Mega Vision 300: Visionen in Farbe

Mit der VMEbus-Grafikkarte »Mega Vision 300« präsentiert die Essener Sang Computer GmbH ein Produkt für anspruchsvolle Mega- STE- und TT-Besitzer. Eine Alternative zur Konkurrenz?

Die Mega Vision 300 zeichnet sich durch soliden Aufbau aus

Daß Atari seinen Mega STEs und dem TTs mit dem VMEbus Gutes getan hat, scheint den Entwicklern gar nicht so recht klar gewesen zu sein — zumindest die versteckte Lage der Schnittstelle scheint dies zu belegen. Eine Reihe bemerkenswerter Grafikkarten für den VMEbus an Mega STE und TT demonstriert jedoch immer aufs neue die Leistungsfähigkeit des Konzepts.

Die Mega Vision 300 der Sang Computersysteme GmbH aus Essen ist eine solche VMEbus-Karte. Sie ist eine Weiterentwicklung der Mega Vision 03, die nur mit angepaßter oder speziell für die Karte geschriebener Software zusammenarbeitete und vor allem für Industrieapplikationen eingesetzt wurde (und noch wird). Die Mega Vision 300 sollte sich im Unterschied zur MV03 durch ein flexibles Konzept auszeichnen (freie Wahl von Auflösung, Farbanzahl bis True Color und freie Wahl der Bildwiederholungsfrequenzen) und sich dadurch für DTP- und CAD-Anwendungen gleichermaßen gut eignen wie für EBV, Textverarbeitung und sogar für Videobearbeitung über Genlock-Funktionen.

Grafikcontroller

Um die hochgesteckten Ziele zu erreichen, war den Entwicklern weder der beliebte Videocontroller ET 4000 von Tseng Lab gut genug, noch reichten ihnen gewöhnliche dynamische RAMs: Auf der Karte werkelt der Grafikcontroller INMOS TMSG300G zusammen mit sehr schnellen Video-RAMs. Der INMOS G300, (daher auch das 300 im Namen der Karte), arbeitet je nach Leistungsfähigkeit bzw. Größe des Monitors mit einer max. Pixeltaktfrequenz von 110 MHz (!) und 1 MByte Video-RAM. Also besteht die Karte aus drei wesentlichen Funktionsblöcken: einem VMEbus-Interface, dem Video-RAM und dem G300-Grafikcontroller-Baustein. Die einzelnen Blöcke sind untereinander durch einen 22 Bit breiten gemultiplexten Adreß- und Datenbus und einen 32 Bit breiten Videodatenbus verbunden.

Die Installation der MV300 ist denkbar einfach: Die Leiste mit den 9poligen »Serial 2«-D-Sub-Buchsen wird entfernt, die Karte an den Bus gesteckt. Wer eine VME-Extensionbox besitzt, konfiguriert die MV300 über zwei Drehdecodierschalter, so daß sie nicht mit anderer VMEbus-Hardware kollidiert. Die MV300 läßt sich praktisch an jeden RGB-Analogmonitor anpassen. Außerdem eignet sie sich auch für Fernseher und Videorecorder mit SCART-Anschluß bzw RGB/PAL-Wandler. Nicht geeignet sind lediglich TTL- bzw. ECL-Monitore (z. B. Atari TTM 194).

Damit das Betriebssystem feststellen kann, daß der Bildspeicher mit dem Anschluß der Grafikkarte an anderer Stelle als gewohnt zu finden ist und überdies noch eine andere Größe hat, wird ein Treiber benötigt. Die MV300 löst das Problem über einen eigene GDOS-Treiber und eigenes XBIOS im Autoordner sowie den Device-01-Treiber VDI300.SYS im GEMSYS-Ordner (genaue System-Umgebung s. Abb.).

