Ob »That's Write« hält, was »Star Writer« versprach
Da legt der Kenner grübelnd den Kopf zur Seite und sagt sich »Hatten wir doch schon mal«. In der Tat ist »That's Write« konzeptionell mit dem ehemals groß angepriesenen »Star Writer ST« fast identisch. Dieser konnte jedoch die geweckten Erwartungen nie so recht erfüllen, da er sozusagen als »Gamma-Version« verkauft wurde und seine Benutzer mit vielen Programmfehlern ärgerte. Die Programmierer gaben sich mit dem Stand der Dinge aber nicht zufrieden und entwickelten unter eigener Regie weiter.
Nach einer umfangreichen Installationsprozedur präsentiert sich That's Write in einer GEM-Oberfläche. Die zwei verwendeten Fenster besitzen allerdings keine Rollbalken oder Vergrößerungsknöpfe. Dafür paßt entsprechend mehr Text auf den Bildschirm.
Bei einem Blick in die Menüs fallen zuerst die bis zu 20 verschiedenen Schriftarten auf, die gleichzeitig in einem Text verwendet werden dürfen. Obwohl einige dieser Fonts scheinbar unproportional sind, z.B. Pica oder Elite, arbeitet das Programm intern grundsätzlich mit verschiedenen Buchstabenbreiten. Auf diese Weise erfolgt die Darstellung von Proportionalschrift im Blocksatz mit echtem Mikrospacing bereits am Bildschirm. Die verschiedenen Fonts lassen sich sogar beliebig miteinander kombinieren. Sieben frei verwendbare Schriftattribute, u.a. auch doppelt unterstrichen oder durchgestrichen, sorgen für individuelle Gestaltungsfreiheit.
Um Absätze zu formatieren, haben sich die Programmierer etwas Besonderes einfallen lassen. Spezielle Layouts legen die Absatzform und -breite, eventuelle Einzüge, die Schriftart sowie den gewünschten Zeilen- und Absatzabstand fest. Nimmt man ßnderungen an einem Layout vor, so wirken sich diese auf alle Absätze aus, für die das Layout gilt. Dies eröffnet ungeahnte Perspektiven für die Textnachbearbeitung.
Dasselbe Prinzip finden wir beim Seitenformat wieder. Auch hier verwendet That's Write Layouts zum Einstellen von Rändern, Kopf- und Fußzeilen, Spaltenanzahl und einigen anderen Attributen. Da in einem Text mehrere Seitenlayouts vorhanden sein dürfen, lassen sich z.B. als Kopfzeile definierte ßberschriften leicht ändern.
Die sog. »Schusterjungen« und »Hurenkinder« bekommen Sie durch eine Umbruchsperre in den Griff. Darüber hinaus wacht eine einstellbare Automatik über die minimale Zeilenanzahl am Absatzanfang und -ende. Diese Funktionen arbeiten auch beim Umbruch von Textspalten, die leider nur untereinander dargestellt werden.
Derart umfangreiche Formatierungsfunktionen haben natürlich ihren Preis. Und den bezahlt That's Write in Form von Zeit. Während die Bearbeitung von Absätzen noch verhältnismäßig flott vonstatten geht, dauert es bei längeren Textabschnitten sehr lange (ca. 2 s/KByte). Lobenswerterweise fanden die Entwickler eine geschickte Lösung. Eine abschaltbare Automatik bringt den Text bereits bei der Eingabe zeitverzögert ins richtige Format. Nach einer gewissen Eingewöhnungsphase läßt sich mit diesem Kompromiß gut leben.
