Interview mit Sam Tramiel und Alwin Stumpf: Keine Chance für Low-Cost-TT?

Atari will sich auf dem amerikanischen Markt etablieren. Dabei ist die Comdex als Plattform für die neuerliche Marktoffensive vorgesehen. Das jedenfalls bestätigten in einem, anläßlich der Atari-Messe in Düsseldorf geführten Gespräch mit dem ST Magazin, Atari-Chef Sam Tramiel und der Geschäftsführer der deutschen Dependance, Alwin Stumpf.

ST Magazin:
Hatten Sie schon Gelegenheit zu einem Messerundgang? Haben Sie interessante Entwicklungen rund um den ST entdeckt?

Sam Tramiel:
Wir haben den TT und einen neuen Laserdrucker...

ST Magazin:
Und neue Produkte anderer Hersteller?

Sam Tramiel:
Ich wünsche mir mehr Zeit für einen Rundgang. Bisher habe ich noch nicht viel gesehen.

ST-Magazin:
Wir haben Sie längere Zeit am Stand von Paragraph beobachten können. Ist eine Zusammenarbeit geplant, sehen Sie in der Sowjetunion einen interessanten Markt?

Sam Tramiel:
Es gibt Pläne...

Alwin Stumpf:
Nicht nur Pläne, wir arbeiten schon jetzt konkret zusammen.

ST Magazin:
Wie sieht das im einzelnen aus?

Sam Tramiel:
Es ist einiges in Bewegung. Dort gibt es einen riesigen Markt. Vorerst verkaufen wir den Sowjets unsere Computer, vom Videospiel bis zur Transputerworkstation. Im Gegenzug kaufen wir Software, genauer gesagt Videospielprogramme und wollen dort in Zukunft auch Projekte entwickeln lassen.

ST Magazin:
Sprechen wir über den TT. Was hat sich in den letzten Tagen getan?

Sam Tramiel:
Die Sensation der Messe ist in der Tat, daß der TT ausgeliefert wird ...

Alwin Stumpf:
Die Rechner sind ab sofort im Handel erhältlich.

ST Magazin:
Lange Zeit war unklar, welche Leistungsmerkmale das Gerät hat.

Sam Tramiel:
Es ist eine 32-MHz-Maschine. 16 MHz waren ja auch mal im Gespräch. Aber die gegenwärtige technologieund Preisentwicklung hat uns in die Lage versetzt, von vornherein einen 32-MHz-Rechner zu entwickeln. Außerdem haben wir ein neues Desktop integriert.

ST Magazin:
Mit welchen Speicherkapazitäten werden die Geräte ausgeliefert?

Sam Tramiel:
Der Basisrechner besitzt 2 MByte Speicher. Es wird ihn aber auch mit 4, 6 und 8 MByte geben ...

Alwin Stumpf:
Der kleinste TT mit 2 MByte wird auf dem deutschen Markt nicht zu haben sein. Mit einer Minimalkonfiguration von 4 MByte kommen wir den Anforderungen der Anwender entgegen.

ST Magazin:
Sehen Sie das auch in Zukunft so?

Alwin Stumpf:
Es macht auf dem Markt zur Zeit den meisten Sinn. Wir wollen ein Gerät mit adäquaten Fähigkeiten liefern. Später wird es vielleicht einen Low-Cost TT geben.

ST Magazin:
Viele Programmierer und Anwender in Europa haben die TT Produktlinie lange und geduldig erwartet. Sie scheint gerade für den deutschen Markt maßgeschneidert zu sein. Würden Sie uns zustimmen, daß aufsehenerregende Programme für den TT - wie wir es ja in letzter Zeit auch beim ST sehen konnten - in Zukunft vermehrt aus Europa kommen werden.

Sam Tramiel:
Ich denke, das ist tatsächlich so. Gerade jetzt versuchen wir noch einmal auf dem amerikanischen Markt mit guten Programmen aus Europa durchzustarten. Die nächste Comdex im November ist dafür eine ausgezeichnete Plattform. Die tollen Software-Lösungen aus Deutschland, wie Signum, Tempus und Calamus werden dabeisein. Das kann ich jetzt schon versprechen.

