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 Das ATOS-Magazin 3/99

Editorial


Von Götz Hoffart

Wann wird Software ein normales Produkt?

Jeder kennt das. Man kauft für viel Geld ein neues Auto, das man zuvor beim Händler begutachtet hat und probegefahren ist. Kaum ist der Plastikgeruch verzogen, stellt man fest, daß die Heizung ausschließlich auf Stufe 5 funktioniert (und für verbrannte Socken sorgt). Dafür trieft Bonnie Tyler nur aus dem linken Lautsprecher.

Ein klarer Fall für eine Reklamation: Die Heizung muß in der Werkstatt nachgebessert werden, der rechte Lautsprecher erhält Kontakt zum Autoradio. Der Hersteller des Produkts muß für sein Produkt haften: Produkthaftung und Gewährleistung nennt das der Gesetzgeber. Der Produzent muß zugesicherte Eigenschaften des Produkts garantieren. Das ist nur richtig so, denn sonst wären wir unseres Lebens nicht mehr sicher.

Andererseits kauft man eine bunte Schachtel mit Datenträger und dünnem Handheft ("Wir gratulieren zum Kauf [...] Jede Gewährleistung, daß das Produkt einen vorgegebenen Zweck erfüllt, wird vom Hersteller abgelehnt.") und ärgert sich die Haare grau, wenn der mühevoll getippte Text dank eines Programmierfehlers in der Textverarbeitung ins Datennirvana entschwindet.

Wir nehmen es als selbstverständlich hin, daß Software Fehler hat und laufen nur dann zum Händler, wenn das Programm partout nicht zu starten ist. Gewährleistung scheint in dieser Branche ein Fremdwort zu sein -- sie beschränkt sich in der Regel darauf, daß man eine defekte Diskette ersetzt bekommt. Für Fehlerbehebungen darf man meist bezahlen -- man bekommt sie in einer Mogelpackung zusammen mit neuen Funktionen und wird dann euphorisch "Update" genannt.

Wann wird Software ein normales Produkt wie ein Toaster auch? Die Hinweise der Hersteller, daß es fehlerfreie Software nicht geben könne, müssen wir ignorieren. Fehlerfreie Autos gibt es auch nicht, weil es den fehlerfreien Menschen nicht gibt. Der bescheidene Wunsch, daß mindestens erkannte und benannte Fehler behoben werden, scheint schon auf purem Übermut zu basieren, wenn man der Industrie glauben möchte. Hier sind der Gesetzgeber und die Richter gefordert, den Hochmut einer ganzen Branche auf ein normales Maß zu stutzen.

Bis dahin könnten wir Verbraucher Produkte verwenden, die zwar weniger bunt sind, dafür aber zuverlässig laufen. Es gibt sie nämlich.

Absturzfreie Grüße
Götz Hoffart


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Letzte Aktualisierung am 7. November 1999

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