Editorial: Seifenblasen

Wer die Atari-Newsseiten die letzten Monate verfolgt hat, dem wird eines aufgefallen sein: die CT60 von Rodolphe Czuba ist ein Dauerthema. Vornehmlich in der französischen Newsgroup comp.sys.atari.fr gibt er einen Statusbericht.

Allmählich hinterläßt die CT60 aber einen bitteren Beigeschmack. Im letzten dieser "Statusberichte" wurde von Problemen mit Fast-RAM und NVDI berichtet - logisch, das niemand den 68060 mit dem langsamen Falcon-RAM ausbremsen will und NVDI ist (noch) unverzichtbar. Also wartet der Falcon-Besitzer weiter...

Nun sind Atari-Besitzer relativ geübt im warten auf neue Hardware - auch der Milan I kam schließlich mit Verspätung. Doch die CT60 unterscheidet sich von Milan I/II, Hades und Medusa: es wurde bereits bezahlt. Es ist zwar Czubas gutes Recht, möglichst kostendeckend zu arbeiten, aber, und die Vorstellung sollte erlaubt sein, wie hätte die Atari-Gemeinde wohl reagiert, wenn es beim Milan II genauso gelaufen wäre? Es scheint so, als wird Geduld in unterschiedlichen Portionen verteilt.

Dabei ist Czubas Liste der eingestellten Projekte lang: Phenix, RioRed und verschiedene, "angedachte" Beschleuniger. Letztlich erschienen ist nur die CT2 und auch die mit einiger Verspätung. Ob es an Hardware-Fehlern, unfähigen Geschäftspartnern oder Mork vom Ork gelegen hat - nur die CT2 läuft in einigen Falcons.

Zweifellos ist Czuba ein sehr begabter Hardware-Designer, der manchmal zu hohe Ambitionen zu haben scheint. Die ganzen Hardware-Fehler, die jetzt in der CT60 (plötzlich?) auftauchen, erwecken den Eindruck, dass er den Bau eines Prototypen einfach übersprungen hat. Die Liste an Fehlern ist mittlerweile so lang, dass man meinen könnte, die CT60 sei völlig inkompatibel mit dem Falcon - und sich selbst. Das sind alles Dinge, die mit Prototypen ausführlich getestet werden sollten - dann erst folgt die Serienfertigung. Das bei dieser auch Fehler auftreten können, ist normal, aber es werden selten massive Fehler sein, die weitere Monate am Reißbrett erfordern.

Ein Gegenbeispiel für ein weiteres Hardware-Projekt ist der C=1 von Jeri Elsworth. Der Unterschied: sie hat ihren Rechner bereits lauffähig als Prototyp auf diversen Messen vorgestellt, von jedem zu begutachten. Erst danach wurden Vorbestellungen angenommen und der komplette Rechner wird jetzt ausgeliefert. Von der CT60 sah man hingegen auf dem Atari-Parkt nichts.

Es bleibt nur zu hoffen, dass die CT60-Vorbesteller ihre Karte bald in den Händen halten, denn der Falcon hat es verdient, mit einem 060er Prozessor auf Touren gebracht zu werden.


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 01 / 2003, Seite 5

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