Deluxe/Term — Datensauger der Extraklasse

1990 muß ein Terminalprogramm, das sich gegen ausgereifte Konkurrenz durchsetzen will, schon mit wirklich neuen und ausgefallenen Ideen aufwarten. Den Autoren von »Deluxe/Term« ist dies unserer Meinung nach gelungen.

Nach dem Programmstart empfangt den Anwender zunächst einmal ein aufwendiges Einschaltbild (Bild 1), was nicht immer als gutes Omen zu werten ist, zumal viele Programmierer offensichtlich mehr Wert auf das Styling des Einschaltbildes als die Funktionalität des Programms legen. Dieses liest hier wesentliche Einstellungen gleich beim Start aus seinen Installationsdateien. Die anschließende Installation dauert mit annähernd 10 s wesentlich länger als bei vergleichbaren Programmen.

Das Einstiegs-Bild läßt ahnen, was in diesem Programm alles steckt

Treten dabei Fehler auf, erscheinen recht nichtssagende Fehlermeldungen (»Datei nicht gefunden«), die schleunigst konkretisiert werden sollten. Ein echtes Plus ist jedoch der eingebaute Linkvirenschutz. Das Programm kennt seine eigene Länge und prüft diese sofort beim Start nach. Dadurch erkennt es sowohl Modifikationen am Code (beispielsweise durch Raubkopierer) als auch Virenbefall.

Das System läßt sich durch ein Paßwort schützen, so daß auch an die professionelle Verwendung des Terminals gedacht werden kann. So abwegig ist dieser Gedanke nicht; immerhin ist ein »dummes« Terminal von Hewlett-Packard beispielsweise um ein Vielfaches teurer als der »Breitwandcomputer« ST.

Neben den üblichen Einstellungen der RS232-Schnitt-stelle bietet »Deluxe/Term« eine 1200/75 Baud-Unterstützung. Die Bezeichnung »Baud« stammt aus Urzeiten der Datenfernübertragung, nämlich vom Morsen und bedeutet sinngemäß Bits pro Sekunde. Die exotische Übertragungsrate 1200/75 fand in der Mitte der 80er Jahre große Verbreitung durch die Akustikkoppler der »Dataphon«-Serie. Diese waren technisch nicht in der Lage, sowohl Sender als auch Empfänger 1200 Baud zur Verfügung zu stellen. Da in der Regel aber der Angerufene wesentlich mehr sendet als der Anrufende, war es sinnvoll, mit einfacher Technik dem Angerufenen dadurch höhere Übertragungsraten zu schaffen, daß man die des Anrufenden drastisch beschnitt. Kein DFÜ-Programm konnte bisher diese »Oldtimer« im Baudratensplitting korrekt ansteuern. »Deluxe/Term« erlaubt dies und zeigt damit deutlich seine deutsche Herkunft, waren in nahezu allen anderen Ländern doch längst Modems zugelassen, die durch direkte Leitungsinduktion wesentlich höhere Übertragungsraten zum gleichen Preis erzielten.

Diesem Umstand verdankt das Programm auch seine umfangreiche deutschsprachige Anleitung sowie die ständige Hotline über eine inländische Mailbox. So kann der Käufer bei Fragen direkt mit den Entwicklern in Kontakt treten. Die Anleitung ist nicht nur übersichtlich gegliedert und gut verständlich, sie enthält darüber hinaus einen Anhang, der alle Kommandos zusammenfaßt, einen Überblick über die VT-52 und VT-100 gibt und sogar über die Anschlußbelegung der Modem-Kabel Auskunft gibt. Die Menüs selbst sind etwas holprig programmiert. Klickt man nämlich zu schnell einen Eintrag nach dem anderen an, wird die zweite Wahl unter Umständen ignoriert. Auch lassen sich zwar die wichtigsten Menüpunkte per Tastatur erreichen, doch leider sind die »Shortcuts« nicht in den Menüs ersichtlich und müssen separat angefordert werden. Eine Abrundung gerade in diesem Punkt wäre dem Programm zu wünschen, denn speziell Terminalprogramme können ohne Tastatur nicht leben, und der Griff zur Maus stört auf die Dauer den erfahrenen Benutzer. Eine originelle Idee ist deshalb der Schritt weg von der Tastatur hin zur Maus, den das Programm zu verwirklichen sucht. Während die meisten Programme nämlich versuchen, die Tastatur optimal zu integrieren, versucht »Delu-xe/Term«, die Maus intensiver zu nutzen. Die meisten Mailboxsysteme lassen sich nämlich durch Tastaturkürzel (»PAR«, »LP«, »DO«) oder Zahleneingaben steuern, die sie in entsprechenden Menüs anzeigen. »Deluxe/Term« erlaubt es Ihnen, die Boxen-Menüs einfach anzuklicken, woraufhin es das Wort unter dem Mauspfeil an den verbundenen Host sendet. So sind sehr viele E-Mail-Systeme durch diesen einfachen Trick nahezu komplett mit der Maus zu bedienen, lediglich zum Schreiben von Nachrichten benötigen Sie die Tastatur noch.

Trotz der guten Mausunterstützung sollten Sie mit »Deluxe/Term« kein vollwertiges GEM-Programm erwarten. Das Programm läuft nicht auf Großbildschirmen, auf dem TT sowieso nicht. Accessories erreichen Sie unnötig kompliziert über einen Umweg durch einen Eintrag in der Menüzeile. Dieser Umweg ist bei einigen Programmen verständlich, beispielsweise bei Assemblern oder Debuggern, die nach Möglichkeit ohne AES und VDI auskommen sollen. Ein Terminalprogramm sollte jedoch in der Lage sein, Bildschirminhalte nach Erhalt entsprechender Rechtecklisten zu korrigieren und Accessories voll zu unterstützen. Ebenso sollten die Dialogboxen nach Möglichkeit der GEM-Kon-vention genügen, doch leider ist dem nicht so.

