Editorial - Traum-Ehe seit Jahrzehnten: Atari & MIDI

Es gibt wohl kaum einen Anwenderkreis, in dem der Atari immer noch so hoch im Kurs steht, wie bei den Musikern. Während das System in anderen Bereichen (oft zu Unrecht) belächelt wird, genießt es im Studio- und Live-Einsatz immer noch eine nicht zu unterschätzende Popularität. Schauen Sie zum Beispiel einmal bei ebay, weiche Preise ein "simpler" Mega ST erreicht, wenn er komplett mit Cubase oder einem Notator und einer MIDI-Schnittstellenerweiterung ausgeliefert wird - Sie werden überrascht sein...

Ich selbst setzte den Atari fast täglich zur Musikproduktion ein. Als Sequenzer benutze ich einen Mega STE mit der Software Sweet Sixteen - simpel, aber effektiv. Als Aufnahmestudio dient ein Atari Falcon 030 mit der Freeware V-Trax. Während ein Macintosh aus den späten 90er Jahren mit Cubase Audio sich beim Aufnehmen von Tonspuren immer wieder "Verschlucker" leistet, nimmt der Falcon Audio aus allen möglichen Quellen völlig ohne Mucken auf. Und dies ist der entscheidende Punkt: Der Atari funktioniert. Er setzt keine nervtötende Konfiguration von Treibersoftware voraus, um ein simples MIDI-Interface erkennen zu können. Ein Falcon nimmt Sound in hochwertiger Qualität auf und mixt diese auch noch, ohne durch eine spezielle Soundkarte erweitert zu werden. Und Abstürze gibt es mit der erprobten MIDI-Software auch in den seltensten Fällen, was im Live-Einsatz von unschätzbarem Wert ist. Hinzu kommt die Robustheit der einfach zu transportierenden Geräte "on the Road" - und wenn doch einmal ein altgedienter ST seinen Geist aufgibt, ist bei eBay günstig ein neuer zu ersteigern.

Mittlerweile reflektiert auch die Software-Front das Interesse am Atari wieder etwas realistischer. Einige Programme wurden in den letzten Monaten weiter- oder sogar neuentwickelt, so zum Beispiel der analoge Sequenzer-Simulator AEX, den wir Ihnen in der Version 2.0 in dieser Ausgabe vorstellen, oder der Grid Sequencer (analog scheint angesagt zu sein). Auch für die Zukunft sieht es im MIDI-Bereich gar nicht so übel aus: Aus Holland kommt der Easy Sequenzer, bei dem sich Falcon-Anwender besonders über die moderne Oberfläche in 256 Farben freuen dürfen. Auch dieses Programm dürfen wir Ihnen bereits in der aktuellen Ausgabe in einem ersten Preview vorstellen.

Gut entwickelt sich auch der Software-Synthesizer ACE für den Falcon. In unserem Interview bemerkt Raphael Zweifel, Musiker bei 3p, ganz richtig an, dass ACE bei entsprechender Mundpropaganda durchaus zum nächsten "Must Have" im Produktions-Bereich werden könnte - ähnlich wie die "uralte" Roland TR-909 einen Kultstatus besitzt. Eine Zeitlang kam fast keine Techno-Produktion ohne die Drummachine aus. Preise bis 1000 Euro sind immer noch normal. Nun bräuchte es nur noch etwas Aufmerksamkeit seitens der Musikpresse für ACE... stc

Liebe Leser: Unsere Online-Umfrage hat ergeben, dass die meisten Atari-Anwender ihren Rechner immer noch im Musiksektor einsetzen. Wir reflektieren dieses ungebrochene Interesse mit einem großen Musik-Special in dieser Ausgabe. Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit aktuellen Tests, Previews und Interviews.


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 02 / 2003, Seite 5

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