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Atari TT, die dritte - Mit 32 MHz an den Start

Nachdem wir nun bereits in der ST-Computer 12/89 und 5/90 näher auf das neue Flaggschiff Ataris eingegangen sind, wollen wir hier endlich die Version begutachten, die jetzt seit Ende August auch käuflich zu erwerben ist. Natürlich wollen wir dabei nicht alles noch einmal wiederholen, sondern werden uns nur den Neuigkeiten und Änderungen gegenüber dem bisherigen TT widmen.

Auf den ersten Blick zeigt sich der TT rein äußerlich betrachtet - in der benannten Form, als Designer-"Butterdose". Doch bereits nach dem Einschalten des Geräts gibt es zwei wichtige Neuigkeiten zu bemerken, die man sich auch für den normalen ST wünschen würde: es gibt einen neuen Desktop und ein neues Kontrollfeld, beide - wie immer - ein wenig vom Apple Macintosh abgeguckt. Warum auch nicht" Man braucht ja bewährte Dinge nicht zweimal zu erfinden.

Der TT-Desktop

Als erstes begegnen einem auf dem neuen Desktop die veränderten Pull- down-Menüs. Neben den vielfältigen Änderungen, über die wir gleich noch sprechen werden, hat ein wichtiges Feature für Maushasser Einzug erhalten, die Tastaturbefehle für Menüeinträge (oder auch zu computerdeutsch: Shortcuts). Gemeint ist, daß mittels frei definierbarer Tastaturkombinationen jeder Menüeintrag erreicht werden kann. Leider sind sie doch wieder nicht ganz frei definierbar, da nur Kombinationen mit der Control-Taste möglich sind, aber immerhin.


Die Hilfeboxen des TT-Desktop

Es stehen zusätzlich noch weitere Tastaturkürzel zur Verfügung, mit denen man z.B. Laufwerksfenster öffnen kann etc. Eine genaue Übersicht erhält durch Drücken der Help-Taste auf dem TT-Desktop.

Um die Tastenfunktionen des TT-Desktop abzurunden, hat sich Atari noch eine weitere Neuigkeit einfallen lassen, denn man kann jetzt bis zu 20 Programme direkt über die Funktionstasten (10 mit und 10 ohne Shift-Taste) starten. Dabei lassen sich einstellbare Parameter übergeben.


Tastaturkürzel und Funktionstastenbelegung sind im TT-Desktop nichts ungewöhnliches.

Wie bisher kann man auf dein Desktop zwischen zwei verschiedenen Objekten unterscheiden: den Fenster- und den Desktop-Objekten. Bei ersteren handelt es sich um Dateien und Ordner, also alles, was man in einem Fenster angezeigt be- kommt. Letztere sind alle Objekte, die man auf dem Desktop ablegen kann. Hier findet sich ebenfalls ein neues Feature, da man Ordner und Dateien nun auch aus einem Fenster auf den Desktop legen kann, so daß man z.B. häufig verwendete Programme nicht erst zu suchen braucht, sondern gleich sehen und starten kann. Dabei wird in der neuen Desktop-Info-Datei, die jetzt auf den schönen Namen NEWDESK.INF hört, der ganze Pfad des jeweiligen Programms abgespeichert. Weiterhin besteht die Möglichkeit, auch Anwendungen für solche Programme anzumelden und direkt zu starten.


Ordnern, Programmen und auch Desktop-Objekten lassen sich beliebige Icons zuordnen.

Es lassen sich jetzt auch verschiedene Desktop-Infos durch einfaches Nachladen verwenden. Für den Wechsel gibt es einen Menüpunkt im Desktop. Man spart also das lästige Umbenennen und den Reset.

Neu ist auch, daß man sowohl Fenster als auch Desktop-Objekten beliebige Icons zuordnen kann. Dabei kann man bereits vorhandene Icons verwenden oder auch selbst welche mit einem Icon-Editor entwerfen, da die Icons in einer ganz normalen Resource-Datei im Wurzelverzeichnis liegen. Einem neuen Mülleimer steht also nichts mehr im Weg. Man kann aber z.B. genauso gut ein Drucker-Icon auf den Desktop legen und eine auszudruckende Datei einfach daraufziehen, und schon bekommt man sein Dokument zu Papier (natürlich nur für ASCII-Text zu gebrauchen).

"Nur lesen"-Dateien werden jetzt auf dem Desktop mit einem kleinen vorangestellten Dreieck gekennzeichnet. Das Schloß des Macintosh finde ich aber passender - immerhin eine Verbesserung.

