Grafikprogramme, die Erste: Die aktuellen Pixelkünstler im Vergleich

Besitzer eines Atari-Clones können mit Spezialisten wie Spectrum512 oder ST-Klassikern wie Neochrome nichts anfangen. Entweder diese Programme verlangen eine spezielle Auflösung, oder sie sind in ihren Möglichkeiten zu eingeschränkt. Unter den universellen Grafikprogrammen werden Malprogramme verstanden, die vollständig GEM-unterstützt laufen. Dies schien für viele Programmierer in den Anfangstagen des STs ein großes Problem gewesen zu sein, denn teilweise wurde aufwendig die Benutzeroberfläche des Macs nachprogrammiert, statt gleich die GEM-Routinen zu benutzen. Der endgültige Durchbruch der GEM-Grafikprogramme kam erst im Zuge der Einführung des Falcons. Zu der Zeit wurden auch Grafikformate anderer Systeme wichtiger.

Ein universelles Programm muß ein paar Mindestvoraussetzungen erfüllen. Es muß in jeder Farbtiefe laufen und Bilder jeder Bildgröße verarbeiten können. Letzteres ist natürlich relativ, denn jedes Grafikprogramm hat irgendwo seine Grenze. Ferner muß mindestens ein plattformunabhängiges Grafikformat unterstützt werden (TIFF, GIF, JPEG, PNG).

Vision

Vision in der Version 4e ist ein Grafikprogramm aus Frankreich, das weiterentwickelt wird. Neben dem eigentlichen Grafikprogramm ist auch ein Bildkatalogisierer eingebaut.

Oberflächliches

Wird das Programm zum ersten Mal gestartet, öffnet sich neben der Toolbox mit den wichtigsten Malwerkzeugen der Bildkatalog und eine Lupe. Die Lupe vergrößert alles, was sich unter dem Mauszeiger befindet. Als Hilfe beim “Pixelzeichnen” ist sie nur für Grafiker mit einer ruhigen Hand geeignet. Das Programm präsentiert sich zunächst einmal in französischer Sprache, kann aber über die Voreinstellungen auf “Deutsch” gestellt werden. Danach ist ein Neustart notwendig. Im Datei-Menü finden sich die üblichen Funktionen zum Kreieren, Speichern, Laden und Drucken eines Bildes. Beim Druck unterstützt Vision GDOS, mit dem in Farbe und s/w gedruckt werden kann. Zum Speichern stehen neun verschiedene Formate zur Verfügung, ein zehntes – Mac-Paint – kann bisher nur importiert werden, was wohl zu verschmerzen ist. Die Benutzeroberfläche präsentiert sich so, wie es erwartet werden kann. Alle Dialoge liegen in GEM-Fenstern und behindern damit nicht das Multitasking. Die Toolbox ist mit aussagekräftigen Farbicons ausgestattet. Die anderen Standards werden mißachtet. So wird versucht mit den alten GEM-Objekten die modernen Bedienelemente, wie sie z.B. von Jinnee bekannt sind, nachzuahmen, was mißlingt. Auch das jedes Fenster den Titel “Vision Manager” trägt, ist unnötig.

Einstellungen

In den Voreinstellungen offenbart Vision einige mehr oder weniger nützliche Optionen. Lange Dateinahmen und das GEM-Clipboard sind am Anfang ausgeschaltet. Die Dithermethode ist auswählbar, da aber nur zwei zur Auswahl stehen, macht dies momentan noch nicht viel Sinn. Interessant sind die Einstellungen zum Undo-Puffer. Dieser kann abhängig vom freien Speicherplatz ein- und ausgeschaltet werden. Auch wer viel RAM in seinem Rechner hat, sollte den Speicherbedarf nicht unterschätzen, denn Bilder in komprimierten Formaten wie z.B. JPEG müssen dekomprimiert im Speicher liegen, so das ein 50 KB JPEG schon mal 1 MB an Speicher beansprucht. Der Bilderkatalog bietet auch eine Slideshow an, deren Einstellungen veränderbar sind. Es stehen die Überblendungsart, Hintergrundfarbe, Wartezeit, Endlosschleife und noch einiges mehr zur Auswahl. Als kleiner Bonus für Besitzer eines Falcons unterstützt Vision den DSP. Mit ihm werden einige Effekte sowie der JPEG-Import merklich beschleunigt. Beim Speichern stehen für bestimmte Formate zusätzliche Optionen zur Verfügung. Die Qualität von JPEGs ist ebenso regelbar wie die Kompressionsart von TIFF-Bildern. Eine Kontrolle, wie sich die Einstellungen ausgewirkt haben, gibt es nur durch ein erneutes Laden des Bildes.

