Painium Disaster

Nach jahrelanger Entwicklungszeit erhalten Falcon-Besitzer mit "Painium Disaster" endlich ein neues Shot'em up.

Wenn Falcon-Besitzer von einem genug haben, dann sind dies Demos und Screenshots von halbfertigen Spielen. Immer wenn man dabei ist, eines dieser Spiele mit einem Rotstift als „gestorben“ zu kennzeichnen, erscheint es dann doch. So kam „Crown of Creation“ nach monatelanger Verspätung heraus und Spiele wie „Llamazap“ haben eine Ehrenrunde eingelegt, bevor sich ihrer jemand annahm. Zwei der Software-Projekte, die vor Jahren als „so gut wie fertig“ bezeichnet wurden, sind „Willie“ und „Painium Disaster“. Auf „Willie“ darf weiter gewartet werden, aber Painium ist überraschend unspektakulär veröffentlicht worden.

Im All ist mal wieder die Hölle los. Durchgeknallte, knallbunte Aliens greifen die Erde an. Glaubten die Menschen erst noch an eine Delegation des Intergalaktischen Karnevalsverein, so wurde schnell klar, das es sich um Invasoren handelte. Seit „Space Invaders“ weiß die Menschheit aber, was zu tun ist und schickt einen einzigen Piloten gegen die Alien-Armada. Vier Piloten wurden in die engere Wahl gezogen und jeder bringt sein eigenes Raumschiff mit, denn die NASA muß sparen. Von der nächsten Raumbasis wird der Pilot nun den Alien-Horden entgegengeschickt, um in vier Leveln mit den Invasoren aufzuräumen.

Systemvoraussetzung

Gesteuert wird Painium mit Joystick oder Jagpad, wobei das Jagpad deutlich empfehlenswerter ist, da mehr als ein Feuerknopf benötigt wird. Ein Falcon ist Pflicht, 3.9 MB benötigt das Spiel, was bedeutet, das auf Falcons mit nur 4 MB alle Accessories und residenten Programme deaktiviert werden müssen. RGB und VGA-Monitore werden unterstützt. Das Spiel selber läuft zwar problemlos unter VGA, aber in den Filmszenen gibt es ab und zu Verschiebungen (nur unter MagiC). Installiert werden sollte das Spiel auf Festplatte, wo es entpackt etwa 11 MB belegt.

Getestet wurde Painium Disaster auf einem unbeschleunigten Falcon mit 14 MB RAM, MagiC, Festplatte, Jagpad und VGA-Monitor.

Start

Der Start klappt problemlos auch unter MagiC und NVDI, Painium stellt selber die Auflösung um und kann auch ohne Reset verlassen werden.

Das Intro besteht aus ein paar netten Filmchen, die das Raumschiff zeigen. Die Filme sind sehr dunkel geraten und von der Qualität auch nicht übermäßig hoch. Erzeugt wurde der Film per Raytracing, die Filmqualität ist offenbar ein Kompromiß an das Datenmedium - das Spiel sollte als kommerzielles Produkt auf HD-Disketten erscheinen. Mit der Leertaste kann das Intro abgebrochen werden und das Menü erscheint.

Auf einem TV/RGB-Bildschirm kann der Overscan-Modus aktiviert werden. Ansonsten gibt es das übliche: ein durchaus sehenswerter Credits-Screen, Steuerungsauswahl (Joystick oder Jagpad), Start des Spiels und Rückkehr zum Desktop.

An dieser Stelle soll schon angemerkt werden, das die Joystick-Steuerung zwar funktioniert, aber der Feuerknopf nicht erkannt wird. Die Anleitung berichtet von Problemen mit einigen Falcon-Baureihen, der Joystick-Bug muß also nicht überall auftreten.

Spielstart

Nachdem das Spiel gestartet wurde, darf der Spieler ausgewählt werden: zwei typmäßig ähnliche Frauen, ein Mann und ein etwas älterer Mann. Bei den Grafiken der Figuren haben sich die Autoren des Spiels wohl von japanischen Comics inspirieren lassen, im Spiel selber ist davon nichts mehr zu spüren. Die Angaben wie Alter, Gewicht und Größe haben auf das Spiel keine Auswirkung, Story-Elemente fehlen ebenfalls. So bleiben als einzige ernsthafte Unterschiede die Reaktionsgeschwindigkeit und Grundbewaffnung.