Gesucht, gefunden

Wenn wir uns die Menüleisten des TTDesktop weiter zu Gemüte führen, stoßen wir gleich auf den Menüpunkt suchen. Hierbei handelt es sich um ein von Festplattenbesitzern lang ersehntes Feature, denn es lassen sich Dateien auf einem oder mehreren Laufwerken suchen. Es werden alle Dateien gefunden, die dem eingegebenen Dateinamen entsprechen. Dabei muß das Suchkriterium nicht der volle Dateiname sein ("TT" findet z.B. also auch "TT-TEXT"). War die Suche erfolgreich, wird bzw. werden die Datei(en) in einem Laufwerksfenster investiert angezeigt. Ebenfalls läßt sich sowohl die Suche als auch die Ausgabe von Dateien in einem Fenster auf eine beliebige Extension begrenzen.

Nebenbei sei erwähnt, daß beim Auswählen von Dateien endlich auch die Dateinamen selektiert bleiben, die man beim Weiterscrollen eines Fensterbalken nicht mehr sieht. Bisher wurden sie beim Klicken auf den Scroll-Balken sofort deselektiert. Bei der Darstellung von Dateien in einem Fenster haben sich zwei Dinge verändert: Zum einen lassen sich die Dateien jetzt unsortiert anzeigen, d.h. so, wie sie im Inhaltsverzeichnis des betreffenden Laufwerks stehen. Zum anderen kann das Desktop veranlaßt werden, so viel Dateien wie möglich horizontal anzuzeigen. Es ist besonders bei Großbildschirmen lästig gewesen, daß Dateien nicht mehr zu sehen waren, da sie in mehreren Spalten nebeneinander angezeigt wurden. Man mußte immer mit den Scroll-Balken hantieren.

Das neue Kontrollfeld

Im Lieferumfang des Atari TT befindet sich auch ein neues, erweitertes Kontrollfeld. Mit seinem Vorgänger hat es natürlich einige Funktionen, aber sonst gar nichts mehr gemeinsam. Wichtigste Neuerung ist, daß das Kontrollfeld jetzt variabel gestaltet ist, d.h. man kann wie auf dem Macintosh auch eigene Kontrollfeldfunktionen programmieren und einfach einbinden. Diese stehen in einer Liste, in der man blättern und die benötigte Funktion mittels Doppelklick auswählen kann. Die Funktionen lassen sich übrigens aktiveren und deaktivieren, d.h. in die aktuelle Liste übernehmen oder auf die "Reservebank schieben". Um Ihnen einen Überblick zu geben, haben wir Ihnen eine Liste einiger Dialogboxen des Kontrollfelds bildlich aufgereiht.

Neben den allgemein bekannten Einstellungen bietet das Kontrollfeld u.a. erweiterte Soundmöglichkeiten wie Lautstärke, Höhe, Tiefe und Balance, die sich auf ein angeschlossenes StereoSystem beziehen. Ebenfalls werden ein Bildschirinschoner und ein Mausspeeder mitgeliefert, die im Autoordner liegen müssen und über das Kontrollfeld eingestellt werden.

Man mag's bunt

Auf dem TT-Desktop gibt es fast nichts, was man nicht mit mittels des neuen Kontrollfeldes mit irgendeiner Farbe versehen kann. Allerdings hat man bei Atari ein wenig übertrieben, da sogar alle Fensterteile einzeln mit verschiedenen Farben definiert werden können. Viel leicht was für PopArt! Es lassen sich 10 verschiedene Einstellungen über die Funktionstasten abrufen.

Über die sechs Darstellungsmodi des TT haben wir ja bereits ausführlich in den Berichten in der Dezember- und Mai-Ausgabe gesprochen. Damit die maximal 256 Farben aus einer Palette von 4096 auch mittels Kontrollfeld genutzt werden können, wurde neben den bekannten Schiebereglern (0- 1 5 Einstellungen) noch ein weiterer für die einzelnen Farbbänke (0-255) eingeführt. Praktisch ist auch der Grau/Farbe-Button, mit dem man leicht zwischen Farb- und Graudarstellung wechseln kann.

Apropos Darstellungsmodi des TT: Die hohe TT-Auflösung (1280x960 Pixel) ist normalerweise nicht anwählbar. Atari hat hier auf ein bewährtes Prinzip zurückgegriffen und fragt an der Monitorbuchse ab, ob ein Großbildschirm (ECL) angeschlossen ist. Leider hat Atari derzeit noch Lieferschwierigkeiten bei TT- Großbildschirmen. Wir haben aber keine Mühen gescheut und einen Eizo 6500- Graustufenbildschirm an den TT angeschlossen. Eine minimale Modifikation im Standardkabel des Monitors genügt bereits (s. Schaltbild übernächste Seite). Der Großbildschirrn läuft dann mit 77 Hz Bildfrequenz, der normale TT-Monitor übrigens nur mit 60 Hz. Für diejenigen, die nicht selbst zum Lötkolben greifen wollen, sind ein passendes Kabel und ggf. auch der Monitor ab sofort beim MAXON-Versand erhältlich.

