Coldfire - Interview mit Oliver Kotschi

Oliver Kotschi koordiniert das Coldfire-Projekt, fast seit dem Start. In Dresden wurde die erste Version des Coldfire-Boards gezeigt. Die st-computer hat sich mit ihm über die weitere Planung unterhalten.

Wo steht das Coldfire-Projekt jetzt?

Nachdem wir uns Ende des letzten Jahres definitiv für eine Eigenentwicklung des ACP Coldfire Boards entschlossen hatten, waren wir keineswegs untätig. Schon am Anfang diesen Jahres hatten wir zwei minimal Testboards fertig, die uns zum Einen die Machbarkeit aufzeigen sollten und zum Anderen, um grundlegende Schnittstellen-Übertragungen in der Praxis zu testen.

Ebenfalls in diesem Frühjahr bekamen wir Kontakt zu einem sehr kompetenten Mitarbeiter von Motorola, der großes Interesse an unserm Projekt zeigte. Ihm haben wir auch das Motorola Coldfire-Evaluation-Board zu verdanken, welches er uns freundlicherweise kostenlos als Leihgabe für erste Softwaretests überlassen hat.

Nachdem nun alle Vortests positiv und ohne Probleme verliefen, war der nächste Schritt für uns einen ersten minimalen Prototyp mit Coldfire CPU zu bauen, der als Grundlage für die weitere Entwicklung dienen sollte. Dieser war ja nun erstmals auf der EIL3 in Dresden in natura zu sehen. Der Prototyp besteht im wesentlichen aus der Coldfire CPU, der PCI Bridge (als FPGA Baustein) mit zwei PCI Steckplätzen, Tastaturanschluß, serieller Schnittstelle und 16MB SDRAM.

Was war es für ein Gefühl, als die erste Version des Boards ausgepackt wurde?

Auch wenn wir noch weit von einem serienreifen Prototyp entfernt sind, war es für uns schon ein unglaublich erhebendes Gefühl diesen Prototypen erstmals in den Händen halten zu können. Wir sind ja auch nur Menschen und so war es für uns sehr wichtig, das damit unser Projekt sich sozusagen erstmals in unseren Händen materialisiert hat.

Besonders beeindruckend für mich ist die Qualität der hohen Integration schon des Prototypen, was sich u.a. auch in den äußerst kleinen Maßen des Prototypen bemerkbar macht, etwas, was heutzutage ja nicht unbedingt alltäglich ist. Mit Sicherheit war die offizielle Vorstellung des ersten Prototypen auf der EIL3 einer der wichtigsten Entwicklungsschritte für unser Projekt.

Zur CT60 gab es schon Benchmarks, bevor die Karte überhaupt ausgeliefert wurde. Warum ist das CF-Team so zurückhaltend?

Das hat verschiedene Gründe. Grundlegend sehen wir unser Projekt in keiner direkten Konkurrenz zu anderen Projekten, weder aus der PC Welt noch innerhalb der Atari Systeme und streben dies auch keineswegs an. Solche Vergleiche halten wir weder für sinnvoll noch für notwendig.

Über die Leistungsfähigkeit der Coldfire CPU findet man ja ausführliche Informationen auf den Internetseiten von Motorola. In der Praxis wird schlußendlich nur der Vergleich der fertigen, kompletten Systeme untereinander sinnvoll sein und nicht der Vergleich abstrakter Benchmark-Ergebnisse.

Wie effektiv ein System dann tatsächlich im fertigen Zustand arbeitet, hängt auch zum großen Teil von vielen hardware-unabhängigen Faktoren ab, wie z.B. Effektivität der FPGA Programmierung, BIOS, Betriebssystem und nicht zuletzt der Güte der Applikationen. Wenn wir nun hergehen und sagen das Coldfire System sei "X-fach" schneller als die Plattform "Y", dann wäre das nur reine Augenwischerei und zum jetzigen Zeitpunkt aus oben beschriebenen Gründen sowieso nur eine Mutmaßung.

Wie waren die Reaktionen auf das Board?

