SuperVidel-Interview: Videl ist tot - lang lebe Videl!

Die Beschleunigerkarte Centurbo 060 für den Atari Falcon konnte zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses leider immer noch nicht ausgeliefert werden. Trotzdem wird schon über eine erste Erweiterung nachgedacht: die Grafiklogik des Atari Falcon soll endlich der Vergangenheit angehören und durch einen kompatiblen Chip ersetzt werden. Thomas Raukamp traf sich mit den schwedischen Entwicklern Henrik und Torbjörn Gilda, um im Rahmen unseres Chancen-und Perspektiven-Reports über den neuen „Videl" zu sprechen.

Grafikpower für den Falcon

Die gute Nachricht einer Grafikerweiterung für den Atari Falcon kam ja praktisch aus heiterem Himmel. Würdet Ihr Euch unserem Lesern bitte erst einmal vorstellen?

Henrik: Ich bin 24 Jahre alt und promovierte im vergangenen Jahr an der Chalmers University of Technology In Göteborg, wo ich meinen Bachelor of Science in Computer Engineering machte. Seit einem Jahr arbeite ich für Volvo Technology und arbeite hier seit etwa sieben Monaten an FPGA-Technologie.

Torbjörn: Ich bin auch 24 Jahre alt -wir sind Zwillinge. Ich arbeite gerade an meiner Examensarbeit an der Chalmers-Universität. Ich studiere Computer Engineering und bin auf Hardware-Design spezialisiert.

Ihr scheint ja wirkliche Atari-Enthusiasten zu sein. Wir ist Eure persönliche „Atari-Story"?

1989 haben wir unseren ersten 520 STFM gekauft. 1993 folgte dann der Falcon, für den wir im Jahr 1998 eine Centurbo II kauften. Einen weiteren Falcon kauften wir 1999.

Zu programmieren begannen wir etwa 1991 in STOS, da wir uns hauptsächlich für die Entwicklung von Spielen interessierten. Nachdem wir unseren ersten Falcon bekamen, interessierten wir uns aber auch für die Programmierung in Assembler. Zuerst fügten wir nur kleine Routinen ein, um einige Dinge in STOS zu beschleunigen. Später schrieben wir dann alles in Assembler.

Unser bekanntestes Projekt für den Falcon ist wohl die Rennsimulation Reeking Rubber, das aber leider nie beendet wurde. Heutzutage dürfte NatFrame recht bekannt sein, es verschönert Fensterrahmen unter MagiC 6.

Ist der Falcon immer noch Eure Hauptmaschine?

Ja, wir entwickeln ausschließlich für den Atari Falcon. Wir nutzen den PC nur für das Internet, Spiele und die Hardware-Entwicklung.

Was macht den Falcon zu etwas Besonderem?

Ich denke, jeder Atari-Fan kennt die Antwort auf diese Frage: der Falcon hat eine Seele. Es ist dieses spezielle Gefühl, den Falcon oder einen anderen Atari zu benutzen, das Du eben nicht hast, wenn Du einen PC benutzt.

Was denkt Ihr über die Atari-Bewegung heute? Ist die Basis immer noch stark oder sind mittlerweile nur ein paar Freaks übrig geblieben?

Es sieht so aus, als wenn der Verlust an Anwender langsamer vor sich geht als noch vor ein paar Jahren. Übrig geblieben sind die Anwender, die für ihren Falcon dasselbe wie wir empfinden. Diejenigen, die sowieso nur immer das neueste Spiel nutzen wollen, sind eh vor Jahren auf den PC gewechselt. Wir würden also sagen, dass die Plattform zwar klein, aber stark geblieben ist.

Hin und wieder stellen auch neue Anwender Fragen über die Atari-Maschinen, die sie gekauft haben. Das ist dann oftmals eine etwas merkwürdige, aber schöne Entdeckung...

Welches Betriebssystem nutzt Ihr auf Euren Rechnern zumeist?

Wir arbeiten eigentlich mit allen drei wichtigen heutigen Systemen: TOS, MagiC und MiNT. TOS nutzen wir hauptsächlich zum Testen unserer Spiele und anderer Sachen.

Was ist das Problem der gegenwärtigen Falcon-Grafiklogik? Warum ist diese so langsam?

Die Kombination aus Videl und SI-RAM ist das große Problem. Der Videl kann nicht mit 200 MHz getaktet werden, was zum Beispiel für Auflösungen mit 1600 x 1200 Pixeln bei 60 Hz erforderlich ist. Selbst wenn dies möglich sein sollte, wäre die Bandbreite des ST-RAM von 5.5 MBytes pro Sekunde selbst für eine Farbtiefe von 4 Bit einfach zu langsam. Monochrome Auflösungen sind bei 1600 x 1200 kein Spaß...