Aus 16 mach 32

Der TT, der uns bisher auf diversen Messen begegnet ist und auch schon mal den Weg in unsere Redaktion gefunden hatte, lief mit einer Taktfrequenz von 16 MHz. Jetzt, in seiner vorerst endgültigen Form (zumindest wird er so bereits ausgeliefert), hat sich die Taktfrequenz auf 32 MHz verdoppelt. Diese Verdoppelung rief zumindest in bezug auf die bisherige Entwicklungsgeschwindigkeit des TT einiges Erstaunen hervor. Atari hat diesen Schritt sicherlich aufgrund der immer stärker werdenden Konkurrenz gemacht, da es ein 16 MHz-Rechner in dieser Preisklasse auf dem Markt nicht einfach haben dürfte.


Das Daughterboard mit dem 32 MHz-Prozessor

Nach dem Öffnen des TT-Gehäuses, Aufbiegen zahlloser Blechlaschen und Entfernen mehrerer Abschirmbleche stießen wir auf des Rätsels Lösung: ein 68030-32 MHz-Daughter Board. Die Techniker von Atari haben also lediglich eine Erweiterungsplatine in den Sockel des bisherigen 68030-16 MHz-Prozessors gesteckt. Auf dieser Platine befindet sich dann der 32 MHz-Prozessor, ein Custom-Chip und ein bißchen Elektronik. Die übrige Platine des TT ist gleich geblieben und läuft auch weiterhin langsamer. Lediglich der Arithmetik- Coprozessor 68882 wird über einen Draht mit dem 32 MHz-Takt versorgt. Der Coprozessor wird übrigens von den Programmen, die derzeit auf dem ST einen 68881 unterstützen, nicht erkannt, da er beim nur über den Line F-Emulator angesprochen werden kann. Hier wird man also neue Programmversionen benötigen.

Da eben nur die Erweiterungsplatine schneller getaktet ist, erreicht der TT auch nicht den vollen Wirkungsgrad eines von vornherein auf 32 MHz konzipierten 68030-Rechners. Das TT-RAM oder auch FAST-RAM ist zu langsam ausgefallen, und das ST-RAM ist - konzeptionell bedingt - noch langsamer. Da nützen leider auch die beiden internen Cache-Speicher des Prozessors (je 256 Byte) nicht sehr viel. Praxisnahe Studien an typischen Anwenderprogrammen haben jedoch gezeigt, daß ein Cache desselben Funktionsprinzips wie im 68030 erst ab etwa 32 KByte Größe einen guten Wirkungsgrad von etwa 88% erreicht. Je kleiner das Cache, desto progressiver sinkt der Wirkungsgrad. Was dem TT also fehlt, ist ein zusätzliches externes Cache von mindestens 16 KByte. Hier sollte Atari sich vielleicht noch etwas einfallen lassen. Andernfalls ist man wahrscheinlich mal wieder auf Fremdentwickler angewiesen.


Die TT-RAM-Platine mit den SIMM-RAMs

Das ST-RAM des TT hat zwei Besonderheiten: Es werden immer 64 Bit aus diesem gelesen oder hineingeschrieben, wenn der Prozessor auch nur 32 Bit auf einmal verarbeiten kann. Das hat den Vorteil, daß aufeinanderfolgende Lesezu- griffe, die innerhalb eines 64 Bit-Wortes liegen, nur einmal einen RAM-Zyklus erfordern und sonst in einem Zwischenspeicher gehalten werden, der einen schnelleren Zugriff erlaubt. Generell gesagt handelt es sich bei dieser Vorkehrung des ST-RAM im TT um eine Art Mini-Cache, dessen Nutzen im Verhältnis zu seiner Einfachheit nichts entgegenzustellen ist.


Die ST-RAM-Erweiterungsplatine
Vor allem bei Befehlsladezyklen des 68030, die immer mit 32-Bit-Wörtern auf Adressen mit 4-Byte-Vielfachen er- folgen, ist dieses Feature ein großer Vorteil. In der Praxis läuft dann ein Befehlsladezyklus mit 32 Bit in normaler Geschwindigkeit ab, der darauffolgende jedoch mit minimaler. Beim Schreiben in das ST-RAM hat das alles jedoch keinen Effekt. Die gemessenen Zeiten entnehmen Sie bitte Tabelle 1.