Zeichen setzen

Vision kennt diese Zeichenfunktionen:

Die Stiftformen und Füllmuster, die bei den entsprechenden Werkzeugen eingesetzt werden dürfen, entsprechen denen, die auch vom GEM bereitgestellt werden. Die Sprühdose wird in Vision etwas verwegen “Airbrush” genannt, sprüht aber auch in True Colour genauso wie unter ST-High. Generell sind alle Zeichenfunktionen “hart” – weiche Kanten müssen über die Vision-Filter eingebaut werden. Als Zeichenmodi stehen Ersetzen, Transparent, XOR und Invers Transparent zur Verfügung.

Text

Der Texteditor besteht aus vier Zeilen mit je 40 Zeichen. Zwar sollte dies fast immer ausreichen, aber es wäre komfortabler, gleich mit der richtigen Schriftart auf das Bild schreiben zu können. Die Textoptionen erscheinen entweder über einen Rechtsklick auf das Texticon oder über die Optionen. Als ordentliches Grafikprogramm unterstützt Vision GDOS. Die Textgröße, der Winkel und die Attribute sind frei wählbar. In einer kleinen Vorschau ist zu sehen, wie sich die Änderungen auf einen Beispieltext auswirken. Leider gibt es keine Möglichkeit, den Zeilenabstand zu verändern.

Block

Vision kennt sowohl den rechteckigen Block als auch das Lasso. Mit einem von beiden kann ein Block markiert und ausgeschnitten, kopiert und eingefügt werden. Im Test funktionierte das Lasso aber nicht richtig. Ist ein Block markiert, können Effekte und Filter darauf angewendet werden

Effektvoll

Bei den Filtern ist der Weichzeichner (Blur) in verschiedenen Geschmacksrichtungen, ein Schatteneffekt, Eckenkonturierung und einiges mehr. Die Filtermatrix kann editiert werden. Aufwendigere Effekte sind mit den Modulen möglich: Pixelization, Aufhellen, Gamma, Wellen und Verzerren. Weitere Effekte können programmiert werden.

Sonstiges

Vision kann – ähnlich wie Smurf – einen ganzen Ordner voller Bilder in ein anderes Format konvertieren. Dazu kann ein Quell- und Zielordner definiert werden. Beim Speichern kann das Bild zerteilt werden, was für Webseiten sehr praktisch ist.

Diva

Vision zeigt in vielen Details als störrisch und unflexibel. Wird z.B. in 24 Bit Farbtiefe gearbeitet, ist es nicht möglich, ein monochromes Bild anzulegen. Beim Speichern in einem bestimmten Format, zeigt Vision, welche Farbtiefen von dem Format unterstützt werden. Der Anwender hat nun selbst darauf zu achten, ob das Format überhaupt paßt. Auf die Idee, das Neochrome-Format einfach auszublenden, wenn das Bild über 16 Farben hat, ist der Vision-Programmierer nicht gekommen. Sogar die Dateiauswahl erscheint noch, bevor Vision mit einer Alertbox abbricht: “Dieses Bild kann unter dem gewählten Format nicht gespeichert werden.”

Papillon

Die Weiterentwicklung von Papillon ist seit 1999 ins Stocken geraten, doch trotzdem hat das Programm noch viele Freunde.

Oberflächliches

Nach dem Programmstart erscheint die angenehm dezent gestaltete Toolbox, die auch Einstellungen für Farben, Muster, Stiftart, Zeichenmodus und Pinselform aufnimmt. Auf den ersten Blick fehlt die Lupe, die jedoch mit “+” und “-” aktivierbar ist. Dreizehn Bildformate kennt Papillon, von denen elf gespeichert werden können. Zum Drucken verwendet GDOS und da das Programm keinen eigenen Druckerdialog hat, wird WDIALOG bzw. MagiC 6 benötigt. Die Benutzeroberfläche ist sehr modern und nutzt konsequent das Aussehen der MagiC-Objekte. Die Dialogboxen liegen alle in Fenstern und machen einen sehr übersichtlichen Eindruck. Das Programm kann auch gut per Tastatur bedient werden.

Einstellungen

Ein wichtiger Punkt in den Einstellungen ist die Darstellungsqualität. Papillon kann auch in 256 Farben True Colour Bilder laden, bearbeiten und wieder als TC-Bilder abspeichern. Für Formate wie JPEG und GIF können in den Dateiparametern die spezifischen Einstellungen geregelt werden. Papillon unterstützt Transparenz bei GIF-Bildern und kann auch animierte GIFs erstellen und exportieren. Wichtig ist auch die Deckung, die unter “Paletten” versteckt ist. Damit wird das Filterwerkzeug beeinflußt, mit dem das Programm schon fast den EBV-Bereich betritt. Reizvoll ist die Deckung auch dadurch, das jeder der drei Farbkanäle unabhängig von den anderen eingestellt werden kann. Auch unter True Colour verwaltet Papillon eine Farbpalette, die 256 Farben umfaßt. Die Einstellung dazu kennt die drei Farbsysteme CMY, RGB und HSV, läßt aber leider das sonst bekannte “Colour-Wheel” vermissen. Über “Generieren” kann auch eine passende Farbpalette automatisch generiert werden.

