Legend: Nur noch diesen Raum!

... waren die letzten Worte eines Rollenspielers, bevor er verhungerte. Mit »Legend« können auch Sie Diät machen...

Warum gleichen sich alle Rollenspiele? Liegt es daran, daß der typische Rollenspieler zuviel Tolkien gelesen hat und nur noch Spiele kauft, in denen es so richtig von Zauberern, Dungeons und Runen wimmelt? Oder haben die Autoren zuviel Tolkien gelesen und füttern ihr Publikum immer wieder mit demselben Ideenfundus?

Auch Legend nährt sich aus dem Fantasy-Fundus der »Herr der Ringe«-Trilogie: Ein Ungeheuer, so alt wie die Welt, bewegt sich im Schlaf. Seine bösen Träume verwandeln die Völker des Alten Reiches in böse Kreaturen, die das Land plündernd mit Chaos überziehen. Vier Männer in vier Türmen widerstehen der Finsternis, doch sie brauchen Hilfe — womit wir beim Standard-Rollenspielstrickmuster wären und der obligatorischen Heldenparty. Diesmal besteht sie nicht aus Troll, Zwerg und Zauberer, sondern aus Berserker, Runenmeister, Troubadour und Mörder (!).

Es war einmal...

Der Weg der Helden führt durch eine Fantasy-Landschaft und düstere Dungeons, die sich nicht etwa in 3D, sondern in einer perspektivischen Draufsicht präsentieren (isometrisch). Damit sich die Party nicht verläuft, werden erkundete Höhlenräume gleich kartographiert. Eine Reihe von Befehls-Icons (mausgesteuert) führt das Quartett durch die Landschaft. Monster werden in bewährter Manier in einem Kampfszenario niedergeknüppelt, bei härteren Brocken hilft natürlich Zauberei. Bei fast jedem siegreichen Gefecht bleiben Gegenstände liegen, die die Party nutzt oder wieder verkauft.

Bevor der Magier seine kraftvollen Sprüche loslassen kann, muß er sie erst aus Zutaten zusammenbrauen. Dazu ordnet er den gewünschten Spruch einer magischen Rune zu. Das erfordert im Gefecht schon einige Erfahrung, sonst ist die Party Kleinholz, bevor der Magier sein Sprüchlein auch nur halb fertig hat. Natürlich besitzt der Rollenspieler zu Spielbeginn nur wenige Runen, er muß sie an besonderen Schreinen durch Beschwörung ergänzen.

Sie sehen schon, ein Meilenstein des Rollenspielens wird aus Legend nicht. Dazu tauchen zu wenig neue Ideen und zu wenig Neuerungen auf —- weder in der Story, noch bei der Steuerung der Helden in Marsch und Kampf. Trotzdem ist das Spiel liebevoll gestaltet und solide programmiert. Die Karten sind detailverliebt gezeichnet und die Kampfszenen spannend. Bemerkenswert auch das viersprachige aufwendige Handbuch auf Hochglanzpapier und mit farbigen Screenshots. Daß der Sound keine weitere Erwähnung verdient, gehört schon fast zum Genre.

Obwohl der Schwierigkeitsgrad ziemlich hoch liegt, bietet Legend für fortgeschrittene Rollenspiel-Fans langanhaltende Motivation und Unterhaltung. Vor zwei bis drei Jahren hätten wir uns wahrscheinlich gekringelt vor Begeisterung. Doch die Ansprüche sind gestiegen, dazu gibt es mittlerweile einfach zuviel Konkurrenz nach vergleichbarem Strickmuster. Fortgeschrittene Rollenspieler sind verwöhnt, wir nehmen uns da nicht aus. Trotzdem ist Legend überdurchschnittlich: Hat man sich erst einmal eingespielt, fallt das Aufhören schwer... (hu)

Der Herr der Runen hilft weiter
Zauberei hilft immer
Heldenparty

WERTUNG

Legend

TT ▢ STE ▣ ST ▣

Hersteller: Mindscape
Preis: ca. 100 Mark
Mono: nein
Genre: Rollenspiel

Grafik: 5 von 6
Sound: 2 von 6
Motivation: 5 von 6

Leisuresoft, Robert-Bosch-Str. 1,4703 Bönen


Carsten Borgmeier
Aus: ST-Magazin 09 / 1992, Seite 128

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