Stateside-Report: Living in America

In unregelmäßigen Abständen berichtet Bengy April, Betreiber des beliebten Online-Angebots MagiC Online von Entwicklungen, Meinungen und Gedanken rund um den amerikanischen Atari-Markt.

Schwere Zeiten

Die Computerindustrie ist in einem schlechten Zustand. Obwohl die Hightech-Firmen schon seit Monaten in Schwierigkeiten stecken, haben die Terror-Anschläge in den Vereinigten Staaten alles nur noch schlimmer gemacht. Viele Computerläden haben hier nur noch vereinzelt Systeme zu verkaufen; die Lager sind leer und neue Kunden kommen nur selten.

Vielleicht fühlen sich nur wenige Leute in der richtigen Stimmung, einen neuen Computer zu kaufen, nachdem ihr Land gerade angegriffen wurde. Aber diese emotionalen Randerscheinungen sind nicht der Hauptgrund dafür, dass die Lager leer sind. Vielmehr haben es die Läden schwer, an neue Systeme heranzukommen: die Grenzen der Vereinigten Staaten sind nun sehr viel schwerer zu überqueren, hinzu kamen Taifune in Taiwan - eine Kombination, die tödlich ist für die globale Ökonomie.

Natürlich könnte gesagt werden, dass die Mainstream-Computerindustrie sich in letzter Zeit sowieso schon sehr langsam bewegte. Neuvorstellungen werden merkbar weniger, und die Kundschaft ist längst nicht mehr so kaufwillig wie früher. Atari-Fans sind davon nicht direkt betroffen, aber auf moderne Atari-Anwender, die auf Mainstream-Hardware arbeiten, warten in Zukunft ebenfalls einige Kopfschmerzen. Eigentlich war die Zeit nie besser, Ihre Windows-Maschine herunterzufahren oder Ihren Macintosh in den Schlaf zu schicken, um zurückzukehren zur Einfachheit Ihres Classic Atari. Und wenn Sie von Computern und Betriebssystemen ganz und gar genug haben, kramen Sie Ihren Jaguar wieder heraus!

Jag is back?

In letzter Zeit gab es viele Berichte über Computerläden in Großbritannien, die neue Jaguar-Systeme zu absoluten Tiefstpreisen an den Mann bringen. Ob diese Geschäfte einfach nur alte Lagerware verkaufen, ist bisher unklar. Die Zukunft des Namens "Atari" ist jedoch gesichert. Atari ist zurück - zumindest in der Videospiel-Industrie! Die lange verwaiste Domain "Atari.com" wird in Kürze ein Update erfahren, und fast jeden Tag gibt es Berichte über klassische Atari-Spiele, die auf die heutigen Systeme portiert werden.

Hilft dies den Atari-Computer-Anwendern? Vielleicht, aber es dürfte klar sein, dass wir nicht in demselben Maße von dem Comeback profitieren wie Hersteller von T-Shirts. Manchmal sieht es hier in Amerika so aus, als wären bereits 90% der Bevölkerung mit Atari-T-Shirts eingedeckt worden. Vielleicht nehmen sich die Firmen nun die restlichen 10% vor...

Messen

Kommen wir nun zu spezifischeren Atari-News. Derzeit sind mehrere Messen in Planung. Wichtig für uns Nordamerikaner ist, dass die wichtigste Show wahrscheinlich in Toronto in Kanada stattfinden soll. Obwohl bisher noch nichts in trockenen Tüchern ist, zeigen die ersten Reaktionen doch, dass ein ausreichender Bedarf bei Anwendern, Gruppen und Händlern besteht. Wenn die Show zustande kommt, wäre dies das erste Mal, dass eine internationale Atari-Messe in Kanada stattfindet - ein weiteres Beispiel für das immer noch vorhandene Interesse an Atari.

Grabenkämpfe

Trotzdem bleiben die Bemühungen um den originalen Atari-Spirit nicht ohne Herausforderung. Infogrames, derzeitiger Inhaber des Markennamens "Atari", verteidigt sein gutes Recht, den Namen zu allein zu nutzen. So wurde z.B. der neu gegründeten Anwender-Gruppe "Atari International" untersagt, das Wort "Atari" in ihrem Namen zu tragen. Dies zwingt die Interessensgemeinschaft nun, ihre Strategie zu überdenken. Das passt zur Behandlung des Online-Dienstes "Atarilabs.com": Infogrames zeigte auch hier Muskeln und möchte die Betreiber zwingen, den Namen "Atari" nicht mehr zu benutzen.

Diese Handlungsweise enttäuscht viele ehrliche Atari-Anwender, da viele von ihnen gehofft hatten, dass sich Infogrames sehr viel flexibler um die Flamme von Atari kümmern würden als der vorherige Besitzer Hasbro.

Wilde Zeiten

Vielleicht bringen diese unsicheren Zeiten einige verlorene Atari-Anwender zurück in die Gemeinde. Gasmasken sind hier überall bereits ausverkauft, die Leute horten Medikamente gegen die Wirkung von Bioattacken, viele lassen sich sogar Bombenbunker bauen. Experten warnen jedoch davor, da solche extremen Aktionen dem Einzelnen wahrscheinlich nicht viel helfen werden. Was aber nach ihrer Meinung helfen wird, ist das Weiterleben wie vorher -man solle sich ein Hobby suchen, um nicht mehr über die schrecklichen Geschehnisse nachzudenken. Vielleicht, so die Experten, solle man wieder etwas mehr Sport treiben. Vielleicht solle man auch den alten Computer aus dem Speicher kramen...


Bengy Collins
Aus: ST-Computer 11 / 2001, Seite 40

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