Aktuelles aus dem Ausland

ln den letzten Jahren gab es unter den Usern der Atari Computer viel Verdruß über die Firmenführung von Atari. Aber nun wurde ungewöhnlich frei über die vergangene Entwicklung berichtet.

Dies geschah bei einer Beantwortung verschiedenster Fragen in Sachen Atari, die von Compu-serve-Benutzem an Atari geschickt werden konnten, dort gesammelt, sortiert und dann beantwortet wurden. Vielleicht auch wegen der Häufigkeit und der Art und Weise der dort angeprangerten Mißstände, gab es ein langes Statement. Viele Versäumnisse der Vergangenheit werden nun im nachhinein klarer, als Bob Brodie zu dem Vorwurf der ineffizienten Firmenstruktur und Firmenleitung Stellung nahm. Er äußerte dabei, daß es innerhalb der Usergemeinschaft Vorurteile gegenüber den Tramiels gäbe, die deren Inkompetenz zum Inhalt hätten, und der europäische Erfolg nur durch ein Managment weit von Sunnyvale entfernt entstanden sei. Dieses Vorurteil könne er nicht länger so stehen lassen.

Vor etwas mehr als vier Jahren verlor Atari die meisten der Mitglieder des technischen Stabes. Als sie Atari verließen, nahmen sie all das Wissen über die Weiterentwicklungen mit. Sie — die Konzernführung — hatten damals keine Ahnung davon, was in dieser Arbeitsgruppe überhaupt versucht wurde, welche Erfolge es gab und was nicht funktionierte. Kurz gesagt wußten sie nicht, was mit ihren Produkten dort geschehen war. Sie mußten also zuerst herausfinden, was überhaupt getan worden war und mußten sich Gedanken über die internen Strukturen machen, damit sie nie wieder in eine solch prekäre Situation kommen würden.

# Frisch aus dem Ticker:

• Nach den guten Bilanzzahlen von Apple Computer im letzten Quartal muß nun auch John Sculley (Vorsitzender von Apple) für die zweite Hälfte des laufenden Jahres niedriger Gewinne ankündigen. Der Grund dafür sei in einem »extrem aggressiven Preiskampf« trotz hoher Lieferzahlen zu suchen.

Bei Atari greifen dagegen die Maßnahmen zu Gesundschrumpfung. Im Gegensatz zu z.B. »Commodore« mit fast 178 Mio. US$ Verlust für das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres, sind die Verluste bei Atari Corp. mit 2 Mio. US$ gering.

• Atari verbessert die Falconserie ohne Preiszuschlag. Die neuproduzierten Falcon 030 werden nun mit einer internen 80 MB Festplatte ausgerüstet, • Am 3. Juni wurden von der Atari Corp. die ersten offiziellen Daten über das 64-Bit Multimedia Spiel-System »Jaguar« bekanntgegeben. Zuerst soll diese Spielkonsole in einem futuristischen Gehäuse im New Yorker Bereich begleitet von aggressiver Werbung im Herbst angeboten werden. Im Laufe des nächsten Jahres soll es dann in den ganzen Staaten erhältlich sein.

Die Konsole soll 16 Mio. Farben (24-Bit-TrueColor) darstellen und schattierte dreidimensionale Polygone in Realtime berechnen können, um damit realistische Oberflächeneffekte erzielen zu können. Der Sound wird durch einen digitalen Signalprozessor in 16-Bit CD-Qualität erzeugt, der mehrere Datenquellen gleichzeitig bearbeiten kann.

Im Gegensatz zu anderen Game-Konsolen ist der Atari Jaguar über einen 32-Bit Expansionsport erweiterbar. Geplant sind Erweiterungen zum Anschluß an Kabel- oder Telefonnetze. Wie der Falcon 030 besitzt der Jaguar auch einen DSP-Port für Modemadapter oder zum Anschluß von DAT-Recordem. Ebenfalls in dem Basisgerät ist ein CD-Lauf-werk enthalten, daß in doppelter Geschwindigkeit und mit Photo-CDs arbeiten kann. Zur Zeit werden einige Spiele neu geschrieben bzw. angepaßt und Atari will weitere Entwickler für das Jaguar-System interessieren.

• »Motorola Inc.« hat angekündigt, daß sie ab dem dritten Quartal dieses Jahres die Großproduktion des »PowerPCs MPC601« beginnen.

