Leistung aufgerüstet: Softwareerweiterungen, nicht nur für den Atari TT

Selbst das Schlachtschiff der Atari-Familie, der TT, läßt sich mit Programmen von Drittanbietern noch in seiner Leistungsfähigkeit verbessern. Drei dieser Kandidaten sind die Programme »Multigem«, »NVDI 2« und »Bigscreen 2«.

Wovon viele Atari-Anwender lange Zeit nur träumen konnten, wurde unlängst Wirklichkeit: Multitasking auf dem ST und neuerdings auch auf dem TT. »Multigem«, seit Version 1.01 TT-fähig, stellt sich als Betriebssystemerweiterung dar, die auf das vorhandene Betriebssystem zurückgreift. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Multigem ist kein neues Betriebssystem. Wie der Name schon andeutet, spielt hier das GEM eine besondere Rolle. Und schon sind wir wieder bei den Atari-eigenen Kinderkrankheiten angelangt. Erst in letzter Zeit kommen zunehmend neue Programme, die sich an den GEM-Standard halten. Doch auch für andere Fälle ist Multigem gerüstet und bietet zahlreiche Funktionen, um die Lauffähigkeit zu gewährleisten. Im Extremfall arbeitet ein Programm dann im Single-Modus, als einzige aktive Applikation.

Die Installation von Multigem erledigt ein spezielles Programm für den Anwender. Danach verfügen Sie überein Multitaskingsystem mit maximal sieben Applikationen (sechs Programme und der Desktop). Gegen zu großen Speicherhunger legen Sie den maximal verfügbaren Speicher für bestimmte Programme fest. TOS-Anwendungen, die strukturbedingt nicht auf ein Fenster zurückgreifen, lenkt das zugehörige Programm »Multiwin« in ein eigenes Fenster um. Das ebenfalls im Lieferumfang enthaltene Programm »Multilis« dient zum Ansehen von Textdateien.

Damit Sie nicht jedesmal nach dem Booten noch Ihre Textverarbeitung oder ein anderes Programm starten müssen, installieren Sie diese als Autostart-Applikationen. Das Programm lädt auf Wunsch auch einen gewünschten Text automatisch. Leider läßt sich die Auflösung bei laufendem Multigem nicht einfach umschalten. Auf der Diskette findet sich aber ein Utility, das diese Aufgabe übernimmt. Multigem greift auf das AES zu und vergibt dementsprechend auch die Arbeitszeit der installierten Applikationen. Dies hat leider zur Folge, daß weitere Programme beim Aufruf einer Dialogbox stehen bleiben. Auf dem TT installiert, nutzt Multigem natürlich das schnelle TT-RAM.

Die Arbeit unter Multigem gestaltet sich mit den richtigen Programmen »Mac-like«. Zwar verfügen Sie nicht über ein dem System 7.0 adäquates System - Multigem ist eben eine Betriebssystem-Erweiterung, mit der alle Anwendungen laufen sollen - aber es kommt den wesentlichen Funktionen des Multifinder sehr nahe. Dabei sollte man allerdings bedenken, daß der Multifinder auf das Betriebssystem zurückgreift. Die häufigste Anwendung ist wahrscheinlich die Kombination aus Textverarbeitung und Grafikprogramm, Tabellenkalkulation oder Datenbank. Sie verfassen einen Text, während im Hintergrund eine Grafik, Tabelle oder Liste entsteht. Die kopieren Sie über das Clipboard von der einen in die andere Applikation. Zumindest auf dem Macintosh funktioniert das so. Leider unterstützten bisher nur wenige Atari-Anwendungen diese Funktion. Für reine Atari-Besitzer ist die konsequente Arbeitsweise mit Fenstern anfangs sicher etwas ungewohnt. Sie klicken einfach in ein Fenster und schon sind Sie in dem betreffenden Programm. Ein Mausklick auf das Desktop macht es möglich, weitere Programme oder Desktopfunktionen auszuführen. Aber nach kurzer Zeit möchte man das Multigem nicht mehr missen.

Mit »NVDI« bietet die Firma Bela Ihnen die Möglichkeit, ein völlig neues VDI in Ihren Rechner zu installieren. Dazu gibt es gleich den fehlenden Teil des Atari VDI, das GDOS.