Zeichenfunktionen

In Papillon zeichnet der Grafik damit:

Bei Papillon beachten praktisch alle Werkzeuge die Einstellung des Füllmusters, so auch der Pinsel. Gut durchdacht sind Werkzeuge wie die Linie. Anfang- und Endpunkt werden gesetzt, danach können diese noch verändert werden, ehe die fertige Linie mit der Leertaste abgelegt wird. Auch bei den Splines ist dieses Feature sehr nützlich und spart Zeit. Der fehlende Radierer sowie eine realistische Sprühdose können mit dem Filterwerkzeug ersetzt werden. Das Werkzeug erweist sich als Universalgenie und kennt die Modi Radierer, Abdunkler, Aufheller, Ausgrauer, Weichzeichner, Schärfer und Undo-Pinsel. Mit dem Undo-Pinsel können z.B. zwei Bilder vermischt werden. Das Filterwerkzeug ist entweder eckig oder rund und die Kerngröße kann eingestellt werden. Da die drei Regler für die Deckung nicht im gleichen Dialog enthalten sind, sollte der entsprechende Dialog immer auf dem Desktop in Mausreichweite liegen.

Text

Papillons Texteditor wirkt wie eine erweiterte Version von Visions Editor. Acht Zeilen mit je über vierzig Zeichen warten darauf, einen Text aufzunehmen. Der Text kann gespeichert und geladen werden. Die Dialoge für den Zeichensatz und das Format können direkt aufgerufen werden. Unter Format steht Blocksatz, Flattersatz, Linksbündig und Zentriert zur Auswahl. Die Fontauswahl entspricht der von MagiC. Damit der Text sich in das Bild integriert, muß als Zeichenmodus “AND” eingestellt werden.

Block

Papillon kennt das Lasso und den rechteckigen Block. Aus dem Lasso wird ein rechteckiger Block geformt, der Ausschnitt, der vom Lasso ausgewählt wurde, bildet innerhalb des Blocks die Maske. Wie von den Zeichenfunktionen gewohnt, läßt sich auch nach dem Markieren eines Blockes die Größe verändern. Der Block kann nun ausgeschnitten, kopiert und eingefügt werden. Im Block-Menü stehen die Funktionen zum skalieren, drehen, spiegeln, vervielfältigen und projizieren bereit.

Effektfeuerwerk

Papillon 3 hat leider keine Modulschnittstelle mehr, die wichtigsten Funktionen wurden aber in das Programm integriert. Die Effekte beziehen sich immer auf einen markierten Block. Abrunden, ausdünnen, stark ausdünnen, verdicken und Konturen nachzeichnen stehen zur Auswahl.

Sonstiges

Papillon hat auch einen Multikonverter, der einen gesamten Ordner konvertiert. Dabei kann auch gleich die Farbtiefe geändert werden. Ähnlich wie im PC-Bereich kennt auch Papillon Ebenen. Diese dienen allerdings nur dazu, animierte GIFs zu erstellen.

Gut durchdacht mit kleinen Mängeln

Papillon erweist sich in den eingebauten Funktionen als gut durchdacht. An einigen Stellen wird aber deutlich, das die True Colour-Unterstützung erst in Version 3 dazugekommen ist. So ist eine Palette als Ergänzung zu einer großen Farbauswahl keine schlechte Idee, aber in dem Programm gibt es leider keine große Auswahl, die ein paar tausend Farben auf einmal darstellt. Wie bei Vision ist es auch bei Papillon möglich, im Multi-Konverter als Quellformat Doodle und als Zielformat STAD anzugeben, während die Farbzahl auf 16,7 Millionen gestellt wird.

PixArt

PixArt wurde vor nicht allzu langer Zeit als Freeware freigegeben. Es sieht sogar mittlerweile ganz gut aus, das die Weiterentwicklung in absehbarer Zeit wieder aufgenommen werden könnte.

