The Atari User Show: England im ST-Rausch

Drei Tage lang drängten sich die 11000 Besucher der bisher größten englischen Atari-Messe durch die Hallen des ehrwürdigen Alexandra Palace. Mit neuer Soft-und Hardware schafft der ST bei den Briten endlich den Durchbruch. Wir waren dabei.

Kultprogrammierer und Lama-Fan Jeff Minier führte auf einem Großbildschirm seinen neuen Lichtsynthesizer »Trip-A-Tron« vor.

Sportliche Naturen mußten etwas Schweiß und Muskelkraft investieren, um zur diesjährigen Atari User Show zu gelangen: Alexandra Palace, ein in jahrelangen Renovierungen wiederaufgebautes und auf einem Berg liegendes Veranstaltungszentrum im Nordosten Londons, war in diesem Jahr für drei Tage der Treffpunkt englischer Atari-Anwender. Umgeben von einem Golfplatz, an dem, typisch englisch, bergauf gespielt wird, herrschte schon zu Beginn großer Andrang. Innerhalb der Ausstellungshalle zeigten rund 70 Firmen, was der englische Markt derzeit für den ST zu bieten hat. Sowohl für die Besucher als auch für die Aussteller gab es zu Anfang allerdings einen Wermutstropfen: Atari war selbst an keinem Stand vertreten. Ataris England-Chef Les Player begründete uns gegenüber das Fehlen seiner Firma mit »zu hohen Standmieten«. In der Tat mußten auch kleine Aussteller für kaum 10 m2 große Stände saftige 4000 Mark Standgebühren bezahlen. Messe-Organisator Michael Malone erklärte uns hingegen, daß Atari den kostenlosen Stand aus organisatorischen Gründen in letzter Minute absagte. Dennoch blieben den Besuchern noch zahlreiche neue Produkte anderer Firmen zu bestaunen.

David Link (l.) und Andrew Pennell von Hisoft führten auf der Messe Devpac 2 und Wercs vor

Großbildschirme sind auf dem ST stark im Kommen. Vorgestellt wurde neben dem deutschen 19-Zoll-Matscreen der Firma Matrix auch der französische Megavision-Bildschirm der Firma Microvision. Der 4980 Mark teure Matscreen bietet mit einer Auflösung von 1280 x 1024 Punkten (832 x 650 mit 16 Farben gegen Aufpreis) bisher noch keine SM 124-Emulation an. DMC vertreibt bei uns den Matscreen. Demgegenüber unterstützt der Megavision-Monitor nicht nur die normale Atari-Auflösung, sondern erlaubt auch das Aufblättern der Menüleiste an jeder beliebigen Stelle des Bildschirms. Dieser Trick macht die Bedienung komfortabel, da mit dem Mauszeiger nicht übermäßig lange Strecken auf dem Bildschirm zurückgelegt werden. Den Bildschirm steuert eine Grafikkarte über den Mega ST-Bus, die Microvision in fast identischer Form auch für den Macintosh II anbietet. Olivier Zerbib, Entwickler der Grafikkarte berichtet, daß Dominique »Türbodos« Laurent die Steuersoftware in nur zwei Wochen schrieb. Mit dieser Software läuft zur gleichen Zeit ein anderes Programm auf jedem Bildschirm. Drei verschiedene Versionen von 17 bis 24 Zoll mit Auflösungen zwischen 1024x 768 und 1280x 1024 Punkten bietet Microvision an. Die Preise liegen zwischen 3000 und 5000 Mark.

Zwei neue Massenspeicher für den ST präsentierte der englische Vertrieb der Supra Corporation. Bei der FD10 handelt es sich um ein Konika-Disketten-laufwerk, das auf jeder Diskette 10 MByte speichert. Mit einer Zugriffszeit von 80 ms liegt das gut 2400 Mark teure Laufwerk im Bereich einer Festplatte. Jede Floppy kostet et wa 50 Mark. Die große Speicherdichte von 480 Tracks pro Zoll erreicht das Laufwerk durch Vertikalmagnetisierung.

Große Freude löste Ataris »Summer Pack« aus, bei dem Spiele für 1200 Mark gratis beiliegen

Für Mega ST-Anwender ist das »Mega-Drive« konzipiert. Die 3,5 Zoll-Festplatte mit einer Kapazität zwischen 20 und 40 MByte findet innerhalb des Mega ST-Gehäuses am DMA-Port Anschluß. Die Autoboot-fähigen Festplatten sind voraussichtlich etwas preiswerter als externe Laufwerke.

Auch von neuer Anwendersoftware gibt es zu berichten.

