Kaum ein Beruf hat sich seit seiner Entstehung so grundlegend gewandelt wie der des Schriftsetzers. Heute erledigt der Computer die ehemals mühsame Handarbeit in Sekundenschnelle. Begleiten Sie uns auf den Spuren von Gutenbergs Erben.
Wenn Sie diesen Artikel lesen, dann hat er einen langen Weg hinter sich: Er wurde auf einem PC geschrieben, Buchstabe für Buchstabe von einer Fotosatzmaschine mit Laserstrahlen auf lichtempfindliches Papier gebracht, die so entstandenen Textfahnen von Layoutern passend für diese Seite mit Fotos, Überschriften und Seitenzahlen verklebt, um schließlich fotografisch auf vier Druckplatten (für jede Farbe eine) übertragen zu werden. Bogen für Bogen wird viermal bedruckt, bevor das komplette Heft gefalzt, geheftet und beschnitten werden kann, damit es so aussieht, wie Sie es jetzt in den Händen halten. Doch dieses Verfahren so schnell es im Vergleich zu früheren Methoden ist ist für moderne Zeitschriften immer noch zu langsam. Deswegen wird Happy-Computer beispielsweise in naher Zukunft komplett mit Desktop-Publishing produziert. Auf dem Weg zur komplett digitalen Herstellung einer Zeitschrift ändern sich auch die Berufe, die mit der Zeitungsproduktion eng verknüpft sind. Am Beispiel des Schriftsetzers verfolgen wir die revolutionären Veränderungen, die der Computer in der Arbeitswelt auslöst.
Stempel, Blei und Winkelhaken
Der Ahnherr des Schriftsetzers ist der Chinese, der um das Jahr 600 herum auf die Idee kommt, Bilder und Spielkarten auf Papyrus und Pergament mittels spiegelverkehrter Reliefs wie Holzstempel oder Tontafeln zu drucken. Das Verfahren gelangt (wie später auch die Erfindung des Papiers) durch reisende arabische Kaufleute auf Karawanenwegen um 1200 nach Europa. Klöster sind zu dieser Zeit die einzigen, die Verwendung für Bücher, Schrift und Druck haben. Bis zu dieser Zeit werden die Bibeln und Gebetsbücher in jahrzehntelanger Handarbeit Seite für Seite abgeschrieben und kunstvoll verziert. Erst um •1430 kommen süddeutsche Mönche auf die Idee, ganze Bibelsei-ten aus Holz seitenverkehrt zu schnitzen und so die ersten Blockbücher zu drucken.
Das Lesen blieb den wenigen vorbehalten, die Lesen konnten: vor allem den Mönchen und den Schreibern, die in den Diensten der Feudalherren standen. Die große Masse der Bevölkerung konnte weder schreiben noch lesen.
Die Erfindung der beweglichen »Lettern« im Jahre 1440 durch den Mönch Johannes Gensfleisch, besser bekannt als Gutenberg, revolutionierte die Herstellung gedruckter Werke und schuf gleichzeitig die Grundlage für die allmäliche Alphabetisierung der Bevölkerung. Seine beweglichen Lettern aus Metall, der Umbau einer rheinischen Weinpresse zur Druckpresse, das Zusammensetzen einer guten Druckfarbe und das Behandeln des Papiers waren der Grundstock für die industrielle Fertigung von Druckerzeugnissen. Mit Gutenbergs genialer Technik gelang die Massenproduktion der 42zeüigen Bibel in nur wenigen Jahren. Damit war der erste Schritt zur Verbreitung der neuen Technik getan.
Gutenbergs Nachfolger sorgten dafür, daß sich die »Schwarze Kunst«, wie das Handwerk des Druckers lange Zeit genannt wird, rasch in Europa und seinen Kolonien ausbreitete. Das Drucken bekam neben der kulturellen Seite auch große Bedeutung als wirtschaftlicher Faktor. So vereinigte der Drucker bis Anfang des 16. Jahrhundert alle Berufe dieses Gewerbes (Stempelschneider, Schriftgießer, Setzer, Drucker, Verleger und Buchhändler) in einer Person. Erst allmählich entstanden mit dem Fortschreiten der Arbeitsteilung daraus eigenständige Berufe.
Schriftsetzer werden in der Folgezeit die Männer genannt, die mit wieselflinken Fingern die einzelnen Buchstaben aus den Setzkästen holen, um sie auf einem Winkelhaken zu einer Zeile zusammenzusetzen. Jede Zeile wird mit einem Bleiplatt-chen von den anderen getrennt und die kompletten Seiten in die Druckpresse eingespannt.
In den folgenden 300 Jahren wächst das Bedürfnis an Druckerzeugnissen durch den sozialen Wandel und die zunehmende Technisierung der Gesellschaft enorm an. So wäre zum Beispiel die Reformation und ihre Ausbreitung ohne das gedruckte Wort undenkbar gewesen. Bemerkenswert ist, daß Gutenbergs Erfindungen fast ohne Änderungen bis ins 19. Jahrhundert hinein ihren Zweck erfüllen. Sicher wurde die Holzpresse durch eine eiserne abgelöst, doch die Grundprinzipien und die Materialien bleiben dieselben.
