Es ist für verschiedene Anwender ein echtes Manko, daß so ein leistungsfähiger Computer wie der ATARI ST nicht alle Daten- und Steuerleitungen des Prozessors zur Verfügung stellt. Seinen verdienten Platz in der Industrie sowie In Labors hat er sich durch diesen Mangel verspielt. RHOTHRON, eine Firma, die Geräte für medizinische Zwecke entwickelt, hat diese Sperre nun aufgehoben. Mit Ihrem System für den ATARI-ST steht jetzt der gesamte Prozessor-Bus dem Anwender zur Verfügung. Bei unserem Testgerät handelt es sich um einen ATARI ST, der in ein PC-Gehäuse (ähnlich IBM) eingebaut ist. In diesem Gehäuse sind außerdem eine 3 1/2-Zoll Floppy eine 3 1/2-Zoll 20 MByte Festplatte (NEC) sowie das Rhothron Bus-System, bestückt mit vier Karten, und alle Netzteile untergebracht.
Das Rho-Bus-System besteht aus einer Bus-Karte, auf der sich acht Steckplätze befinden. In diese Slots können verschiedene Zusatzplatinen eingesteckt werden. Eine große Anzahl solcher Platinen ist selbst von Rhothron entwickelt worüen. Das Angebot erstreckt sich zur Zeit von Speichererweiterung, I/O-Karten über Winchester/Streamer-Controller bis zu A/D- und D/A-Wandler-Karten. Sollte die Anzahl der Steckplätze nicht ausreichen, so können auch mehrere Buskarten miteinander verbunden werden.
Die minimale Konfiguration dieses Systems besteht aus der Bus-Karte selbst. Der Anschluß zum ATARI ST wird mit einer Adapter-Karte durchgeführt. Auf dieser kleinen Platine ist ein Präzisions-Sockel vorhanden, der einfach auf die CPU (den Prozessor des Rechners) gesteckt wird (löten ist nicht notwendig!). Von dort gelangen sämtliche Signale über ein 2*34 adriges Flachbandkabel auf die eigentliche Bus-Karte. Auf der Bus-Karte befinden sich außer den schon oben genannten Slots auch Treiber Bausteine, die einen störungsfreien Betrieb des Rechners und aller Zusatzkarten ermöglichen. Ein sogenannter PAL-Baustein übernimmt die Dekodierung der verschiedenen Steckplätze. Ein eigener 16 MHz Quarz-Oszillator liefert das Takt-Signal für alle Karten.
Der Umbau ist sehr einfach gehalten und kann von elektronischen Laien problemlos ausgeführt werden. Der Präzisions-Sockel wird auf den 68000 CPU des Rechners aufgesteckt. Falls man für eine hundertprozentige Kontaktsicherheit sorgen will, kann man die genannte Präzisionsfassung mit allen Pins an die CPU festlöten. Damit ist fast die ganze Arbeit geleistet. Jetzt muß man nur noch (und das ist die einzige Modifikation, die am ST durchzuführen ist) die BUS-ERROR-LEITUNG auf der Rechnerplatine unterbrechen. Das ist - bedingt durch die Architektur des ATARI-Rechners - notwendig. Beim Ansprechen einer 'unbekannten' Adresse reagiert der GLUE-Chip nämlich mit einem BERR-Signal und unterbricht damit den Prozessor. Dem GLUE ist es zu verdanken, daß dem System alle Adressen, die zwischen 4 und 15 Megabyte liegen 'unbekannt' sind, obwohl der Prozessor 16 MByte adressieren kann. Die Dekodierung des gesamten Speicherraumes (16 MByte) wird vom BUS-Sytem verwaltet, so daß ein Absturz des Rechners nicht mehr möglich ist.