Oberfläche

PixArt öffnet beim ersten Start eine ganze Reihe von Toolboxen. Schon deshalb ist eine hohe Auflösung (ab 800*600) von Vorteil. Da die Bedeutung mancher Icons auf den ersten Blick nicht ganz klar ist, unterstützt PixArt BubbleGEM. Die rechte Maustaste bleibt innerhalb des Zeichenfensters nicht ungenutzt: eine Box mit den wichtigsten Werkzeugen erscheint. Welche Werkzeuge erscheinen soll, kann eingestellt werden, ebenso wie die gesamte Tastaturbedienung. Auch PixArt nutzt zum Drucken GDOS, setzt aber für den Druckdialog kein WDIALOG voraus. Der Druckdialog erlaubt das Zoomen, Plazieren, Drehen und Rastern des Bildes. Gespeichert werden darf in zehn Formaten, wobei PixArt nur die möglichen Formate zuläßt. Es ist nicht möglich, bei einem True Colour-Bild GIF anzuwählen. Alle Dialoge von PixArt liegen in Fenstern, die sogar – bei sehr kleinen Auflösungen – scrollbar sein können. Die Benutzeroberfläche wirkt etwas altmodisch, aber übersichtlich.

Einstellungen

Unter “Dateiformat” befinden sich einige wichtige Einstellungen. So kann eingestellt werden, ob TIFFs im Intel oder Motorola-Format gespeichert werden soll. Die Qualität von JPEGs ist nur in vier Stufen regulierbar. Umfassend ist die Einstellung der Tastaturbelegung. Beim ersten Start von PixArt ist noch nicht einmal “Neu...” mit Control+N belegt. Ebenfalls frei änderbar sind die 40 Einträge im Popup-Menü. Wird ein neues Bild erzeugt oder geladen, erscheint der Bildformat-Dialog. Hier kann auch der Undo-Puffer ein- und ausgeschaltet werden. Netterweise zeigt PixArt an, wieviel Speicher das Bild benötigen wird. Die Bildgröße ist frei wählbar, als Vereinfachung sind einige Formate wie 320200, 640480, DIN A4 und DIN A6 in einem Popup zusammengefaßt.

Zeichenfunktionen

PixArt hat sehr viele Zeichenfunktionen zu bieten, besonders in Verbindung mit den Werkzeugparametern:

Werkzeuge wie Tupfer oder Wasser gehen in Richtung EBV und tatsächlich ist PixArt hier im Vergleich zu Papillon und Vision am weitesten, auch wenn es nach wie vor jedes Bild in die aktuelle Farbtiefe konvertiert. PixArt unterscheidet zwischen “Pfaden” und “Werkzeugen”. Pfade sind für PixArt Freihand, Punkte, Linie, Rechteck usw. . Pfade werden mit den Werkzeugen kombiniert. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten. Stift und Sprühdose können wahlweise im True Colour-Modus arbeiten und sehen dann realistischer aus. Die Ambitionen Richtung EBV unterstreichen auch noch einige Retouchier-Werkzeuge.

Text

In Texteinstellungen fällt zunächst einmal auf, das PixArt die Schriften nicht zu Familien zusammenfaßt. Wer neben True Type-Fonts noch einige Signum!2-Schriftarten hat, kann auch diese mit PixArt verwenden. Der Texteditor wird in einem eigenen Fenster dargestellt und faßt bis zu 50 Zeilen. Der Text kann gespeichert und geladen werden.

Block

PixArt hatte schon immer sehr umfangreiche Blockoperationen. So läßt sich ein Gitter über den Block legen, um einzelne Bereiche zu verzerren. Der Block läßt sich auf vorgegebene Formen projezieren und räumlich verzerren, drehen und spiegeln.

Effekte

PixArt hat keine Modulschnittstelle, hat aber Funktionen zum Schärfen und Verwischen. Durch Kombination der Werkzeuge lassen sich zudem einige Effekte erzielen.

Sonstiges

PixArt unterstützt das Wacom-Zeichentablett in fast allen Funktion. Damit ist ein natürlicheres Zeichen möglich.

EBV/Malprogramm-Zwitter

Bei all den – gut gelungenen – Ambitionen Richtung EBV stört eigentlich nur eines: PixArt paßt jedes Bild immer an die aktuelle Farbtiefe an. Dies war aber auch genau einer der Punkte, der sich bei der Version 5 ändern sollte.

Der Rest

Einige Malprogramme wurde hier nicht besprochen, sind aber doch erwähnenswert. Da wäre als erstes Digital Lab, das sich ganz auf das französische M&E-System verläßt und damit über sehr viele Import- und Export-Formate verfügt. Größter Nachteil ist sicher, dass das M&E-System in die Jahre gekommen ist und Filter für JPEG und GIF nicht immer zuverlässig funktionieren. Ansonsten ist Digital Lab durchaus einen Blick wert und gefällt durch seine schöne Oberfläche. Das gleiche kann über True Paint nicht gesagt werden. Eines der ersten Malprogramme, die für den Falcon entwickelt wurden läuft sehr instabil und hat schlecht aussehende Benutzeroberfläche. Größter Vorteil: es kennt viele Bildformate.

[1] vision.atari.org [2] application-systems.de [3] st-computer.net [4] http://eric.dacunha.free.fr/DIGI.HTM



Aus: ST-Computer 07 / 2002, Seite 14

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