Bei den ersten Versionen der Treibersoftware war die Installation besonders für Unkundige noch ziemlich mühsam, denn es war nötig, die physikalische Reihenfolge der Autoordner-Programme zu beachten und der AS-SIGN.SYS manuell den Device-01-Treiber einzufügen. Mittlerweile erledigt eine Installationsroutine alle erforderlichen Änderungen im AUTO- und GEMSYS-Ordner sowie im Root. Nach dem Neustart ist die Karte einsatzbereit.

Unerschöpfliche Farbpalette über das Accessory

Da sich die unterschiedlichsten Monitore an die MV300 anschließen lassen, liefert Sang außerdem ein Setup-Programm mit, mit dem sich der Bildschirm entsprechend anpassen läßt. Das Setup lädt Anpassungen für max. drei verschiedene Standardauflösungen, die nach dem Systemstart direkt bzw. über entsprechende Software zur Verfügung stehen. Die wiederum unterteilen sich in vier verschiedene Darstellungsmöglichkeiten: die Bootauflösung (2/4/16/ 256 Farben, die standardmäßig beim Systemstart verwendet werden), die Monochrom-Emulation, die bei einer Auflösung von 640 x 400 Punkten auf das ATARI-ROM-VDI umschaltet (ST-HIGH-Modus), damit auch die meisten unsauber geschriebenen Programme ihren Dienst versehen, die CLUT-Applikation (Color Lock Up Table) und last not least die True-Color-Applikation (16,7 Millionen Farben), die z. Zt. nur über entsprechende Programme genutzt werden kann.

Im Setup lassen sich außerdem Auflösungen verändern oder neu konfigurieren. Möglich ist z. B. der Interlaced-Modus (das sog. Zeilensprungverfahren), Windowing (virtuelle Auflösungen, Scrollen etc.), Umschaltung von CCIR/PAL-Norm nach EIA/NTSC-Norm und auch umgekehrt, SLAVE-Betriebsart — für einen extern angeschlossenen Genlock-Adapter (den es gegen 100 Mark Aufpreis bei Sang gibt), Einstellen der Bildsynchronisationssignale (SYNC auf RGB, Syncs getrennt, H/CSync positiv/VSync positiv, VSync-Trabanten), Einstellen des Pixeltaktes von 5 bis 112 MHz (im True-Color-Modus bei max. 640 x 400 Bildpunkten sind es 28 MHz Pixeltakt).

Das Handbuch weist bereits eindringlich darauf hin, in die Setup-Software soll ebenfalls eine entsprechende Warnung eingebaut werden: Wer seinem Monitor beim Konfigurieren eine zu hohe Pixeltaktfrequenz zumutet, riskiert, daß sein Gerät unter Rauchzeichen den Geist aufgibt. Hier gilt dasselbe wie für Hobbyelektriker: Wer nicht weiß, was er tut, läßt ganz einfach die Finger davon. Außerdem enthält die Software mittlerweile fertige Anpassungen für über 40 Monitore.

... die laufen nicht

Diese Programme laufen mit der Mega Vision 300,..

Als Ersatz für das CPX-Farbkontrollfeld liefert Sang ein eigenes Accessory, mit dem sich die Farbpalette nach Belieben verändern läßt (2/4/16 oder 256 Farben aus 16,7 Millionen Farbtönen). Ein TIFF-Viewer zeigt TIFFs im True-Color-Modus.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der Treibersoftware (die ersten Versionen bremsten die Hardware entsetzlich aus) mausert sich die Mega Vision 300 zu einer leistungsstarken VMEbus-Grafikkarte. Über die eigene Kunden-Mailbox verbreitet Sang regelmäßig Treiber-Updates. Auf dem Mega STE arbeitet die MV300 in Farbe noch etwas träge, auf dem TT ist die Geschwindigkeit passabel. Der Monochrombetrieb unter NVDI wurde bereits optimiert. An einem optimierten 256-Farben- sowie einem schnellen True-Color-Treiber wird z. Zt. noch gearbeitet. Derzeit lassen sich in True Color nur speziell an die MV300 angepaßte Applikationen starten.

