Improvisor: Die Sprache der Musik

Schwieriger Lernstoff an den Musikschulen ist das freie Spiel über vorgegebene Kadenzen. Der »Improvisor« zeigt nicht nur wie es funktioniert, er unterweist Sie auch in der »Hohen Schule der Musik«.

Mainpage: Parameter für harmonische Improvisation

Aus England gibt es nun auf dem Atari-Markt ein innovatives Programm zum Selbststudium: Der bekannte Instumental-Virtuose Paul Hodgson präsentiert zusammen mit dem Softwarehaus Creative Sounds eine neue Version des »Improvisor«, der erstmals auch in Deutschland angeboten werden wird. Das Besondere am Improvisor-Schulungskonzept ist die strikte Ausrichtung an die Midi-Technologie. Der Schüler wird hier nicht mit musiktheoretischem Ballast aus Jahrhunderten erschlagen, ob er Notenkenntnisse besitzt oder nicht, ist für den Kurs eher zweitrangig. In erster Linie schult der Improvisor nämlich Gehör und spielerische Fingerfertigkeit. Der Musiker lernt, wie die Musikgrößen zu phrasieren, findet durch die Kombination von Rhythmen, Skalen und Harmonien zu eigenen Ideen, individuellem Stil und seine persönliche musikalische Sprache.

Die Designer vergleichen das Improvisieren mit einer Fremdsprache. Am leichtesten lernen wir eine Sprache im Ausland einfach durch Zuhören. Freilich tut man sich anfangs recht schwer, Wörter, Phrasen und Grammatik zu analysieren. Also kauft man meist eine Tonbandkassette mit komplettem Kurs und lernt Schritt für Schritt.

Der große Vorteil von Midi: Das Abspielen einer Melodie ist in jeder beliebigen Geschwindigkeit möglich, ohne daß sich dabei die Tonhöhe ändert. Hört man einen Riff eines berühmten Jazz-Solisten, kristallisieren sich nach genauem Zuhören eine Struktur und eine Logik heraus. Besonders die Phrasierung zeigt sich als bemerkenswertes Sprachelement. Was beispielsweise ohne Pitchglides, gespielt in einer behäbigen Geschwindigkeit, an stereotype Fingerübungen erinnert, das glänzt im Original plötzlich mit Tonzieher und Betonungen in atemberaubender Brillanz. Diese Logik und Strukturen im Mikrochosmos in den verschiedensten Ausdrucksmöglichkeiten zu erkennen, ermöglicht der Improvisor.

Mit Mittelpunkt arbeitet die Improvisor-Band mit dem Schüler: eine moderne Begleitband, sie richtet sich nach Ihrem Midisynthesizer sowie eine Solostimme. Mit vordefiniertem Material lernt der Schüler in kleinen melodischen und rhythmischen Einheiten zu denken bzw. zu spielen. Der Improvisor ist dabei nicht im eigentlichen Sinn in der Lage, Musik zu kreieren, wie etwa Steinbergs Tango, der Schüler soll schließlich die Kunst des Improvisierens lernen und nicht der Computer.

Kleine Riffs lassen sich aus einer mitgelieferten Bibliothek mit hochkarätigen Namen einiesen. Im Laufe des Kurses erarbeitet man auch selbst eine Riff-Sammlung, die freilich nur per Midi eingespielt werden kann. Das Programm ist auch für alle anderen Solo-Instrumentalisten bzw. Komponisten und Arrangeure geeignet.

Da in der Improvisation die Harmonik eine größere Rolle spielt als allgemein angenommen, erkennt der Improvisor auch erweiterte Jazzakkorde. Obwohl sich das Tonmaterial mit der europäischen Harmonielehre weitgehend deckt, ist es nicht möglich, die aus der Improvisation entstehenden bluesig und jazzig angehauchten Melodielinien oder gar die vertikalen Klangstrukturen aus dem konventionellen Tonvorrat herzuleiten. Oft verbergen sich in einer Phrase durch Verschleierung unscharf gemachte Vorgänge, die ein viel komplexeres Klangbild zeichnen als zwölf Töne eigentlich darzustellen in der Lage sind. Der Improvisor ist für jeden kreativen Musiker sinnvoll, der mehr aus seinem Spielinstrument machen will, als tote Noten mit einem Violin-oder Klavierlehrer wie eine Maschine einzupauken. Ein Tip: Die Methode »Learning by doing« funktioniert! Freilich, der Improvisator könnte der Harmonie- und Rhythmuslehre einen breiteren Platz einräumen. Auch vermißt man viele Standardfunktionen, die seit Cubase oder Notator selbstverständlich geworden sind.

WERTUNG

Improvisor

Hersteller: Paul Hodgson

Preis: 147 Pfund

Vorteile: Schule für Improvisation per Computer, Midi, Begleitband, erweiterte Chords, General Midi Mode, Standard-Midi-Files

Einschränkungen: könnte noch kreativer arbeiten

Creative Sounds, 114 Belmont RD, ST Andrews, Bristol BS6 5AU, England


Manfred Neumayer
Aus: ST-Magazin 04 / 1993, Seite 32

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