Scene-Report

Und wir bleiben in Partystimmung. Die ultimative Veranstaltung für alle Scener findet vom 11. bis zum 15. April in Hamar, nördlich von Oslo statt. Nico Barbat unterhielt sich mit den Veranstaltern.

The Gathering 2001

Die Scene versteht es bestens sich zu amüsieren. Große alljährliche Veranstaltungen wie »MekkaASymposium« in Deutschland, »The Party« in Dänemark, »The Assembly« in Finnland und »The Gathering« in Norwegen ziehen tausende von Demo-Interessierten auf allen Plattformen an. Die diesjährige The Gathering (TG01), die vom 11. bis 15. April in Hamar, nördlich von Oslo, stattfindet, steht unter dem Motto »A Cyberspace Odyssey«. Wir unterhielten uns mit Bent Stamnes, einem der Veranstalter der TG01, über die Entwicklung der Demoscene und der Parties im Speziellen in den letzten Jahren.

Hallo und willkommen, Bent. Würdest du Dich, wie in der Demoscene traditionell, kurz selbst vorstellen?

Sicher! Mein Name ist Bent Stamnes, und ich bin Teamleiter für die Democrew der TG01 in Norwegen. Mein Job ist die Realisierung der verschiedenen Demo-Wettbewerbe, also dafür zu sorgen, die Abgabetermine einzuhalten und die Wettbewerbe durchzuführen - ein Job voller Hektik, Stress und wenig Schlaf...

Womit verbringst du Deine Zeit, wenn du mal nicht in Party-Vorbereitungen steckst?

Ich betreibe ein Unternehmen im Internet-Sektor, das Multimedia-Dienstleistungen für spezielle Projekte anderer Firmen erbringt, also beispielsweise ein Intro für ihre Software. Gewöhnlich binde ich Leute aus der Scene für die aktuellen Entwicklungen dieser Projekte ein. Daneben habe ich ein kleines Unternehmen, das Songs für unterschiedlichste Künstler produziert, einschließlich eines eigenen Projektes (»Boombox«), das auf verschiedenen eigenen Singles und norwegischen Samplern vertreten ist.

Woher nimmst Du, bei so viel Arbeit im privaten und professionellen Leben, noch die Motivation, die Gathering zu organisieren?

Seit ich mein erstes Demo gesehen habe - irgendwann im Jahre 1991 - wusste ich, dass die Scene etwas für mich war. Ich war über die Jahre hinweg an verschiedenen Scene-Projekten auf dem Amiga und dem PC beteiligt. 1996 veröffentlichten wir (»Excess«) unser erstes (und bislang letztes) Demo namens »Timeout«, das auf der Gathering den sechsten Platz in der Demo-Competition belegte, aber das hat mit der Sache eigentlich nichts zu tun... Zem von den Crusaders war zu dieser Zeit einer der Organizer der Gathering (und er ist es, seit 1992, auch heute noch). Nach der Gathering ’96 fragte er mich, ob ich der Democrew beitreten wolle - und das tat ich dann auch, ab der Gathering ’97. Seit 2000 bin ich offizieller Teamleiter. Aber ich schweife wohl ein wenig ab;)

Meine Motivation ist es etwas von dem Feuer zurück in die Scene zu tragen, das sich offenbar nach Finnland und Deutschland zurückgezogen hat, wo einst alles angefangen hat. Ich möchte, dass die heutige Computer-Jugend wieder kreativ wird, anstatt passiv mit IRC-Clients und Computerspielen die Zeit zu verbringen. Ich würde auch gerne sehen, dass die Gathering wieder einen größeren Teil der Aufmerksamkeit der Scene einfängt, denn in den letzten Jahren ist die Zahl der Beiträge zu den Wettbewerben gesunken. Eine große Aufgabe, aber irgendjemand muss sie ja erledigen, oder?

Das ist wohl richtig - welche Aspekte für die TG01 siehst du dementsprechend als besonders wichtig an?

Es ist wichtig, dass auch die Neueinsteiger mit Respekt behandelt werden. »Puh, du kannst ja nicht mal Metaballs machen, verschwinde!« - solches elitäre Verhalten ist nicht wünschenswert. Wir sollten die Gelegenheit ergreifen, junge Talente in die Demoscene einzuführen. Wir haben auch Pläne, Wettbewerbe mit einer niedrigeren Lernkurve einzuführen, um diese Leute für die Szene zu gewinnen - aber dazu später mehr!