Wer auf diese Features angewiesen ist, sollte noch etwas warten bzw. sich direkt an Sang wenden und nach dem Stand der Entwicklung fragen. Trotz solcher temporären Einschränkungen können wir die Karte mittlerweile ohne schlechtes Gewissen empfehlen: Hohe Kompatibilität (s. Liste), akzeptable Geschwindigkeit und eine rege Kundenbetreuung sind Argumente für die Mega Vision 300. (hu)

Auflösung Farben Wiederholfrequenz
640*400 16777216 80 Hz (non-interlaced)
640*400 2.4. 16.256 bis über 100 Hz (ni)
800*608 2.4. 16.256 bis über 100 Hz (ni)
1024*786 2.4. 16.256 bis über 100 Hz (ni)
1184*880 2.4. 16.256 bis max. 80 Hz (ni)
1280*800 2.4. 16,256 bis max. 80 Hz (ni)
1280*960 2.4. 16 bis max. 71 Hz (ni)
1280*1024 2,4, 16 bis max. 67 Hz (ni)
768*512 2.4, 16.256 50 Hz interlaced

MV300-Auflösungen

WERTUNG

Mega Vision 300

Hersteller: Sang Computersysteme GmbH
Preis: 1198 Mark
Genlock-Adapter: 100 Mark

Stärken: Solide Hardware, Support über Mailbox und Telefon-Hotline, Pixeltakt und Grafikauflösung frei programmierbar, VME-Adresse einstellbar, problemloser Anschluß an fast alle Monitore, Treiberinstallation automatisch, flexibler Setup

Schwächen: Bildschirmdarstellung derzeit teilweise noch zu langsam, NVDI derzeit nur in Mono, 1 MByte VRAM on Board speziell für True Color zu wenig

Fazit: Gute Ansätze, wegen allzuviel unfertiger Produktteile derzeit aber noch nicht uneingeschränkt zu empfehlen

Sang Computersysteme GmbH, Kruppstr. 82 (ETEC), 4300 Essen

  TT/MV300 *
800 x 608
256 Farben
TT/MV300*
640 x 480
256 Farben
Atari TT*
Low Res.***
256 Farben
CPU Memory 69 % 69 % 70 %
CPU Register 100 % 100 % 100 %
CPU Divide 99 % 99 % 99 %
CPU Shifts 100 % 100 % 100 %
TOS Text 15 % 15 % 23 %
TOS String 23 % 21 % 30 %
TOS Sero11 2 % 4 % 18 %
GEM Dialog 89 % 89 % 60 %
TT/MV300 *
640 x 400
Monochrom
Atari TT*
640 x 400
Monochrom
Atari ST/SST**
640 x 400
Monochrom
CPU Memory 69 % 70 % 120 %
CPU Register 100 % 100 % 102 %
CPU Divide 99 % 99 % 103 %
CPU Shifts 100 % 100 % 104 %
TOS Text 105 % 94 % 80 %
TOS String 103 % 99 % 67 %
TOS Scroll 53 % 83 % 43 %
GEM Dialog 88 % 97 % 75 %

Gemessen mit Quick Index 2.2 (Einstellung auf 648 x 400 TT Mono)

*Atari TT, TOS 3.06/ GER, 4 MByte ST-RAM, 4 MByte Fast-RAM
**Atari ST, TOS 2.06/GER, 4 MByte ST-RAM, 8 MByte Fast-RAM SST-Board mit 68030 und 68882 bei 33 MHz im Mega ST
*** Atari TT Low Resolution: 320 x 200 bei 256 Farben

Wichtig: CPU Memory erreicht bei den Messungen auf dem TT nur ca. 70 % da die VME Bus-Grafikkarte MV300 ca. 30 % Rechenleistung schluckt.

Geschwindigkeitsvergleiche sagen viel und wenig: Es kommt stets auf die Maßumgebung an


Guido Stumpe
Aus: ST-Magazin 12 / 1992, Seite 16

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