HB Marketing führte die Textverarbeitung »Wordup« vor. »Wordup« ist in GEM eingebunden und beherrscht neben dem 2-Spalten-Satz auch Grafikeinbindung und Fließtext. »Wordup« wird bei uns 199 Mark kosten. Auf diesem Stand waren auch ein 35-mm-Polaroid-Dia-Belichter und ein induktives Cherry-Grafiktablett zu begutachten. Das DIN-A3-Grafik-tablett ist voll mauskompatibel.

Die Textverarbeitung »Protext« von Arnor Software, die nicht mit dem deutschen »Protext« von Markt & Technik zu verwechseln ist, feierte nach MS-DOS und Schneider CPC-Versionen nun auch auf dem ST Premiere. Mehr zu »Protext« in unserer Meldung auf Seite 13.

Hisoft stellte neben dem Resource Editor »Wercs« auch die Version 2.0 des Assembler-Pakets Devpac ST vor. Devpac 2.0 erlaubt das Editieren, Assemblieren, Linken und Debuggen innerhalb des GEM-Editors. Die deutsche Version ist beim Markt & Technik Verlag erhältlich. Besitzer der alten Version erhalten für 20 Mark ein Update von Devpac 2.0.

Kuma Computers bietet für 80 Pfund die neue Tabellenkalkulation K-Spread II an, die über Makros und einen erweiterten Funktionsumfang verfügt. Gleichzeitig senkte Kuma den Preis des Vorgängers »K-Spread« auf 25 Pfund.

Auch von Kumas Transputerkarte gibt es nun die Version »K-MAXII«, die nun unter dem Betriebssystem Helios läuft. Wahlweise ist »K-MAX II« mit einem Inmos T414 oder T800 Chip ausgerüstet. »K-MAX II« eignet sich auch für PCs und wird ab 1300 Pfund angeboten.

10 MByte passen auf jede Diskette von Supras neuem Laufwerk

Precision Software führte die Professional-Version der Datenbank »Superbase< vor. Sie verfügt nun über eine Programmiersprache und ist beim Markt & Technik Verlag erhältlich. Einen Test lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe.

In England spielen professionelle Anwendungen des STs bisher leider nur eine bescheidene Rolle. Die Engländer kaufen den ST überwiegend als Spielecomputer in der preiswerten 520 STM-Version. Der kürzlich eingetretenen Preiserhöhung der STs um hundert Pfund versucht Atari seit der Messe mit einem Komplettangebot die Spitze zu nehmen: Jedem 520 ST-FM (mit 1 MByte Laufwerk) legt Atari-England kostenlos 22 aktuelle Spiele im Wert von 1200 Mark bei. Inklusive Joystick kostet das Set 399 Pfund.

Adventurefreunde freuten sich über den »STAC Graphic Adventure Creator« von Incen-tive Software, mit dem jedem das Werkzeug zur Gestaltung aufwendiger Grafikadventures bereitsteht.

Niemand nimmt das Spielen so ernst, wie die Engländer; egal ob es die professionellen Adventure-Tips-Sammler von »Official Secrets« sind oder der Junge mit den Rallye-Handschuhen.

Von allen Seiten bedrängten zig Computer die Besucher mit einer lärmenden Geräuschkulisse. Der Vergleich zu einer großen Spielhalle lag nicht fern. Doch den ungewohnten Ansturm wollten die alten Mauern nicht ohne Widerstand hinnehmen: Zweimal führte der hohe Stromverbrauch der Aussteller zum totalen Stromausfall. (am)

Arnor Ltd., Protext House, Wainman Road, Pe-terborough, PE2 OBU. Frontier Software (Supra Drive), P.O. Box 113,

Harrogate, North Yorkshire, England HG2 OBE, Tel. 0044423/67140 DMC, Schöne Aussicht 41, 6229 Walluf

HB Marketing Ltd., Brooklyn House, 22 The Green, West Drayton, Middx UB7 7PQ

HiSoft, The Old School, Greenfield, Bedford, MK45 5 DE, Tel. 0044525/718181 Incentive Software, 2 Minerva House, Calleva Park, Aldermaston, Berks, RG7 4QW

Kuma Computers, 12 Horseshoe Park, Pang-bourne, Berks RG8 7JW Matrix Datensysteme GmbH, Aichelbachstr. 2, 7155 Oppenweiler Microvision, 86-90 Rue Victor Hugo, 93170 Bag nolet, France

Für ernsthafte Anwendungen ist der Polaroid-Dia-Belichter und das Cherry-Grafiktablett von HB-Marketing gedacht.

Tarik Ahmia
Aus: ST-Magazin 07 / 1988, Seite 10

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