oder gar Subsubdialoge zu erreichen, so daß man sich bei mehrfacher Anwendung einer solchen Funktion erst immer wieder neu 'durchklicken' muß. Die Menus sind durchgängig tastaturbedienbar, die verwendeten Shortcuts sind für den mittlerweile gemstandardisierten User allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. So kommt man mit ^O in den Dialog für Diskettenoperationen oder mit ^V zur Gleichungsverwaltung. Einmal erstellte Gleichungen oder berechnete Werte kann man häufig direkt aus dem Dialog als Textdatei abspeichern, ebenso die einzelnen Tabellenwerke. Fazit zu LaborantLaborant besteht aus so vielen Funktionen, daß ich nicht mal die Hälfte je wirklich nutzen könnte. Aber das ist ja auch nicht Sinn der Sache, es soll ja für möglichst viele Aufgaben eine Hilfestellung geboten werden. Ich habe Laborant im Rahmen meiner Diplomarbeit (anorganische Chemie) eingesetzt. Einige Berechnungen, z.B. die zum Ansetzen von Lösungen kann ich gut gebrauchen. Andere wie die Mengenberechnung wiederum sind schneller mit dem Taschenrechner erstellt. Viele Funktionen sind vom Ansatz her gut, müßten fürs wissenschaftliche Arbeiten aber noch Erweitungen erfahren. Die Formelerkennung wäre so ein Kandidat, denn mit metallorganischen Verbindungen beispielsweise hat Laborant so seine Probleme. Komplexverbindungen fehlen ebenfalls noch. Auch die Meßwertverarbeitung wäre noch ausbaufähig. Gut gefällt mir, daß man aus fast allen Dialogen heraus die Eingaben und Ergebnisse mindestens als Textdateien abspeichern kann. Laborant bietet zwar keine direkte Onlinehilfe, dafür aber Hilfedialoge zu verschiedenen Punkten. Das über 100 Seiten starke Handbuch läßt kaum Fragen offen, die einzelnen Optionen sind ausführlich beschrieben und meist mit praktischen Beispielen versehen. Ein Ausdruck lohnt! Das größte Manko ist wohl, daß mein Atari bei mir zu Hause steht und nicht im Labor, denn die meisten Berechnungen nimmt man ja unmittelbar während der Arbeit vor und dafür ist Laborant ja auch eigentlich gedacht. Der Autor von LaborantIm Rahmen dieses Artikels führte ich auch ein Telefongespräch mit Jens Schulz, dem Autor von Laborant Professional. Er teilte mir mit, daß es mittlerweise eine neuere Version 1.4 des Programms gibt (in der Hauptsache Bugfixes). Diese kann man direkt bei Jens gegen Einsendung einer Leerdiskette plus adressierten und frankierten Rückumschlag bekommen. Jens ist auch an Bugreports interessiert. Wer Fehler findet, sollte ihm diese mitteilen. Seine Adresse: Jens Schulz
Es existiert mittlerweile auch eine PC-Version von Laborant, auch über Jens zu bekommen. Eine umfassende Weiterentwicklung der Atariversion ist nach Aussage von Jens im Moment nicht vorgesehen. Aber vielleicht ändert sich das ja, wenn sich genügend Interessenten bei ihm melden? Seinen TT hat er jedenfalls noch und arbeitet auch gerne damit. Na, wenn das kein Grund ist... Wolfgang Krebber |
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Rainer Wiesenfeller Letzte Änderung am 1. August 1997 |