Von allen Zusatzkarten, die die Firma RHOTHRON für den ATARI-ST entwickelt hat, hatten wir leider nur ein paar zu Testzwecken zur Verfügung (wir werden aber in einem der nächsten Hefte weitere Karten in der Praxis testen). Eine davon ist eine 2 Mbyte Speicher-Erweiterung. Sie wird, genauso wie andere Karten, in einer der acht freien Slots eingesteckt. Die Karte besteht im wesentlichen aus 64 RAM-Bausteinen a 256 KBit (41256-150), der Refresh- und Zugriffssteuerung sowie der Buspufferung. Im Gegensatz zum RAM-Speicher des Rechners, dem wegen des gleichzeitigen Zugriffs des Vi-deoshifters nur etwa 50 % der Zeit der CPU zur Verfügung steht, arbeitet diese RAM-Karte praktisch ohne Verzögerung, also mit vollen acht Megaherz (MHz). Die Einbindung dieser Speichererweiterung in das Betriebssystem des ATARI-ST erfolgt durch die entsprechende Software, die von RHOTHRON mitgeliefert wird. Die Karte läßt sich, einmal durch die Software installiert, in verschiedenen Modi anwenden:
als Ergänzung zum System-RAM
- als schnelle reset-residente RAM-Disk
- als Drucker-Spooler.
Auch Kombinationen der oben genannten Möglichkeiten sind durchaus realisierbar. Die RAM-Karte ist vollständig decodiert und kann an beliebiger Stelle im gesamten Adressraum installiert werden. Eine Teilbestückung der Karte ist auch möglich (0,5 MByte und l MByte). Dadurch ergibt sich für alle Bastler die Möglichkeit, die Speichererweiterung der momentanen finanziellen Lage anzupassen. Das Bus-System unterstützt maximal sechs solcher Karten (fünf vollbestückte und eine halbbestückte Karte). Damit ergibt sich eine zusätzliche Speicherkapazität von 11 MByte. So hat man z. B. bei einem 520 ST + eine Speicherkapazität von max. 12 Megabyte! zur freien Verfügung.
Die zwei MByte RAM-Karte ist wie die BUS-Karte und alle anderen als Bausatz oder fertig aufgebaut zu beziehen. Für den engagierten 'Elektronik-Freak' ist der Zusammenbau solch einer Karte problemlos. Dabei spart er wahrscheinlich ein wenig Geld. Der reine Anwender kauft sie betriebsfertig, so daß er sie nur einzustecken braucht.
Durch diese Karte besitzt der Anwender die Möglichkeit, Signale von der Außenwelt zu empfangen oder bestimmte Vorgänge zu steuern. Die I/O-Karte ist bestückt mit zwei Peripheriebausteinen, die typisch für die 68000 Familie sind. Es handelt sich um zwei PI/T MC 68230. Diese Interfacebausteine sind sehr flexibel zu programmieren, und ihre Anwendungsgebiete reichen vom Erzeugen rechteckiger Signale bis zur Geräteüberwachung (Watchdog / Timer"). Auf der Karte befinden sich außerdem ein gepufferter Centronics-Druckerausgang sowie die Steuerlogik, die für eine einwandfreie Funktion der Karte sorgt.
Jeder einzelne Interface-Baustein belegt 32 Adressen. Die Register der einzelnen Chips lassen sich durch Lesen oder Schreiben einfach ansprechen. Die Interface-Bausteine bieten neben ihren Timerfunktionen maximal 24 Ein-Ausgabeleitungen und 4 Handshake Leitungen, so daß sich insgesamt 56 freiprogrammierbare Ein-Ausgabeleitungen ergeben. Durch entsprechende Programmierung können die Bausteine etwa als Interrupt- oder Universaltimer, Frequenz- und Periodenzähler verwendet werden. Die freien Ein/Ausgänge sind auf eine zweireihige Pfostenleiste geführt und stehen dem Anwender für verschiedene Aufgaben zur Verfügung. Der Zugriff auf beide Bausteine kann parallel erfolgen und geschieht ohne WAIT-Zyklen des Prozessors mit maximaler Geschwindigkeit (8 MHz). Auch die Realisation interruptgesteuerter Anwendungen ist durch diese Karte möglich. Der Einbau ist wie bei den anderen Zusatz-Platinen recht unkompliziert. Die Karte wird in einen beliebigen, leeren Slot eingesteckt.