Etwas kompliziert gestaltet sich die Eingabe von Pfaden für Zugriffe auf Daten für »Deluxe/Term«. Anstelle einer praktischen Fileselector-Box heißt es Tippen, und zwar nicht zu knapp, denn bei jeder der vielen Pfadeingaben muß der komplette Suchpfad eingegeben werden. Recht unpraktisch ist auch die Eingabe und das Ändern des Nummernspeichers: Zur Eingabe hilft Ihnen eine eigene Dialogbox, beim Ändern oder Löschen müssen Sie einen externen Editor bemühen. Hier hätte man sich ein Beispiel an »Flash!« oder »Interlink« nehmen sollen.

Dafür wurden aber andere Features realisiert, die den beiden oben genannten Programmen fehlen. Beispielsweise hat man endlich eine komplette Z-Modem-Routine implementiert, die auch akzeptable Geschwindigkeiten erreicht. Die erste Atari-Implementation der MS-DOS-Sourcen für das Z-Modem-Übertragungsprotokoll verschenkte die großen Chancen, die dieses Übertragungsformat bietet, und degradierte sie zu Y-Modem-Routinen. Damit räumt »Deluxe/Term« nun auf. Es ist das erste Terminalprogramm für den ST, das nicht auf externe Z-Modem-Programme zugreifen muß, sondern über eigene Routinen verfügt. Die Routine reagiert auf Fehler oder Benutzerabbrüche zwar noch recht eigenartig (manchmal werden sie einfach ignoriert, manchmal tritt sekundenlange Funkstille ein), aber diese Randerscheinungen dürften bald beseitigt sein.

Neben dem üblichen »ASCII-Senden« beherrscht das Programm auch das Senden von 1st-Word-Texten, was zwar sicher selten verwendet wird, aber für Liebhaber dieses Klassikers eine nette Zugabe ist. Sehr praktisch ist auch der Menüpunkt »Abwurfsperre«. Wenn ein Host eine gewisse Zeit lang nichts vom anrufenden Rechner hört, warnt er in der Regel ein paarmal und legt dann auf (Timeout). Will man dies nicht, hilft hier die »Abwurfsperre«, die alle paar Sekunden ein von Ihnen gewähltes Zeichen sendet. So bleibt den Experten unter uns das Befestigen der »Space«-Taste mit Klebestreifen erspart.

Die Anpassung von Zeichensätzen ist, mit der im Menü »Einstellen« verborgenen »Zeichensatzkonvertierungstabelle«, kein Problem

Der »Online-Zähler« erkennt automatisch, wann eine Verbindung zu einem anderen Rechner besteht und kann nach eigenen Tabellen daraus die entstandenen Telefongebühren errechnen. Diese zeigt das Programm jederzeit an, so daß Sie bei der Rekonstruktion der Telefonrechnung handfeste Daten vorweisen können.

Als besonderes Feature weist »Deluxe/Term« ein Btx-Emulationsprogramm vor, das den Einstieg in die Btx-Rechner der Post erleichtern soll. Das Programm ist aber, wie die Entwickler selbst schreiben, nach dem »Trial &Error«-Verfahren entwickelt worden, weil die Post-Dokumentation falsch oder lückenhaft ist. Deshalb ist dieser Programmteil eher mit Vorsicht zu genießen und für die ernsthafte Anwendung auf »Expertenprogramme« wie den »Btx-Manager« von Drews zu verweisen. Last but not least verfügt »Deluxe/Term« über eine »Logon«-Sprache. In dieser Basic-ähnlichen Programmiersprache schreiben Sie kleine Programme, die dann von »Deluxe/Term« abgearbeitet werden und somit wesentliche Teile Ihrer Datenfernübertragung automatisieren. Die Dateien können Sie auch aus anderen Programmen durch Parameterübeiga-be an das Hauptprogramm mittels einer Kommandozeile abarbeiten lassen. Die Kommandosprache orientiert sich weitgehend an Basic, was sich beispielsweise durch vollständige englische Codewörter ausdrückt. Doch leider bleibt die Kommandosprache weit hinter dem USA-Import »Flash!« zurück, deren Qualität »Flash!« schon beinahe mehr zu einer Programmiersprache als zu einem Termi-nalprogramm gemacht hat. Hier erreicht man die Qualität des Vorbilds bei weitem nicht, für den Einsteiger sind die Kommandos von »Deluxe/Term« jedoch wesentlich einfacher zu bedienen, (mb)

Wertung

Stärken: □ Z-Modem-Integration □ Mausbedienung der Mailbox-Menüs □ gutes Handbuch □ Linkvirenschutz □ Gebührenzähler □ Abwurfsperre

Schwächen: □ kein »echtes« GEM-Programm □ Kommandosprache etwas spärlich □ eigenwillige Menüführung

Fazit: Es ist ein vollwertiges Terminalprogramm, das eine Reihe wirklich neuer Ideen verwirklicht

HLB Computer GmbH, Äußere Bayreuther Str. 59, 8500 Nürnberg 20


Laurenz Prüßner
Aus: ST-Magazin 08 / 1990, Seite 29

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