Baller Baller

Nach kurzer Ladezeit und einem Planetenbild später findet man sich auf dem Spielfeld mit dem hellblauen Raumschiff wieder. Painium Disaster ist ein Vertikalscroller wie z.B. Raiden. Die Gegner kommen dennoch von allen Seiten, während das Spielfeld von oben nach unten scrollt. Im ersten Level bleibt man noch von Angriffen von hinten verschont. Das eigene Raumschiff hat unabhängig von der gewählten Spielfigur drei Waffen: eine Smart Bomb, Laser und eine Rakete gegen Bodenziele. Besonders durch die Rakete erinnert das Spiel sehr an Xevious, wo man ebenfalls neben fliegenden Raumschiffen per Spezialwaffe Bodenziele ausschalten mußte. Gemeinerweise schießen die Bodenziele besonders fleißig. Der Laser unterscheidet sich je nach Spielfigur und besteht entweder aus einem oder zwei Strahlen. Von der Stärke her gibt es kaum Unterschiede und selbst im ersten Level benötigen die meisten Gegner mehrere Treffer. Natürlich schießen die Gegner fleißig zurück, so das man häufig manövrieren muß und gleichzeitig schießt.

Manche Gegner hinterlassen bei ihrem Ableben eine Blase, die die Energie auffrischt oder die Waffe ändert. Der Laser läßt sich leider nicht so aufrüsten, wie z.B. bei Xenon II, was eigentlich ab dem zweiten Level bitter notwendig wäre. Dafür sollten die Energieblasen unbedingt aufgenommen werden, denn die Spielfigur hat nur ein einziges und eine Energieleiste. Unterstützung von einem zweiten Spieler gibt es nicht. Der einzige Weg, den Bildschirm zu säubern ist da nur die Smart Bomb.

Die Gegner selber sind relativ groß und bunt. In den Leveln gibt es je einen Zwischen- und einen Endgegner, die besonders viel Treffer vertragen können. Bis man dorthin gelangt, ist es allerdings ein harter Weg. Die kleinen Gegner schießen schon im ersten Level ziemlich heftig, so das kaum Platz für das etwas grosse eigene Schiff bleibt. Zudem kommen diese in absolut chaotischen Formaten angeflogen, so das man eigentlich nur noch sich irgendwie einen Korridor durch die Gegnermassen bahnen kann. Dazu kommen noch die Bodenziele, die fleißig in alle Richtungen ballern. An ein geordnetes Spiel ist nicht zu denken, die Devise heißt eher auf den Feuerknopf zu drücken, um dann zu hoffen, das irgendwas getroffen wird. Im Vergleich zum "Vorspiel" ist der Endgegner regelrecht zahm und mit etwas Geduld einfach zu besiegen.

Richtig haarig wird es in späteren Leveln, wenn Gegner auch von hinten kommen.

Die Gegner sind zwar fast alle sehr groß, aber als "Ausgleich" sind ihre Schüsse umso kleiner. Da feuern große, rote Gegner fünf Pixel große weiße Schüsse ab, die auf dem Bildschirm kaum auszumachen sind, aber dem Schutzschild empfindlichen Schaden zufügen. Ohnehin ist die Sichtbarkeit ein Problem, denn bei den Hintergrundgrafiken wurde auf stereotype Raumschiff/Weltallgrafiken verzichten und stattdessen quietschbunte Muster verwendet. Sich auf diesem Patchwork an Farben zurecht zu finden, bedarf einiger Gewöhnung. Zwar machen die Gegner durchaus eine Pause zwischen den Schüssen, aber da sich zu jeder Zeit sechs bis zwölf Gegner auf dem Schirm tummeln, fliegen dem eigenen Schiff ständig Schüsse um die Ohren. Alleine manche Bodenbasen geben zwölf Schüsse gleichzeitig ab, es empfiehlt sich, sich die Position dieser Basen zu merken.

