Kurtisane in Grau: Schwarzbunte Pixelmalerei mit Piccolo 2.0

Bild 1. Im Original lautet der Titel „Freudenhaus bei Edo: Kurtisane"

Trotz Grafikkarten, Falcon und farbfähiger Zeichensoftware sind sie noch lange nicht ausgestorben, die guten alten schwarzweißen Pixelbilder.

Für ein ansprechendes Bild reichen oft einfache Werkzeuge. Und mangelnde Farbe muß nicht immer mangelnder Ausdruck sein, wie Sie in Bild 1 sehen. Die Vorlage zu diesem Bild stammt übrigens von dem japanischen Künstler Harunobu Suzuki. Sein Verlagshaus druckte die ersten vielfarbigen Grafiken und Buchillustrationen in der Holzschnitt-Technik. Nun aber von einem damaligen zu einem heutigen Japaner.

Setzen Sie Ihren Atari in Gang und starten Sie Piccolo. Ein Grund für die Wahl dieses Zeichenprogrammes waren neben der einfachen Handhabung die guten Bézierfunktionen im sogenannten »2D-Inspektor«. Wie Bild 1 unschwer zu entnehmen ist, besteht der Kimono der schüchternen Kurtisane aus vielen Bögen, die sich leicht aus solchen Splines formen lassen. Um den Kurven gewissermaßen einen soliden Halt zu verschaffen, fertigen Sie aus geometrischen Figuren wie Kreis, Rechteck und Linien ein Grundgerüst (vgl. Bild 2). Dieses Gerüst müssen Sie unbedingt als Einzelgrafik speichern. Alle folgenden Sicherungskopien, die Sie zwischendurch anfertigen, müssen hiervon getrennt sein! Keine Bange, mit Hilfe von Lupe und ein paar Tricks beseitigen Sie später diese Konstruktionshilfen, die im übrigen nur grobe Anhaltspunkte für das Anlegen der Proportionen bieten sollen. Es versteht sich wohl von selbst, daß Sie für dieses Gerüst nur einfache, ein Pixel breite Linien verwenden. Die waagerechten Geraden deuten die Ausdehnung des Gewandes an. Die gestrichelten Linien bilden dabei die vertikale Aufteilung, sprich Gesamtgröße und Mittellinie unserer jungen Dame. Der Ausdruck »Dame« ist, nebenbei bemerkt, durchaus angebracht. Waren die Kurtisanen in Japan doch hochangesehen und verfügten teilweise über mächtigem Einfluß. Wechseln Sie jetzt anhand des zweituntersten Icons im Benutzerpanel in den »2D-Inspektor«. Entwerfen Sie mit Hilfe der »Splines« die äußeren Formen des Gewandes, also den bauschigen Ärmel, den groben Faltenwurf des Kimonos, den Verlauf des Tuches, das den Gürtel bildet, und so weiter. Fehlgesetzte Punkte löschen Sie mit dem Scherensymbol oder verschieben die Splinemarken. Ein Wort zum Löschen: Der Hotspot beim Mauszeiger »Schere«, also der Punkt, der letztendlich bestimmt, auf welchem Bildpunkt sich der Zeiger befindet, ist in diesem Falle das linke Scherenblatt. Beim Löschen einzelner Splinepunkte müssen Sie also diesen Scherenteil genau auf den Punkt bringen und dann mit der linken Maustaste klicken. Etwas zu groß angelegte Kurven skalieren Sie vorsichtig mit den entsprechenden Symbolen oder Sie verschieben den gesamten Bogen mit Hilfe des »Patschhändchens« nach Aktivieren der Funktion »Bewegen«. Bedenken Sie aber, daß das aufwendige Korrigieren unter Umständen länger dauert als das Neuzeichnen. Allerspätestens zu diesem Zeitpunkt ist ein weiteres Speichern sinnvoll.