Nach der Französischen Revolution erzwingen die Schlagworte »billiger, schneller, interessanter, vielfältiger und aktueller« (wie heute auch noch) eine mstellung der Gutenbergschen Drucktechnik. Zusammen mit neuen Erkenntnissen der hemie und Physik überschlug ch die Entwicklung. Die Druckgeschwindigkeit und damit die Auflage wurde bis 1848 von 300 Druckbogen pro Stunde mit der Handpresse auf mehr als 8000 Bogen in der Rotarypresse gesteigert. Doch trotz allem Fortschritt in der Drucktechnik ist bis ans Ende des 19. Jahrhunderts der Handsatz (Letter für Letter) das einzige Verfahren zur Herstellung der Druckformen, das Verhältnis Drucker zu Setter betrug in dieser Zeit ungefähr eins zu sechs.
Licht ersetzt Hitze und Blei
Den ersten Schritt in diese Richtung unternahm Mergenthaler 1883 mit der Konstruktion der »Linotype«-Zeilensetz- und Gießmaschine. Damit trat erstmals seit mehr als 400 Jahren ein Wandel in den Aufgaben des Schriftsetzers ein. Den Abschluß dieser langen Kette von Erfindungen bildete schließlich die Einzelbuchstaben-Setz- und Gießmaschine Monotype um die Wende des 20. Jahrhunderts. Bei der Monotype wurde schon damals der Gieß- und Setzvorgang voneinander getrennt. Das sollte später viel Gewicht bekommen. Mit all diesen Erfindungen war es bereits um die Jahrhundertwende möglich, Texte wirtschaftlich in Massen zu produzieren. Das mühselige Einsammeln der Buchstaben entfiel, der Schriftsetzer saß ab sofort an einer riesigen, raumhohen Schreibmaschine, in der das Blei kochte und jede mit den Metallstempeln gesetzte Zeile sofort in Blei ausgegossen wurde. Bedeutsam für die Entwicklung der Satztechnik war auch die Erfindung der Fotografie im Jahre 1893. Damit begann nicht nur die Entwicklung der Technik des Fotografierens, sondern auch der dafür notwendigen Materialien wie Filme und Fotopapier. Die Entwicklung des Fotosatzes war die Folge. Denn die Techniker hatten schon um 1900 erkannt, daß Vorlagen für den Offset- oder Tiefdruck leichter auf Fotomaterial zu belichten waren. Bisher mußte man den Umweg über den Bleisatz gehen.
Mit dem Anmelden der ersten Patente für Fotosatzmaschinen begann sich die nächste Wende im Beruf des Setzers abzuzeichnen. Immer wieder sorgte der Ruf nach »schnellerer, billigerer und aktuellerer« Arbeit für technische Weiterentwicklungen. Zuerst sind es rein mechanische, und damit noch relativ langsame Fotosatzmaschinen. Die beiden Weltkriege 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945 treiben die Technologien auf der ganzen Welt schnell voran. Die Einführung der Elektronik und des Computers in die Satztechnik sollte ab der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts einen ebenso großen Einfluß haben wie seinerzeit Gutenbergs Erfindung. Innerhalb weniger Jahre wird der vollelektronische Fotosatz entwickelt. Doch es dauerte noch bis Ende der siebziger Jahre, bis der Fotosatz in breiter Front den herkömmlichen Bleisatz in den Tageszeitungen ablöst. Inzwischen werden fast alle deutschen Tageszeitungen mit Fotosatz hergestellt. Die ehemals mühsame Handarbeit ist der komfortablen Bedienung neuer Maschinen gewichen. Das Zurechtrücken und korrekte Setzen der Lettern übernimmt der Computer, der Setzer arbeitet heute am Computerterminal.
Aber die Entwicklung ist immer noch nicht abgeschlossen. Mit der Einführung des Laserdruckers, zusammen mit entsprechenden Desktop Publishing-Programmen für Personal Computer, müssen die Setzer erneut umlernen. Laserdrucker und immer stärker große Belichtungsmaschinen verstehen »PostScript«, eine Sprache, die für die Darstellung von grafischen Vorlagen auf Computern entwickelt worden ist.
Umschulungen auf die Bedienung eines Computersystems sind an der Tagesordnung. Wurde vor Jahren noch ein Setzer über Stellenangebote gesucht, so verlangt man heute nach einem »Quadex-Systembediener mit cg-8600-Erfahrung« oder »Operatoren für Penta-Systeme«. Gleichzeitig sorgt die zunehmende Rationalisierung für eine Bedrohung der Arbeitsplätze.
Wo früher eine Handvoll Setzer arbeiteten, steht jetzt ein computergesteuertes Satzsystem, das die gleiche Arbeit schneller und sauberer erledigt. Der Setzer ist jetzt mehr Computerspezialist als Arbeiter. So ein Satzsystem besteht aus einem Bildschirmterminal, auf dem Texte und Anweisungen eingegeben werden. Die Texte werden auf einem Massenspeicher (Diskette oder Festplatte) abgelegt. Als Ausgabegerät ist eine Belichtungseinheit angeschlossen.
Der letzte Stand der Technik ist das Desktop Publishing, das Zeitungmachen am Schreibtisch. Hier arbeitet der Journalist noch zusätzlich als Texterfasser, Layouter, Seitenmontierer und Setzer. So wie er seine Arbeit am Bildschirm sieht, wird sie auch zu Papier gebracht und kann direkt in die Druckerei gegeben werden. In diesem Stadium entfällt der Setzer ganz.
Das Desktop Publishing steckt jedoch erst in den Kinderschuhen, so daß es noch einige Jahre dauern wird, bis sich ein Jahrhunderte altes Berufsbild von Grund auf gewandelt hat. (rz)