Dieser aus 2,8 Millionen Transitoren bestehender (10% weniger als Pentium) und 11 cm * 11 cm großer Chip soll in zwei Versionen (50 und 66 MHz) ausgeliefert werden. Sie sollen damit die gleiche Performance wie der Pentium besitzen und damit ungefähr doppelt so schnell wie die entsprechenden i486 sein.

Nur das der Preis dieser PowerPC-CPUs bei Abnahme von mehr als 20.000 Stück bei US$ 280 (50 MHz) bzw. US$ 374 (66 MHz) liegt ganz im Gegensatz zum mittlerweile inoffiziell genannten Preis des Pentium von US$ 1000. Kurz danach gab es dann folgende Meldung:

• »Apple« goes riscy 1994. Nach dem Start der Produktion der PowerPC-CPU durch Motorola, erwartet Apple Computer Inc., daß das Projekt von IBM, Motorola und Apple Anfang 1994 erste Früchte trägt und sie die ersten RlSC-basie-renden Macintoshs liefern können.

• Motorola stellt neue Bauform des DSP56K vor. Dabei handelt es sich um den »DSP56L002«, eine völlig neu überarbeitete CMOS-Version, die mit 3.3 Volt arbeitet. Zusätzlich wurde noch ein PLL-Synthesiser eingesetzt, um den Chip unabhängiger vom Systemtakt zu machen.

Da dies keine leichte Aufgabe war, wurden diese Entscheidungen trotz Notwendigkeit nicht an erster Stelle getätigt, genausowenig wie die Einstellung neuer Mitarbeiter. Außerdem wurde viel Zeit darauf verwandt, den sich wandelnden Markt zu beobachten und als Konsequenz daraus Projekte wie der »TT« mit großen Investitionen voranzutrieben.

Wie man sich vielleicht erinnert, war der TT zuerst als 68020-basierende Maschine konzipiert worden. Wie sich dann die Situation der technischen Abteilung verbesserte, geschah ähnliches mit dem Produkt.

Andere Produkte, die in der Zwischenzeit diskutiert wurden, entfielen daraufhin. Das Management traf Entscheidungen für eine vernünftige Produktion und hatte immer ein Auge auf die Bilanz. Aber als sie dann mit interessanten Technologien auf den Markt kamen, lagen die Bilanzen so im Argen, daß es nicht viel Sinn machte aggressives Marketing zu betreiben, da nach Bobs Ausführungen bei unvorsichtiger Handlungsweise dort sehr sehr viel Geld herausgeschleudert werden kann. Das soll aber nicht bedeuten, daß bei Atari keine Fehler gemacht wurden:

Viel Entwicklungsarbeit wurde in den Stylus - ein stiftbasierendes System — gesteckt, das vielversprechend aussah (und auch auf der CeBIT mit viel Tamtam gezeigt wurde). Aber als man dann auf den entsprechenden Markt sah, ließ sich so etwas einfach nicht verkaufen. Genauso erging es Firmen, die nur aufgrund solcher Geräte gegründet wurden wie z.B. »Momenta«, die in jener Zeit entstanden und wieder starben. Diese Systeme lassen sich auch jetzt nur schlecht verkaufen.

Ein anderes Beispiel war das »ST Book« — es wurde mit der Prämisse entwickelt, mit seinen Batteriereserven lange betriebsbereit zu sein. Aber der amerikanische Markt schrie nach hintergrundbeleuchteten Anzeigen, was natürlich diese Vorzüge völlig vernichtet hätte. Genauso entstand das 16-Bit »Panther Game System«, das Ataris Antwort auf »Super Nintendo« und »Sega Genesis« werden sollte. Sie stoppten dieses Projekt, als erkannt wurde, daß sie diese Entwicklungsstufe überspringen und jenseits der 16 Bit-System weitermachen mußten.

Wie Bob versichterte, wissen sie, daß sie bisher nicht allzu perfekt waren. Aber sie wollten ihre Resourcen eben für zwei sehr vielversprechende Systeme - »Falc-on 030« und »Jaguar« — zurückhalten. Diese Systeme sollen in Zukunft in aggressiverer Form vermarktet werden wozu auch die Gewinne aus den Verkäufen des Falcon unterstützend eingesetzt werden.