Man darf die Vorstellung des Prototypen auf der EIL in Dresden keinesfalls mit früheren Atari Messen oder der Präsentationen von Firmen wie Milan vorstellen, dazu wäre die EIL auch nicht die geeignete Gelegenheit gewesen. Vielmehr war für uns die EIL eine hervorragende Gelegenheit ein kleines ACP Entwicklertreffen abzuhalten und Kontakt mit vielen engagierten Entwicklern zu pflegen. So hatten wir auch Gelegenheit mit den Entwicklern des Super-Videl (der CT60-Grafikkarte) Erfahrungen auszutauschen sowie unser Projekt auch unter den wohl aktivsten Programmieren der Atari Welt detaillierter vorzustellen. Die Reaktionen auf das Board waren sehr positiv und man merkte richtig das viele Entwickler sehnsüchtig auf ein modernes System warten und uns sehr gerne unterstützen möchten, sobald wir erste Entwicklerboards fertig haben. Dieser Punkt kann gar nicht zu hoch bewertet werden, denn wir werden jede Unterstützung dringend brauchen, um die Atari-Software wieder auf einen modernen Stand zu bringen.

Was sind die nächsten Entwicklungsschritte?

Die nächsten Entwicklungschritte mögen sich zwar einfach anhören, aber immer noch liegt der größte Teil der Arbeit vor uns.

Zunächst werden wir den Prototypen Schritt für Schritt testen und in Betrieb nehmen. Dazu gehört auch die Programmierung des FPGAs, der u.a. auch die Funktion der PCI Bridge übernehmen wird. Einen ersten Test dieser PCI-FPGA Bridge war übrigens auch der Grund für eines der beiden Schnittstellen-Testboards, bei dem wir bereits erfolgreich einen minimalen PCI-VHDL-Core getestet haben. Sobald dann eventuelle Hardwarebugs beseitigt und das Design unsern Erwartungen entspricht, werden wir die fehlenden Schnittstellen hinzufügen.

Parallel dazu arbeiten wir mit den Motorola-Evaluation-Board, um erste Erfahrungen mit der Programmierung des Coldfires zu gewinnen. Zur Zeit testen wir auf dem Evaluation-Board verschiedene Grafikkarten auf Nutzbarkeit für unser Projekt.

Thema Grafikkarte: Was wird es denn nun: Super-Videl, Matrox oder doch eine alte ATI?

Der Super-Videl ist ganz klar unser Favorit, als Notlösung arbeiten wir aber auch an einer PCI Grafikkartenlösung.

Mit der Super-Videl Lösung hätten wir mit Abstand die schnellste, eleganteste und auch kompatibelste Grafiklösung, wobei man nicht noch groß erwähnen muß, das ein solcher Super-Videl die Krönung des Coldfire Rechners wäre. Im Zusammenhang mit diesem Super Videl würde dann auch die Integration des Deesse DSPs direkt auf das Motherboard mehr Sinn machen, dann mit dem Ziel eine quasi standardisierte All-in-One Lösung bieten zu können. Aber bei solch einem Lob für diese Grafik-Lösung darf man nicht vergessen, das der Super Videl ein eigenständiges Projekt von "Nature" für die CT60 Beschleunigerkarte von Rodolphe Czuba ist und dieser sich immer noch im Entwicklungsstadium befindet. Deshalb verfolgen wir beide Varianten und denken das wir damit für die Zukunft bestens gerüstet sind.

Ob wir dann als PCI Grafikkarten-Ersatzlösung eine Matrox oder ATI einsetzen, ist für uns momentan erst mal Nebensache. Zum jetzigen Zeitpunkt zählt für uns alleine die Verfügbarkeit nötiger Dokumentationen, damit wir die Karten überhaupt nutzen können. Dabei hat sich mittlerweile eine Art Rangfolge ergeben: Von einer vorbildlich guten Dokumentierung der Matrox-Karten über eine gerade hinreichende bei ATI, bis zu einer so gut wie nicht vorhandenen Dokumentierung der NVDIA-Karten.

Einmal ganz spekulativ gefragt (und ohne jemanden unter Druck setzen zu wollen): Wann rechnest du mit dem ersten Prototypen?

Das hängt von vielen Faktoren ab, erst mal wieviel Freizeit jeder von uns wir für das Projekt erübrigen kann, ob wir auf unvorhergesehene Probleme stoßen und nicht zuletzt inwieweit wir fehlerfrei arbeiten und nicht zuviel Zeit aufwenden müssen um Bugs auszumerzen. Die bittere Erfahrung anderer Hardwareprojekte hat uns ja nur allzu oft gezeigt, das gerade die Fehlersuche sehr langwierig sein kann.

Sagen wir's mal so, ich denke auf der nächsten EIL wird's mit Sicherheit eine eigene Coldfire-Competition geben.


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 05 / 2003, Seite 15

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