Scharfer Schwierigkeitgrad

Es stellt sich natürlich die Frage, warum Painium Disaster so schwer ist. Die Antwort ist einfach: das Spiel hat nur vier Level. Da Painium ursprünglich als kommerzielles Spiel zum Preis von 69 DM geplant war, wären die Kunden bei einem moderaten Schwierigkeitsgrad schnell enttäuscht gewesen, da die vier Level auch nicht riesig sind. Das leider oft angewandte Mittel ist, den Schwierigkeitsgrad bereits im ersten Level hoch anzusetzen. Einen Trick, um zumindest einen Blick in jeden Level werfen zu können, gibt es aber. Auf der Festplatte liegen nach der Installation vier Dateien mit den Leveldaten ("LEVEL_x.DAT"). Um Level 4 zu sehen, muß einfach nur LEVEL_4.DAT in LEVEL_1.DAT umbenannt werden. Den Endgegner erreichen aber auch so nur echte Experten.

Das ein erhöhter Schwierigkeitsgrad auch durch geordnete Gegnerformationen und sichtbaren Schüssen erzeugt werden kann, hat sich scheinbar noch nicht herumgesprochen.

Grafik

Grafisch gibt sich Painium Disaster keine große Blöße: alle Grafiken sind schön gezeichnet und äußerst bunt. Sparkost gibt es bei den Schüssen und der Animation. Es gibt zwar Animation bei den Objekten und auch bei der Hintergrundgrafik, aber diese ist äußerst sparsam. Die Hintergrundgrafik ist, wie schon erwähnt sehr bunt. Manchmal stellt sich zwar die Frage, worüber das Raumschiff denn fliegt, aber der Hintergrund ist schön anzusehen - wenn dafür Zeit bliebe. Das Scrolling ist langsam und butterweich, bleibt aber auf die vertikale Richtung beschränkt.

Die sparsame Animation macht sich besonders bei den Obergegnern bemerkbar. Diese werden mehr oder weniger von links nach rechts geschoben und sind animationstechnisch nur ein kleiner Fortschritt gegenüber den "Space Invaders".

Sound

Der Sound besteht aus 8-Kanal-MOD-Stücken, die alle gut gelungen sind und zum Spiel passen. Im Test trat ab und zu das Phänomen auf, das im Spiel keine Musik zu hören war. In diesem Fall sollte die Pausenfunktion aufgerufen werden und schon wird die Musik eingeschaltet. Während der Pause kann auch die Lautstärke von Musik und Soundeffekten eingestellt werden.

Die Soundeffekte sind guter Durchschnitt und bestehen aus den üblichen Schuss- und Explosionsgeräuschen.

Unfreiwillig komisch ist hingegen die Sprachausgabe: ich habe selten ein derart dahingeschnarchtes "Game Over" gehört. Der Sprachsample stammt vermutlich von einem verschnupften Mann, der sich eine Wäscheklammer an die Nase geklemmt hat, um dann für die Nachwelt Sätze wie "Game Over" auf die Grammophon-Platte zu bannen. Auch wenn die archäologische Arbeit des Painium-Teams gewürdigt werden sollte, finden sich doch auf jeder PD-CD bessere Soundsamples. Zum Glück ist Sprachausgabe eher selten.

Highscore

Wenn trotz des Gegneransturms genügend Punkte gesammelt werden konnten, kann man sich in die Highscore-Liste eintragen, die auch abgespeichert wird.

Fazit

Endlich ist es soweit: Crescent Galaxy für den Falcon. Tatsächlich haben die Spiele einige Gemeinsamkeiten: beide sind chaotisch, verfügen über gute Grafik und sind spieltechnisch eine mittlere Katastrophe. Painium Disaster zieht gegenüber ST-Klassikern ("Xenon II", "Lethal Xcess") klar den kürzeren. Bei den Angriffswellen geht der Spielspass schnell in den Keller und zu keiner Zeit kommt das Gefühl auf, das man gegen die Gegnermassen eine Chance hätte. Das zudem auch noch eindrucksvolle Extrawaffen eingespart wurden, ist eigentlich unverzeihlich. Als Vollpreisspiel wäre Painium Disaster ein echter Flop gewesen, als Freeware ist es zumindest einen Blick wert. Wer "IO" auf dem C64 oder "JUG" auf dem ST gemocht hat, wird Painium Disaster vermutlich lieben.

Download unter http://www.dhs.nu


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 11 / 2001, Seite 50

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