Schöne Oberfläche für wenig Geld: Virgil, der Lagerbutler von konTrast

Virgil ist das preisgünstigste Angebot in unserem Vergleichstest. Für nicht einmal 100 Mark soll man eine funktionstüchtige Faktura erhalten. Lohnt sich ein solches Schnäppchen?

Bild 1. Die Kundenerfassung in einem Dialogfenster

Virgil, der »Lagerbutler«, stammt aus dem Hause der Firma Kontrast und ist in Megamax-Modula-2 programmiert. Das Programm erhalten Sie auf einer doppelseitig formatierten Diskette zusammen mit einer 90seitigen Anleitung. Die Einrichtung auf der Festplatte erledigt ein Installationsprogramm.

Virgil ist vorbildhaft in GEM eingebunden und orientiert sich mit Karteikasten-Icons im Bildschirmhintergrund ein wenig an dem großen Datenverwalter Adimens ST. Zum Einsatz kommen die bewährten »fliegenden Dialogboxen«, die eine standardisierte Tastaturbedienung gestatten.

Für die Kundendaten stehen insgesamt 14 Felder (mit änderbaren Feldnamen und -längen) und ein mehrzeiliges Memofeld (ohne Wortumbruch) zur Verfügung. Den Wert des Umsatzfeldes setzt das Programm automatisch in Verbindung mit dem Rechnungsmodul ein. Ärgerlicherweise ist die Return-Taste für das Bewegen von einem Feld zum nächstunteren gesperrt. Die Kundennummer läßt sich zwar nicht automatisch vorgeben, aber Virgil erkennt immerhin doppelte Vergaben. Bleibt das Nummernfeld leer, meldet die Koblenzer Faktura den Fehler manchmal (aber nicht immer). Virgil verwaltet weder Standardanreden noch Personenarten, es hat auch keine selbstlernende Postleitzahlautomatik vorzuweisen. Unsere Testversion machte ferner enorme Schwierigkeiten bei der nachträglichen Änderung der Kundendaten, die man dummerweise nur nach Eingabe der zugehörigen Adreßnummer vornehmen darf.

Fehleranzeige = Fehlanzeige

Zur Erfassung der Artikel dienen in einer weiteren Maske acht Textfelder sowie mehrere Zahlenfelder für Einkaufs- und Verkaufspreise, Bestände, Bestellmengen und (vom Programm errechnete) Umsatz- und Bestandszahlen. Das zwölfstellige Barcode-Feld dient dem Lesen und Ausdrucken von Barcodes in einer zukünftigen Version. Unter dem Button »Memo« verbirgt sich desweiteren ein zwölfzeiliges Feld für längere Artikelbeschreibungen oder Handwerksleistungen. Ein Wortumbruch ist nicht realisiert. Auch in der Artikelmaske ist ein Springen von Feld zu Feld mit der Return-Taste nicht möglich.

Bild 2. Die Sortierung ist fehlerhaft, einige Nummern sind fälschlich doppelt vergeben.
Bild 3. Die Fakturierungsmaske läßt jeden Komfort vermissen.

Für das Feld »Einheit« ist ein Pop-Up-Menü eingerichtet, das neun verschiedene Vorgaben enthält. Andere Einheiten fügt man per Hand ein. Die Artikelnummer läßt sich nicht automatisch vorgeben, wohl aber erkennt Virgil meistens (jedoch nicht immer) doppelte Nummern. Das Mehrwertsteuerfeld läßt interessanterweise einstellige Zahleneingaben von 0 bis 9 zu, obwohl das Programm nur sechs verschiedene Mehrwertsteuersätze verwaltet. Ein besonderes Schmankerl verbirgt sich hinter dem Button »Calc«, der ein Rechenschema zur Ermittlung des Listenverkaufspreises zum Vorschein bringt.

Zahlenjongleur

Die Kunden- und die Artikeldatei, auf dem Bildschirmhintergrund als Karteikasten dargestellt, lassen sich in übersichtlicher Listenform in einem echten GEM-Fenster darstellen. In unserer Testversion arbeitete leider die Sortierung nach verschiedenen Schlüsseln so wenig wie die Aktivierung wichtiger Funktionen mit der Funktionstastenleiste am unteren Bildschirmrand. Allerdings funktionierte gelegentlich die Änderung eines Artikels oder einer Kundennummer aus der Übersichtsliste heraus.

Die eigentliche Fakturierung, das Schreiben von Rechnungen oder Lieferscheinen, ist bei Virgil ein gutes Beispiel dafür, wie man es nicht machen (sprich: programmieren) sollte: Die Auswahl des Kunden vollzieht sich nur über die Kundennummer. Ein Suchvorgang oder der Eintrag des Namens ist an dieser Stelle nicht vorgesehen. Gleichermaßen sollte der Anwender über ein gutes Gedächtnis für Artikelnummern verfügen. Die trägt man ebenfalls in der Fakturierungsmaske nur per Nummer (ohne Suche, ohne Namen) ein. Welcher Artikel hinter der Nummer steckt, ist aus dem Fakturaformular am Bildschirm ebenfalls nicht zu ersehen. Als wir in unserer Verzweiflung einen tollkühnen Doppelklick auf einzelne Rechnungsposten versuchten (wer weiß, vielleicht bringt's ja was?), führte dies lediglich zum Absturz des Programms. Der Fehler ist übriges reproduzierbar. So wartet man also gespannt auf den großen Ausdruck, der einem zeigt, ob man alle Zahlen richtig im Kopf gehabt hat. Zudem fand Virgil bestimmte Artikel und bestimmte Kunden, die es gleichwohl in der Artikelliste anzeigte, während des Fakturierens nicht mehr wieder: »Diesen Kunden/bzw. Artikel gibt es nicht!«. An dieser Stelle entschloß sich der geplagte TOS-Mitarbeiter, der mittlerweile die dritte Virgil-Version in den Händen hielt, weitere Tests abzubrechen. Man muß sich ja nicht alles gefallen lassen.

Insgesamt gesehen ist Virgil ohne gründliche Überarbeitung und Beseitigung sämtlicher Fehler nicht zu gebrauchen. An und für sich stimmt bei dem Programm derzeit nur die nette GEM-Einbindung mit den Pop-Up-Menüs, Karteikästen im Desktop-Hintergrund und den fliegenden Dialogboxen. Ein fehlerbereinigtes und überarbeitetes Virgil könnte allerdings eine hübsche Fakturierung für Einsteiger abgeben. (wk)

konTrast, Zwickauerstraße 4. 5400 Koblenz

WERTUNG

Name: Virgil V 4.01
Preis: 100 Mark
Hersteller: konTrast

Stärken: Viele GEM-Elemente

Schwächen: Fehler in der Adreß- und Kundenverwaltung □ mangelhafte, unbrauchbare Fakturierungsmaske

Fazit: Von der aktuellen Version ist angesichts zahlreicher Fehler und ungenügender Datensicherheit nur abzuraten.


Michael Spehr
Aus: TOS 09 / 1992, Seite 21

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