Henrik Gilda entwickelt mit seinem Bruder eine neue Grafiklogik für den Atari Falcon.

Euer neuer „Videl" basiert auf einem FPGA-Chip. Was genau ist das?

FPGA steht für „Field Programmable Gate Array". Dies bezeichnet eine integrierte Schaltung mit Tausenden von Gates (AND, OR, XOR usw.), die programmiert werden können, nachdem das Produkt die Firma verlassen hat. Das heißt konkret für uns, dass wir die Grafikkarte nur mit dem nötigsten ausstatten müssen und später Updates der Firmware anbieten können. FPGAs haben manchmal auch spezielle Inhalte wie RAM oder DSP-Blöcke, die die Geschwindigkeit beschleunigen.

Welches FPGA wollt Ihr verwenden?

Wir möchten gern ein FPGA von Xilinx, den SpartanllE XC2S200E verwenden. Offiziell unterstützt dieses FPGA-Frequenzen von bis zu 300 MHz, was aber davon abhängt, wie man das FPGA verwendet.

_**Die neue Grafikkarte setzt aber eine Centurbo 060 voraus, richtig?

Stimmt.

Eine spezielle Version für den Erweiterungsschacht des originalen Falcon plant Ihr nicht?

Nein, obwohl dies möglich wäre. Allerdings wäre die Implementation sehr viel schwieriger als bei der Centurbo 060, da das TOS-ROM auf dem originalen Falcon-Board nicht programmierbar ist. Dies würde bedeuten, dass kein Bild vom Falcon kommen würde, bevor nicht entsprechende AUTO-Ord-ner-Programme gestartet würden. Außerdem wäre ja der Zugriff auf das ST-RAM so langsam wie beim jetzigen Videl, da die Karte auf dieselbe Busbreite und -frequenz zurückgreifen müsste. Die darstellbaren Auflösungen wären jedoch identisch mit der Version für die Centurbo 060.

Welche Auflösungen sind das?

Nach der Dokumentation der Video-DAC, die wir benutzen, wäre eine Auflösung von bis zu 1600 x 1200 Bildpunkten bei einer stabilen Bildwiederholfrequenz von 90 Hz möglich. Wenn der Anwender auch mit geringeren Wiederholfrequenzen leben kann, sind natürlich auch höhere Auflösungen möglich.

Der Video DAC akzeptiert den Eingang von 10 Bits für die roten, grünen und blauen Signale. Also ist die Karte in der Lage, eine Farbtiefe von 30 Bit darzustellen, was ungefähr 1 Milliarde Farben möglich macht. Dank der hohen Bandbreite des RAM (1.6 GBytes pro Sekunde bei 100 MHz) wird die Karte bei einer Auflösung von 1600 x 1200 Punkten in 90 Hz auch immer noch 1 Milliarde Farben darstellen können. Somit planen wir also die folgenden Farbtiefen: Mono, 4 Farben (ST Medium), 16 Farben, 256 Farben, 16 Bit, 24 Bit sowie 30 Bit.

Hört sich doch toll an. Welche RAM-Typen wollt Ihr einsetzen?

Wir werden DDR SDRAM nutzen, was in heutigen PCs normal ist. Wir möchten die Karte so gestalten, dass es möglich ist, den RAM-Zugriff mit 100 bis 133 MHz laufen zu lassen. Da es sich um DDR-(Double Data Rate) RAM handelt, entspricht dies 200 bis 266 MHz. Dies ist zwar Augenwischerei, aber eine gute Methode es mit älterem PC 100- bzw. PC133-SDRAM zu vergleichen.

Wird die Karte plus der Centurbo 060 in einen Standard-Falcon passen oder wird ein Tower-Umbau benötigt?

Wahrscheinlich wird die Kombination nicht in das Tastaturgehäuse passen. Rodolphe Czuba hat uns gesagt, dass das originale Gehäuse so gerade die Centurbo 060 fassen kann. Wenn auch noch die Grafikkarte draufgesteckt wird, sind die Chancen gering, dass alles passt - leider!

Der Xlinx SpartanIIE (oben) soll in der Centurbo 060 (unten) als neuer Videl dienen. Eine Version für unbeschleunigte Falcon ist nicht in der Planung.

Sprechen wir über die Software. Das TOS wird gepatched werden müssen...