Die Anwender legen zu Recht Wert auf eine komfortable Texteingabe. That's Write gibt sich alle Mühe, den Benutzer auch hier zufriedenzustellen. Angefangen bei den Sprungbefehlen über das komfortable Suchen und Ersetzen bis hin zu einer Fülle von Blockfunktionen ist fast alles vorhanden, was man braucht. Was wir wirklich vermissen, ist eine Undo-Funktion für gelöschte Zeilen. Als Entschädigung dafür läßt sich das Programm voll über die Tastatur bedienen, und zwar weit über das übliche Maß hinaus. Man erreicht alle Funktionen über Tastenkombinationen, sogar alle GEM-Boxen. Um das Maß vollzumachen, ist That's Write uneingeschränkt makrofähig. Die Makros dürfen auf beliebige Tasten gelegt werden und funktionieren ebenfalls in allen GEM-Boxen. Und zwar sowohl das Recording als auch der Aufruf.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Silbentrennung. Sie besitzt einen sehr zuverlässigen Algorithmus für deutsche Wörter. In Zusammenarbeit mit dem Ausnahmewörterbuch hat man hier eine überzeugende Trennhilfe eingebaut, die ihren Namen wirklich verdient. Natürlich ist auch ein Lexikon zur Rechtschreibprüfung vorhanden. Damit überprüfen Sie Texte wahlweise bereits bei der Eingabe oder nach der Fertigstellung. Sollte ein Wort weder im Haupt- noch im Spezial-wörterbuch vorhanden sein, nehmen Sie es per Knopfdruck in eines von beiden auf. Leider gelingt es nur unter größten Mühen, nachträglich Veränderungen am gespeicherten Wortbestand vorzunehmen. Dazu ist nämlich das Wörterbuch mit einem Hilfsprogramm zu entkompri-mieren. Hier sollten sich die Entwickler eine bessere Lösung einfallen lassen.
Wer seine Fach-, Diplom- oder Doktorarbeit mit dem ST schreibt, benötigt Funktionen zum automatischen Erzeugen des Inhalts- und Stichwortverzeichnisses sowie zum Verwalten von Fuß- und Endnoten. Für diese Benutzergruppe bietet That's Write besondere Schmankerl. Die Fußnoten- und Endnotentexte dürfen beliebig lang sein und beliebige Schriftarten und -Attribute enthalten. Zudem lassen sich Fußnoten mit einer Linie vom Haupttext optisch abtrennen. Eine Seiten- oder textbezogene Numerierung stellt das Programm vor keine Probleme. Die Textteile für das Inhalts- und Stichwortverzeichnis markieren Sie über verschiedene Unterlegungen. Diese handhabt das Programm wie Schriftattribute. Kommt ein Stichwort auf mehreren hintereinanderfolgenden Seiten vor, so finden Sie im Stichwortverzeichnis nicht alle Seitenangaben, sondern die Symbole If. bzw. Iff. Eine Feinheit, für die so mancher Anwender dankbar sein wird. Auf Tastendruck haben Sie sofort das fertige Verzeichnis vor Augen.
Alles in allem sind diese Funktionen in der Praxis gut brauchbar. Kritik verdient nur die teilweise schlechte Lesbarkeit verschiedenfach unterlegter Textstellen.
Es ist eine altbekannte Weisheit, daß ein Bild oft mehr sagt als 1000 Worte. Daher sollte ein gutes Textprogramm auch Illustrationen in den Text einbinden können. That's Write bietet hier Gutes und Schlechtes. Gut ist, daß sich eingelesene Grafiken beliebig horizontal und vertikal in ihrer Größe verändern und mit einwandfreier Qualität ausdrucken lassen. Schlecht finden wir, daß man Bilder nicht frei beschriften kann neben einer Grafik darf sich kein Text mehr befinden. Das schränkt den Nutzen dieser Funktion natürlich ein.
Last but not least schauen wir uns die Serienbrieffunktion an. Wie üblich, legen Sie durch Steuerzeichen fest, welche Datenfelder wo im Text erscheinen sollen. Auf diese Weise erhalten Sie Zugriff auf die Exportdateien verschiedener Datenbanken. Erfreulicherweise läßt sich der Serienbriefausdruck wahlweise manuell steuern, so daß sich die eine oder andere Adresse ggf. überspringen läßt.
Was nützt ein Textverarbeitungsprogramm mit noch so tollen Leistungsmerkmalen, wenn es die Texte nicht vernünftig zu Papier bringt. That's Write treibt in dieser Beziehung einen enormen Aufwand, was sich u.a. bereits in den Druckertreibern niederschlägt. Wir hatten unsere liebe Not, die dahinter steckende Systematik zu verstehen. Erst einmal durchschaut, ist das Konzept aber geradezu genial.