Setzt man diese Ergebnisse in die Praxis um, z.B. Belichten von Seiten mit Calamus, kommt man auf Geschwindigkeitssteigerungen gegenüber dem '16 MHz TT' von nur etwa 40 Prozent, trotz der doppelten Taktfrequenz. Das ist durchaus logisch, denn in der Praxis zählen keine speziellen Benchmark- Programme, die ein verzerrtes Bild der Leistungsfähigkeit angeben, sondern Hauptspeichergeschwindigkeit, Trefferquote des CacheSystems und Prozessorqualität.

Ansprechen des TT-RAMs

Um das TT-RAM benutzen zu können, muß ein Bit im Header eines Programms geändert werden. Für zukünftige Programme gibt es aber auch einen neuen GEMDOS-Befehl, Mxalloc, der im Prinzop wie Malloc funktioniert, nur daß er Speicher im TT-RAM reserviert. Er hat folgende Parameter:

GEMD0S68
Mxalloc

long Mxalloc(Größe, Modus)
long Größe
word Modus

Die Modi sind:

0 nur ST-RAM
1 nur TT-RAM
2 beide, ST-RAM bevorzugt
3 beide, TT-RAM bevorzugt Rückgabewerte sind:

-1 Die Größe des größten freien Speicherblocks des durch Modus bestimmten RAMs wird zurückgegeben.
#-l Der Speicherplatz im jeweiligen RAM wird reserviert und die Anfangsadresse zurückgegeben.

Bild 6: So schließt man einen Großbildschirm (Eizo 6500) an den TT an.

Auch in bezug auf den VME-Bus hat sich mittlerweile einiges geklärt. Im Gegensatz zu unserer Skizze in der Mai-Ausgabe liegt der Steckplatz für eine optionale VME-Karte direkt über der Floppy. Dort findet man Platz für eine Karte im Euroformat. Der Steckplatz ist völlig von Abschirmblechen umgeben und hat auf der einen Seite eine sogenannte Backplane, d.h. eine kleine Platine, auf der sich der eigentliche Sockel befindet und von der zwei Breitbandkabel auf die Hauptplatine führen. Nähere Spezifikationen kann man unter [l] nachlesen. Übrigens sollen ab Anfang Januar die ersten UNIX-TTs an Entwickler ausgeliefert werden, so daß man dann sowohl mit TOS als auch dem Workstation-Standard UNIX arbeiten kann. Preise stehen allerdings noch nicht fest.

Im Lieferumfang...

... des TT befinden sich bei allen drei erhältlichen Versionen (s.u.) ein VGA- Monitor, eine eingebaute 48,6 MB-Festplatte (Seagate ST157N), Tastatur, Maus und zwei Disketten mit Festplattentreiber (HDX 4.0) und neuem Kontrollfeld.

Diejenigen, die einen handelsüblichen VGA-Monitor benutzen wollen, erhalten allerdings nur ein quadratisches Bild auf dem Bildschirm, da der TT-Monitor einen Umschalter zwischen VGA- und TTCModus besitzt. Im VGA-Modus befinden sich links und rechts vom eigentlichen Bild breite Streifen, nur im TTC-Modus erhält man eine einwandfreie Darstellung. Die billigste Version des TT hat 4 MB Speicher und kostet 7498 DM, die mittlere mit 6 MB Speicher 8198 und die derzeit höchste Ausbaustufe mit 8 MB Speicher 8898, also kein billiges Unterfangen.

Der Atari TT hat gegenüber dem ST gewaltige Änderungen erfahren. Auch wenn die 32-MHz-Angabe nicht für die ganze Hardware gilt, erhält man ein schnelles Gerät. Bleibt nur noch, auf die Programme zu warten, die auch die TT-Hardware - nicht nur den ST-Teil - optimal ausnutzen. Das Design wird sicherlich ein Streitpunkt bleiben, zumal man nicht einmal einen Monitor vernünftig auf den TT stellen kann. Aufgrund des Preises wird er zunächst wohl mehr im Profimarkt anzusiedeln sein, also Desktop Publishing, Bildverarbeitung, CAD etc. Sicherlich wird der Atari TT aber trotzdem eine breite Käuferschicht finden, da die Erfahrung lehrt, daß neue Rechner immer erst teuer sind und später dann ein gewaltiger Preisverfall einsetzt. Der 520 ST mit einseitigem Laufwerk und Monitor hat schließlich auch mal 3000 DM gekostet.

Harald Egel/Raymund Hofmann

Literatur:
[1] Atari TT030 Reference Manual, June 1990
[2] Donald P. Maple/H. Egel, Reise zum Mittelpunkt des TT, ST-Computer 12/89
[3] H.Egel, Atari TT - Neues von der "Butterdose", ST-Computer 5/90


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