Natürlich müssen und sollen Sie die Formen nicht nur mit dem 2D-Inspektor zeichnen. Setzen Sie auch den Bleistift und ein paar mutige Schwünge ein. Sollten diese Kurven allzu hakelig ausfallen, werfen Sie doch mal einen Blick auf das Innere Ihrer Maus. Manchmal bringt ein ordentlicher Mausputz Erstaunliches zu Tage. Wo es kniffelig und eng ist, setzten Sie durch einen Druck auf die Leertaste die Lupe ein. Hier stehen Ihnen ja ebenfalls sämtliche Zeichenwerkzeuge von Piccolo zur Verfügung. Vervollständigen Sie so nach und nach die Umrisse der Kurtisane ohne jedoch zu sehr ins Detail zu gehen. Zum Schluß ändern Sie die Kopfform mit der Funktion »Geschlossene Splines«. Der ursprüngliche »Eierkopp« sollte mehr und mehr einem anmutig gesenkten Köpfchen ähneln. Das Zeichnen der Haartracht tut ein übriges. Nun schließen Sie den Mantel in Richtung Hals und Kinn. Wie Sie vielleicht bemerken, zeichnen Sie nicht stur ein paar Striche, sondern modellieren ganz allmählich aus dem Grundgerüst die fertige Figur. Zugegebenermaßen verlangt dies zum Ende hin eine ordentliche Portion Konzentration, um in dem Haufen von Linien nicht den Überblick zu verlieren. Gerade in dieser Phase müssen Sie häufiger die Lupe einsetzten. Selbst das Anlegen von Bézierkurven ist hier ja möglich.

Und nun geht's ans Eingemachte. Um wieder Herr der Lage zu werden entfernen wir zuerst das Grundgerüst. Dazu laden Sie dieses in ein eigenes Fenster und schneiden es mit Hilfe der Blockfunktion aus (»Control C«). Anschließend kopieren Sie es mit »Control V« im »XOR-Modus« (Taste »3« drücken) so auf die Grafik, daß das Grundgerüst verschwindet. Nachdem Sie den Block abgelegt haben, ist die Grafik ein wenig entwirrt. Allerdings haben wir mit der Aktion noch ein paar zusätzliche Löcher in die Linienstruktur gesetzt, die Sie jetzt mit Lupe und Bleistift schließen müssen. Hier ist große Sorgfalt vonnöten, ansonsten erleben Sie gleich Ihr gemustertes Wunder. Wenn Sie schon dabei sind, dann entfernen Sie ebenfalls überflüssige Striche und Hilfslinien. Hierbei leistet unter anderem der Schwamm gute Dienste. Eventuell müssen Sie unter dem Menüpunkt »Parameter« die »AutoScroll-Geschwindigkeit« reduzieren. Das gleiche gilt für den Scroll-Bereich. Gewissermaßen als letzten Schliff zeichnen Sie die Konturlinien, die die Stoffdicke andeuten, nochmals in der Lupe etwas dicker nach. Daneben vervollständigen Sie noch die Falten im Gürtel und das Gesicht (Lupe). Beim anschließenden Füllen sollten kaum Probleme auftauchen. Allerdings war bei mir doch recht häufig der Griff zur »Undo« Taste nötig, weil das Muster durch nicht entdeckte Pixellöcher munter in alle Richtungen lief. Dieser Teil der Arbeit ist dann nicht ganz so erquickend, allerdings rechtfertig das Ergebnis die Mühe, oder? Falls Sie wollen, zeichnen Sie doch in einem weiteren Fenster den passenden Hintergrund. Einfache Rechtecke, nacheinander im Modus »neg.XOR« mit unterschiedlichen Füllmustern gezeichnet, ergeben schnell den passenden Raum. Die schöne Kurtisane kopieren Sie dann im Anschluß daran im Modus »Solide« auf dieses Bild. Allerdings müssen Sie dann die weißen Flächen im Außenbereich nochmals nachbearbeiten.

Ach ja, Suzuki Harunobu gab in seinen letzten fünf Lebensjahren über 900 Drucke und Buchillustrationen, unter anderem für Literatenclubs, heraus. Wann das war? Um 1765. Was würde der Meister heute wohl leisten? (wk)

Bild 2. Aus dem Grundgerüst mit Splines, Bleistift und Geduld...
Bild 3.... entsteht eine liebliche Schönheit
Bild 4. Alles klar, Herr »Inspektor«?

Andreas Wischerhoff
Aus: TOS 05 / 1993, Seite 72

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