Interview mit Jack Tramiel und Richard Miller

»Wir machten zahlreiche Fehler«

Nach längerer Zeit präsentierte Jack Tramiel wieder persönlich auf dem Presseabend anläßlich der CeBIT ein neues Gerät. Schon dies zeigt, wie ernst Atari die Einführung des neuen Computer nimmt. Grund genug, Jack Tramiel und Richard Miller, Chefentwickler Hardware bei Atari, einige kritische Fragen zu stellen.

TOS: Mr. Tramiel, was ist der Grund, daß Sie nach Jahren wieder persönlich einen neuen Computer in Hannover ankündigen?

Jack Tramiel: Das liegt zum einen daran, daß Sam wegen eines Rechtsstreits mit Nintendo im Moment die USA nicht verlassen kann, da er als Zeuge in der Gerichtsverhandlung aussagen muß. Zum anderen glaube ich, daß der Falcon 030 die selbe Sensation darstellt, wie 1985 die Vorstellung des ST.

TOS: Wenn Atari dem Falcon 030 den selben Stellenwert wie seinerzeit dem ST beimißt, warum geben Sie dann nicht mehr technische Details als den Prozessortyp und die Verwendung des digitalen Signalprozessors DSP 56001 bekannt?

Jack Tramiel: Dies liegt an unserem neuen Marketing-Konzept: Grundsätzlich werden keine Maschinen mehr angekündigt, bevor sie nicht lieferbar sind. Dies gilt auch für die technischen Details.

TOS: Dann hätte man aber konsequenterweise gar nichts zeigen dürfen.

Jack Tramiel: Ja sicher, aber wir mußten hier beweisen, daß die Entwicklung bei Atari nicht stillsteht, sondern weitergeht.

TOS: Dieses Verhalten erinnert aber in frapanter Weise an Fehler, die Atari beispielsweise mit dem ST Book machte. Der wurde bekanntlich auch angekündigt, gezeigt und erst jetzt nach einem Jahr soll er tatsächlich lieferbar sein.

Jack Tramiel: Wir sehen ja, daß wir in den letzten drei bis vier Jahren zahlreiche Fehler gemacht haben. Dies betrifft sowohl die Entwcklung neuer Maschinen als auch das Marketing. In Zukunft wird das aber anders. Atari plant zahlreiche neue Geräte, mit denen wir einen »Blitzkrieg« einleiten. Dabei ist der deutsche Markt für uns besonders wichtig, da die Deutschen in den letzten Kriesenjahren Atari treu geblieben sind. Aber mit diesen neuen Computern versuchen wir auch, endlich im amerikanischen Markt Fuß zu fassen.

TOS: In welche Richtung zielen die neuen Geräte?

Jack Tramiel: Mit den neuen Maschinen wird unser altes Motto »Power without the Price« wieder aktuell. Es handelt sich um Multimedia-Geräte zu sensationell niedrigen Kampfpreisen. Dies alles ist auch für mich eine aufregend neue Zeit, in der es mit Atari wieder bergauf geht. Auch deshalb bin ich nach langen Jahren wieder auf einer deutschen Messe anwesend. Das alles ist wirklich unglaublich faszinierend und aufregend, selbst für einen, der schon so lange in diesem Geschäft aktiv ist wie ich.

TOS: Durch die allgemeine Rezesion im Computerbereich und die Fehler, die Atari in den letzten Jahren beging, drängt sich natürlich die Frage auf, wie es der Firma wirtschaftlich geht. Denn Ankündigungen alleine kosten ja noch nichts, die Durchführung der Zukunftspläne hingegen schon.

Jack Tramiel: Zugegeben, Atari steht im Moment krisenhaft da, aber wir stecken jede erwirtschaftete Mark in die Entwicklung neuer Geräte, das heißt in unsere Zukunft, und nicht wie andere in die Werbung. Ich bin zuversichtlich, daß es bei Atari noch in diesem Jahr mit der endgültigen Einführung der neuen Maschinen wieder bergauf geht.

TOS: Zurück zum Falcon 030. Aus der Vorführung und dem Gesagten auf dem Presseabend und Ihrem Hinweis auf Multimedia lassen sich Schlüsse ziehen. Können Sie nicht doch technische Details, zum Beispiel bei der Grafik, preisgeben?

Richard Miller: Nein, wir machen keine Angaben über die Farbtiefe etc. Wesentlich ist, daß das neue System eine Grafikauflösung mit mehr Farben bietet, als das menschliche Auge unterscheiden kann. Dazu kommt ein Sound in CD-Qualität. Allein aus diesen Angaben folgt, daß ein Anwendungsgebiet des Falcon 030 Multimedia sein wird. Vielleicht noch soviel: Wir entwickelten lange an einem neuen Custom-Chip, der für den Falcon eine zentrale Bedeutung besitzt. Seit wir an den neuen Maschinen arbeiten herrscht in der Entwicklungsabteilung wieder ein frischer Wind. Ja man kann sagen, die Leute sind geradezu enthusiastisch an der Arbeit.

Richard Miller im Gespräch mit Wolfgang Klemme

TOS: Wie sieht es mit der Netzwerkfähigkeit oder besser mit den generellen Kommunikationseigenschaften des Falcon 030 aus? Richard Miller: Selbstverständlich wird der Falcon 030 netzwerkfähig sein und eine Kommunikation mit hohen Geschwindigkeiten via Modem oder Fax unterstützen. Dabei ist die Maschine sehr einfach zu bedienen, auch in einem Netzwerk. Mehr möchte ich aber jetzt noch nicht verraten.

TOS: Wenn Sie jetzt nicht mehr zum Falcon 030 sagen wollen, hoffen wir, daß die technischen Details des neuen Laser SLM 406, der ja im Gegensatz zum Falcon hier wenigstens schon dem Fachpublikum gezeigt wird, nicht auch streng unter Verschluß gehalten werden.

Richard Miller: Beim SLM 406 handelt es sich um einen nominellen 4-Seiten-Laserdrucker. Tatsächlich ist er bei der Arbeit aber schneller als ein 6-Seiten-Drucker. Anschluß findet der SLM 406 über eine SCSI-Schnittstelle. Er läßt sich also sofort am TT betreiben.

TOS: Und was machen Besitzer eines ST?

Richard Miller: Für die bieten wir eine Adapterbox, die zwischen Drucker und DMA-Port gesteckt wird. Es wird übrigens auch Adapter für PCs geben.

TOS: Für PCs? Wie sieht es da mit Druckeremulationen aus?

Richard Miller: Wir bieten eine Laserjet- und eine Epson-Emulation auf Einschubkarten an. Ferner gibt es auch eine RAM-Erweiterung für den SLM 406, die 1 Seite faßt.

TOS: Wir bedanken uns für dieses Gespräch.

Von Ulrich Hofner und Michael Spehr



Aus: TOS 05 / 1992, Seite 20

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