Das neue VDI ist kompakter und wesentlich schneller als das Original. In der Version 2.0 läuft NVDI in Farbe, so daß auch TT-Anwender voll auf ihre Kosten kommen. Wie den Tabellen zu entnehmen ist, beschleunigt NVDI die BIOS und GEMDOS-Ausgabe erheblich. Wer möchte, installiert noch ein dynamisches Mausverhalten und das schon erwähnte neue GDOS.

Beim NVDI GEM-Test lief unter Multigem nur das Testprogramm, keine weitere Applikation. Wie mir einer der Programmierer mitteilte, sind die Besonderheiten an der Version 2.0 die Farbfähigkeit und die weiter gesteigerte Geschwindigkeit. Für den Anwender sind mehr die problemlose Arbeitsweise und weniger die Einzelheiten wichtig. Diese sind im sehr ausführlichen Handbuch gut erläutert. Das oft gebrauchte Argument, GEM sei zu langsam für ein Programm, ist spätestens jetzt überholt.

Übrigens: Auch wenn es nicht im Update-Handbuch vermerkt ist, müssen Sie doch unbedingt beachten, daß sich nach der Installation die Treiber-Dateien NVDIDRVx.SYS in Ihrem GEMSYS-Ordner oder, falls Sie ohne GDOS arbeiten, auf der Hauptebene befinden.

Als Nachfolger des Programmes Bigscreen gibt es nun »Bigscreen 2«, das auflösungsunabhängige Produkt für den TT und STE. Bigscreen simuliert eine Bildschirmfläche nahezu beliebiger Größe. Der Monitor zeigt dann nur einen Ausschnitt dieses Bildes. Erreicht die Maus das Randgebiet des Bildschirmes, verschiebt Bigscreen den Ausschnitt. Um dieses zu erreichen, greift das Programm ins VDI ein und täuscht diesem eine größere Arbeitsfläche vor. Das Programm muß also in den Auto-Ordner, um beim Starten des AES installiert zu sein. Über ein Accessory oder das erweiterte Kontrollfeld (XControl) des STE bzw. TT sind für jede mögliche Bildschirmauflösung Voreinstellungen zu treffen. So ist beispielsweise eine Arbeitsfläche von 640 x 1280 Pixel mit 16 Farben denkbar, die dann allerdings auch 400 KByte an Speicherplatz verschlingt. Oder Sie reservieren sich sogar einen Bildschirmbereich mit 256 Farben im TT-Low Modus. Im Kontrollfeld eingetragene Veränderungen sind dann beim Auflösungswechsel oder Systemstart wirksam. Leider verträgt sich Bigscreen 2 nicht mit NVDI 2.0. Um eine Installation zu verhindern, müssen Sie beim Booten eine der Umschalttasten drücken und die Installation unterbinden.

Wenn Sie verschiedene Programmkonstellationen nutzen möchten bzw. auf Software zurückgreifen müssen, die sich nicht an den GEM-Standard hält, dann empfiehlt sich ein Festplattentreiber, der von verschiedenen Partitionen bootet, wie z.B. »SCSl-Tool«. Doch es liegt an uns Anwendern (Käufern), nur noch auf richtige GEM-Programme zurückzugreifen. Denn leider sind einige Programme immer noch so zweifelhaft programmiert, daß man im Multitasking-Betrieb nur Bomben erntet. Es gilt also wohl manches mal abzuwägen, ob man lieber bei gewohnter Software bleibt oder zugunsten sauber programmierter Applikationen umsteigt. (wk)

GEM-TEST TT-Mid Auflösung (bezogen auf monochrom)

  TT-pur NVDI MultiGEM
Textausgabe 53% 785% 791%
Linien 62% 184% 1 76%
Rechtecke 49% 137% 135%
Polygone 73% 184% 193%
Kreise 91% 296% 308%
Attributfnkt. 110% 950% 587%
Auskunftsfnkt. 110% 723% 471%
ESCAPES 45% 51% 53%
BIOS 55% 73% 77%
GEMDOS 62% 146% 146%
AES-Objekte 79% 271% 256%
Beschleunigte Ausgabe lohnt sich bei Text und Grafik
Multitasking ist endlich auch auf ST und TT nutzbar
Deutlich schneller mit NVDI 2

Dietmar Lorenz
Aus: TOS 01 / 1992, Seite 74

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