Die Treiber »wissen« nämlich genau, welche Schriftarten mit welchen Attributen der jeweilige Drucker bereits eingebaut hat und wie diese aussehen. Für jeden Druckerfont existiert ein korrespondierender Bildschirmfont, so daß Sie bereits am Bildschirm genau das sehen, was der Drucker ausgibt. Das ist WYSIWYG, wie man es sich vorstellt. Sollte ein Drucker z.B. Proportionalschrift oder doppeltes Unterstreichen nicht beherrschen, so verwirklicht er dies im Grafikmodus. Es stehen also sowohl die in der Regel sehr schnellen Druckerfonts als auch hochqualitative, frei definierbare Grafikfonts zur Verfügung.
Leider hat die Sache doch noch einen kleinen Pferdefuß. Erstens gelingt es einem Nichtfachmann kaum noch, den Druckertreiber nach eigenen Bedürfnissen zu modifizieren. Zweitens sind einige Drucker durch die dauernde Umschal-tung zwischen Text- und Grafikmodus überfordert. Das äußert sich in zahllosen, ruckartigen Positionierbewegungen des Druckkopfes, die einerseits die Arbeitsgeschwindigkeit drastisch reduzieren und andererseits die Mechanik stark belasten. Die Zeiten, in denen die Leistungsfähigkeit der Programme meilenweit hinter der der Drucker nachhinkte, scheinen sich nun dem Ende zu nähern.
Angenehm überrascht waren wir von der Funktion, nur gerade oder ungerade Seiten zu drucken und die Ausgabeschnittstelle (parallel, seriell, Datei) frei wählen zu können. Es sei hier aber auch ein schmerzlicher Nachteil nicht verschwiegen. Leider fehlt in der aktuellen Version eine einfache Umschaltung zwischen Schnell- und Schönschrift, was man bei Probeausdrucken natürlich sehr vermißt. Dieses Problem muß man derzeit noch mit Hilfe einer geeigneten Fontwahl umgehen.
Außer dem Hauptprogramm gehören noch ein Installationsprogramm, ein Fonteditor zur Bearbeitung von Bildschirm- und Druckerfonts sowie ein pfiffiges Snapshot-Accessory zum Lieferumfang von That's Write. Mit dem Accessory speichern Sie auch GEM-Boxen und heruntergeklappte Menüs im GEM-Format.
Am Ende unserer Wanderung durch die Funktionen von That's Write stellt sich die Frage, ob dem potentiellen Käufer wieder eine »Gamma-Version« angedreht werden soll oder ob sich dieser Mißstand gebessert hat. Wir nehmen es gleich vorweg. Er hat sich gebessert, und zwar gewaltig. Während unseres vierwö-chigen Programmtests sind genau zwei Abstürze aufgetreten, und das waren Extremsituationen. Im normalen Betrieb arbeitet das Programm einwandfrei.
That's Write ist zum Erfassen von Texten hervorragend geeignet. Seine Formatierungsfunktionen setzen teilweise völlig neue Maßstäbe. Darüber hinaus ist das Programm komfortabel zu bedienen und sehr absturzsicher. Wer Probleme bei der Anpassung des eigenen Druckers befürchtet, kann den kostenlosen Druckertreiberservice unserer Bezugsquelle in Anspruch nehmen. In Anbetracht des professionellen Konzepts, der gebotenen Leistungen und der verhältnismäßig wenigen echten Schwächen sind 328 Mark als Preis für das Programm als ausgesprochen günstig zu bezeichnen. (uh)
Altex Textsysteme, Dekan-Simbürgerstr. 13, 8300 Ergolding
Wertung | ||||||
Stärken: * gutes WYSIWYG für alle Fonts * ausgezeichnete Formatierungsmöglichkeiten * voll tastaturbedienbar und makrofähig * sehr günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis. Schwächen: * umständliche Lexikonnachbearbeitung * Grafiken nicht seitlich beschriftbar Fazit: leistungsstarke und preiswerte Textverarbeitung mit überzeugendem Konzept |