RHOTHRON liefert zu seinem Bus-System eine Controller-Baugruppe, die zur externen Massenspeicherverwaltung dient. Diese Controller-Karte ist keine eigene Entwicklung von RHOTHRON, sondern ein üblicher, industrieller Controller. Das Anpassungs-Modul zum eigenen Bus-System ist wiederum eine Selbstentwicklung von RHOTHRON. Bei der Controller-Baugruppe handelt es sich um ein vollständiges, unabhängiges Subsystem mit eigenen Prozessoren (Z-80), DMA-Controller, eigenem Sektorpuffer und einer FIFO zur Kommunikation mit dem Hostrechner. Auf der Karte befinden sich EPROMs, die die erforderliche Software zur Anpassung an das Betriebssystem enthalten. Die Karte erlaubt den Anschluß von 3 Floppy-Laufwerken (3 1/2- und/oder 5 1/4-Zoll), 2 Festplatten mit einer maximalen Kapazität von 2*64 MByte und einem 20 M-Byte Floppy-Tape-Streamer. Anschließen kann man laut Hersteller die meisten handelsüblichen Floppy-Lauf-werke (Shugart-Bus) sowie Festplatten. Uhren-Karte
Eine weitere Karte, die wir zur Verfügung hatten, war eine akkugepufferte Uhr, die mit einem handelsüblichen Uhr-Chip (RTC 58321) realisiert wurde. Die mitgelieferte Software ermöglicht das Lesen sowie das Stellen der Uhr durch das Kontrollfeld. Der Baustein verfügt über eine 12 bzw. 24 Stundenanzeige und eine automatische Schaltjahrkorrektur. Auf der Karte ist noch ein l Hz Signalausgang vorhanden, mit dessen Hilfe eine interruptgesteuerte Zeitanzeige relativ einfach zu realisieren ist.
Für den Betrieb der meisten Zusatzkarten wird +5 Volt benötigt, so daß der Betrieb des ganzen BUS-Systems mit dem Netzteil von ATARI durchaus möglich ist. Bei der Verwendung von mehreren Karten ist jedoch der Strom des ATARI-Netzteils nicht mehr ausreichend. RHOTHRON bietet deswegen eine Reihe von Schaltnetzteilen an, die diese Anforderung decken.
Weitere Zusatz-Platinen stehen dem Anwender zur Verfügung. Sie reichen von verschiedenen 8- oder 16-Bit A/D-Wandlern bis zu mathematischen Coprozessoren. Die Firma RHOTHRON hat uns versichert, daß für die Installation sowie Bedienung jedes einzelnen Moduls die entsprechende Software mitgeliefert wird. Sonderwünsche an besondere Karten sowie softwarespezifische Lösungen in Bezug auf das Bus-System werden auch im Rahmen des möglichen erfüllt. Was uns sehr beeindruckt hat, ist ein System, das trotz seiner hochkomplizierten Technik nicht übermäßig teuer und wegen seiner Modularität für jeden Geldbeutel erreichbar ist. RHOTHRON übernimmt für einen sehr vernünftigen Betrag (DM 98,-) den Einbau des BUS-Systems in den Rechner. Alle Programme sowie die Anleitung zur Inbetriebnahme sind auf deutsch geschrieben und mit Beispielen und Schaltbildern versehen. Kurz gefaßt: Ein sehr gelungenes Produkt aus Deutschland, das sicher Maßstäbe in diesem Bereich setzen wird.
Folgend eine Preisangabe der von uns getesteten Karten (alle Preise incl. MwSt.):
KARTE | leere Platine | Bausatz | Fertiggerät |
Atari Bus-System | 98,- | 198,- | 248,- |
2 MByte RAM | 230,- | 998,- | <1198,-/td> |
WFS Controller | 1798,- | ||
Uhr-Karte | 48,- | 98,- | 138,- |
Schaltnetzteil | 572,- |
Bezugsquelle:
RHOTHRON GmbH Königshügel 27 5100 Aachen Telefon (0241) 85991
Bild 3: Präzisions-Sockel Bild 5: I/O-Karte Bild 2: Rückseite Bild 4: RAM-Karte Bild 6: Uhr-Modul