Auf die geringen Stückzahlen des Falcon 030 angesprochen, gab Bob zu, daß die Produktion z.Zt. auf geringem Niveau gehalten wird, bis sich die Bilanzen verbessern. Dies scheint z.Z. der allgemeine Trend in der Computerindustrie zu sein, wo z.B. auch »Compaq« ganz ähnlich vorsichtig agiert. Insgesamt gesehen, werden sie in naher Zukunft größere Stückzahlen liefern können.

James Grunke (Direktor von Atari Music), der auch diverse Fragen beantwortete, ergänzte dann noch, daß sie während des Sommers höhere Stückzahlen erwarten.

Die erste Welle der Falcons wurde ihnen auch in den Staaten regelrecht aus den Händen gerissen und eine weitere Lieferung sei unterwegs. Aus anderen Anworten der beiden war auch zu erkennen, daß der Falcon wegen seiner großen Möglichkeiten der Musikbearbeitung in den Staaten z.Zt. hauptsächlich in Musikgeschäften verkauft wird. Aber das soll sich in näherer Zukunft ändern, indem Atari verstärkt auch auf »normale« Computeranbieter zugeht.

Nach so vielen interessanten Intemas kam einem die monatliche Online-Konfe-renz regelrecht langweilig vor. Dabei ging es wieder um den Status der anstehenden Softwarepakete »SpeedoGDOS«, »MultiTOS« und »Atari Works«. Die Auslieferung des Letzteren scheitert bisher an den noch nicht angekommenen Manuals. Natürlich ging Bob noch einmal auf die Vorstellung des Jaguar tags zuvor ein und teilte seine Begeisterung für dieses Projekt mit (genaueres zum Jaguar finden sie in »Frisch aus dem Ticker«).

Leider wurde der Jaguar auf der Sommer-CES nur durch eine Video-Präsentation vorgestellt. Statt einer kostenintensiven Vorstellung mit Vorführgeräten, denkt man noch über einen dafür angemessenen Rahmen im Herbst nach, (uw)

# Ticker-Nachschlag in letzter Sekunde...

Atari bringt 500 Mio. Dollar-Vertrag mit IBM unter Dach und Fach. Sunnyvale, Calif. 28. Juni 1993

Atari Corp. gab heute ihren Vertrag mit der IBM Corp. über die Produktion des neuen Multimedia-Unterhaltungssystems Atari Jaguar in den IBM-Werken von Charlotte (North Carolina) bekannt. Dabei handelt es sich um einen mehrjährigen Vertrag dessen Volumen bei 500 Mio. US$ liegt.

Wie Sam Tramiel bei der Vertragsunterzeichnung sagte, schwimme dieses System auf der Welle der Zukunft. Weil der Jaguar so große Resourcen an audiovisuellen Möglichkeiten biete, möchten sie mit einer hervorragenden Firma zusammenarbeiten, bei der sie sicher sein können, daß ihr Produkt in der gleichen Qualität hergestellt wird, wie es entwickelt wurde. Das IBM-Werk in Charlotte hat in den letzten 15 Jahren für den konzerninternen Bedarf eine Vielzahl von Produkten wie z.B. Geldautomaten, Diagnosesysteme für Kraftfahrzeuge und verschiedenste Halbleiterplatinen auf einer Betriebsfläche von über 200.000 Quadratmeter entwickelt und produziert.

Der Atari Jaguar repräsentiert IBMs ersten Schritt in den Verbrauchermarkt für Unterhaltungselektronik. Herbert L. Watkins — Direktor von Applikation Solutions Manufacturing bei IBM Charlotte - ergänzte: »Es ist ein glücklicher Zufall mit Atari und ihrem neuen System zusammenzuarbeiten. Man erwarte von IBM immer neuere und bessere Produkte in der Informationtechnologie und mit dem Jaguar sind sie erneut in der Lage zu zeigen daß sie auch hochentwickelte Unterhaltungselektronik produzieren können«.

Zusätzlich zu der reinen Herstellung ist IBM auch für die Logistik, wie Resourcemanagement, Qualitätsprüfungen und Vertrieb zuständig. Mittlerweile bestätigte IBM diese Termine und Konditionen in einer CNN-Meldung.


Ralf Czekalla
Aus: ST-Magazin 08 / 1993, Seite 59

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