Ja, der Flash-Speicher der CT 060, der das gesamte TOS enthält, wird leicht modifiziert, sodass das FPGA schon während der Bootphase programmiert wird. Damit dies erreicht werden kann, muss die Firmware des FPGA auch im Flash gehalten werden. Die Größe der Firmware beträgt 1.442.016 Bits, was 180.225 KBytes entspricht. Dies sollte also ins Flash-ROM der Centurbo passen, vorausgesetzt, diese fasst 1 MByte und nicht 1 MBit. Sollte es nicht passen, werden wir die Firmware in ein PROM auf der Grafikkarte packen. Dies wäre die teurere Lösung.

Rodolphe hat uns angeboten, auf der Centurbo 060 ein bestimmtes Bit zu setzen, damit der Videl genau mit den Hardware-Adressen angesprochen werden kann wie der alte Videl. Dies würde einen Patch des TOS und anderer Programme unnötig machen. Es würde aber auch bedeuten, dass der arme Rodolphe alle Karten nochmals per Hand modifizieren müsste, bevor sie verschickt werden könnten. Jedoch wäre unsere Grafikhardware dann zu 100 Prozent kompatibel zum Original - auch nicht schlecht!

Bei der Farbtiefe würde alles von monochrom bis 16 Bit mittels des normalen VDI gehandhabt werden, sofern unser „Videl" mit den alten Adressen ansprechbar bleibt. Die 24 Bit- bzw. 30 Bit-Farbtiefen müssten vom VDI gesondert angesprochen werden, um vom GEM aus nutzbar zu sein.

Welches VDI wollt Ihr denn einsetzen?

Wir haben uns hier noch nicht entschieden bisher. Zuerst werden wir die Grafikkarte wohl ohne irgendwelche Veränderungen am VDI veröffentlichen, damit die Hardware so schnell wie möglich erscheinen kann. Dies würde bedeuten, dass die Anwender erst einmal mit den 16 Bit-Farbtiefen leben müssten, bis wir das VDI für 24 und 30 Bit gepatched haben.

Wie weit ist das Projekt überhaupt?

Wir haben das Projekt in drei Phasen aufgeteilt: Teileauswahl, FPGA-Implementation und -Auswertung und schließlich die PCB-Konstruktion. Wir befinden uns derzeit in der zweiten Phase, die aber auch die größte ist. Wir packen zurzeit alles in das FPGA, um sehen, ob alles passt und ob die Auflösungen erreichbar sind, die wir benötigen. Dies hat Auswirkungen darauf, welches FPGA wir benutzen werden.

Innerhalb der FPGA ist die Firmware in drei Teile unterteilt: CT 060-Kommunikation, DDR SDRAM-Controlling und Pixel-Dekodierung und -Darstellung. Bisher sind ca. 30 bis 40 Prozent des Kommunikationsteils erledigt, 95 Prozent des SDRAM-Controlling, aber 0 Prozent der Dekodierung und Darstellung.

Der DDR SDRAM-Controller läuft bereits mit 100 MHz, aber wir möchten mindestens 125 MHz erreichen.

Habt Ihr schon eine Preisvorstellung?

Wir sind uns nicht sicher, aber 150 bis 200 Euro sind wohl eine reale Vorstellung. Es kommen dann keine Extra-Kosten mehr hinzu. Der Preis hängt aber auch davon ab, wieviele Bestellungen wir tatsächlich bekommen.

Wie bei der Centurbo 060 verlangen wir Vorkasse, da wir sonst keine Karten in Produktion geben können. Natürlich werden wir kein Geld annehmen, bevor wir nicht einen Prototypen haben...

Wann wird die Karte wahrscheinlich fertig werden?

Wir hoffen, dass wir im ersten Quartal 2003 fertig werden. Vielleicht auch schon im Januar, aber das ist nur eine sehr grobe Vorstellung. Es ist etwas schwer vorauszuplanen, wieviel Zeit jede Phase in Anspruch nehmen wird und welche unvorhergesehenen Probleme noch so auftauchen...

Was denkt Ihr denn über das ColdFire-Projekt?

Das scheint ein interessantes Projekt zu sein. Wir hoffen, dass es fertig wird. Es hört sich gut an, dass schon ein Board fertig sein soll...

Was denkt Ihr über die restliche Computerwelt? Mac OS X ist eine recht feine Sache, oder?

Wir haben bisher noch nicht mit Mac OS X gearbeitet, also können wir keine Meinung darüber haben. Der PC ist klasse für Spiele und um Hardware für den Falcon zu entwickeln.

Danke für Eure Zeit.

Wir wissen Dein Interesse wirklich wertzuschätzen, c

dtek.chalmers.se/~d98gilda/CT60_graphics html dtek.chalmers.se/~d98gilda/


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 10 / 2002, Seite 23

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