ST Magazin:
Sie haben den Laser erwähnt ...

Sam Tramiel:
Er ist mit 6 Seiten/min etwas langsamer als der große Laser. Er wird aber in der Preisklasse unter 2000 DM liegen und vorwiegend Anwender interessieren, die vor den bisherigen Laserpreisen noch zurückgeschreckt sind.

ST Magazin:
Ist der kleine Laser ein Gerät, das im Handel erhältlich ist?

Sam Tramiel:
Nein, kaufen kann man ihn noch nicht...

Alwin Stumpf:
In vier bis sechs Wochen wird er ausgeliefert. Die Typenbezeichnung SLM 605 kann man sich also schon einmal merken.

ST Magazin:
In Deutschland waren in letzter Zeit recht unterschiedliche Meldungen über Atari zu lesen. Einerseits wurden Expansionsabsichten vermutet, andererseits wurde über Insolvenzen spekuliert. Sind das Gerüchte, oder gibt es einen ernsten Hintergrund?

Sam Tramiel:
Expandieren? - Ich weiß gar nicht, wo so eine Meldung herkommt?

ST Magazin:
Es ging dabei um Personaleinstellungen.

Sam Tramiel:
Einstellungen gibt es tatsächlich. Sie betreffen lediglich unsere Niederlassung in Dallas. Silicon-City ist das teuerste Pflaster, das man sich vorstellen kann. Wir werden dort wohl erst mal etwas kürzer treten. Wie es finanziell bei Atari aussieht ... Also, zugrunde liegt ein ganz normaler Rhythmus, in dem wir unsere Geschäfte abwickeln. Sehen Sie, es gibt Zeiten, da haben wir hohe Warenbestände und wenig flüssige Mittel. Im Augenblick ist zwar noch Spätsommer, aber wir planen schon für die Vorweihnachtszeit. Wenn Sie mich heute fragen, wie geht es Euch, sage ich, wir haben einen hohen Warenbestand ...

ST Magazin:
Mit dem Lynx stellen Sie hier in Düsseldorf eine Spielekonsole vor. Was versprechen Sie sich davon? Gibt es eine verstärkte Nachfrage nach solchen Geräten?

Sam Tramiel:
Die Nachfrage ist durchaus da. Wir jedenfalls sind ganz begeistert vom Lynx. Er ist prinzipiell für jeden interessant. Ganz gleich, ob er schon einen Computer besitzt oder nicht. Ich glaube auch nicht, daß sich Produkte wie der TT auf der einen und der Lynx auf der anderen Seite widersprechen.

ST Magazin:
Sam Tramiel, wagen Sie für uns einen Blick in die Zukunft der Atari-Messe?

Sam Tramiel:
Erstmal die Vergangenheit. Die Messe ist für uns immer interessant gewesen, und wir haben immer etwas Neues vorgestellt. In Zukunft soll das auch so bleiben. Ich kann jetzt schon garantieren, daß wir auch im nächsten Jahr mit einer oder mehreren Neuigkeiten hier antreten. Sie haben mein Wort, andernfalls bleibe ich zu Hause.

ST Magazin:
Ihre Äußerungen lassen auf konkrete Pläne schließen. Ganz spekulativ gefragt: Ist die Attraktion der Atari-Messe '91 ein erweiterter Rechner der Mega-Reihe, so etwas wie ein Mega STE?

Sam Tramiel:
Ein Mega STE? Was soll das sein? Ich wüßte nicht, zu was solch eine Maschine gut sein soll.

ST Magazin:
Der Rechner könnte schneller als herkömmliche Megas sein. Der Aspekt Farbdarstellung wird für viele Anwender immer wichtiger...

Alwin Stumpf:
Vielleicht ist das eine gute Idee für die Zukunft. Im Augenblick allerdings noch kein Thema.

ST Magazin: Vielen Dank für das Gespräch. (em/uw)



Aus: ST-Magazin 10 / 1990, Seite 18

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