Welche Gruppen und Personen stehen hinter der Gathering2001?

Zunächst und zuvorderst die Demogruppe »Crusaders«. Sie haben die The Gathering ins Leben gerufen und waren immer präsent. Tatsächlich gäbe es wohl keine Gathering, wenn es sie nicht gegeben hätte. Dahinter stehen viele einzelne Personen, die in irgendeiner Weise mit der Party verbunden sind und die TG-Crew bilden. Zusammen besteht dieses Team aus gut 230 Leuten! Wenn spezifische Personen hervorgehoben werden sollen, komme ich wohl nicht um die Nennung von Vegard Sjefstad (Shade/Crusaders) herum. Seit Beginn hatte er eine so tiefgründige Überzeugung von der Gathering, dass er Tausende Dollars aus seiner eigenen Tasche bezahlt hat, um dieses Ereignis auszutragen - viele Leute haben diese Tatsache vergessen. Außerdem ist da noch Trond Michelsen, ein weiterer Crusaders-Oldtimer, der zusammen mit Vegard den Kopf der TG-Organizer bildet. Die beiden kümmern sich um das Budget, die Sponsoren und vieles mehr - ich würde ihren Job nicht übernehmen wollen.

Da stimme ich Dir voll zu. Wenn nun ein Gast die TG01 besucht - welche Systeme kann er dort erwarten?

Nun, alle! Wir haben Leute, die einen C=64 oder Casio-Taschenrechner mitbringen, und andere, die mit einer BeBox, SGI-Maschine oder Playstation anrücken. Es gibt keine Grenze für die Hardware-Plattformen, mit denen die Besucher hier erscheinen. Entsprechend werden wir Wettbewerbe für unterschiedlichste Systeme austragen.

Welche Meinung vertrittst du zum Thema »oldskool«, also die Tugend vieler älterer Demoscene-Mitglieder, ihre Demos und ihr Auftreten wieder verstärkt nach dem Vorbild der Legenden wie Melon, Phenomena oder Anarchy auszurichten?

Herauspicken müsste, würde ich sagen, dass »Oldskooler« die Leute sind, die seit 1992 in der Scene sind - aber die wahren »Oldskooler« sind die Entwickler der C64-Cracktros, oder? Viele aus der alten Garde arbeiten heute bei Internetoder Multimedia-Unternehmen rund um die Welt, und es ist nicht schwer zu verstehen, warum sie die best bezahltesten Jobs erhalten. Das Talent, das diese Leute hatten, ist unglaublich.

Worin bestehen die Unterschiede zwischen der Szene von heute und gestern, und wie spiegelt sich dieser Wandel auf der The Gathering 2001 wieder?

Die größte Veränderung ist, dass viele Leute scheinbar nicht mehr zusammen in einer Gruppe, sondern alleine für sich an einem Einzelprojekt arbeiten. Dies ist eine Schande, und verantwortlich dafür ist das Internet. Früher konnte man Leute, die man über BBS’s oder ähnliches kennengelernt hatte, nur auf Parties treffen. Dort wurden Gruppen gebildet, über die die Mitglieder stärker in die Scene eingebunden wurden. Das Scenegefühl vergangener Tage war toll - man konnte sich einfach hinüberlehnen und z.B. bei Programmier-Problemen seinen Tischnachbarn auf einer Party fragen. Jeder half sich gegenseitig und gemeinsam. Heute scheint es, dass die Kontakte gescheut werden. Wir wollen auch auf der TG01 versuchen, dem Trend entgegenzuwirken, indem wir mehr teambasierte Wettbewerbe veranstalten.

Meiner Meinung nach ist die Vorstellung des Begriffs »oldskool« weit gestreut und sehr relativ. Wenn ich ein Jahr

Welche Möglichkeiten gibt es, sich vorab über TG01 zu informieren?

Das ist hübsch einfach - unter gathering.org sind alle wichtigen Informationen, z.B. News, die geplanten Bustouren zur TG01, Anreisepläne oder eine Mailingliste, zu finden.

Bent, vielen Dank für dieses Interview, und viel Erfolg für The Gathering 2001!

Ich danke für das Interesse, und hoffe, Euch alle auf The Gathering zu sehen!


Nico Barbat
Aus: ST-Computer 03 / 2001, Seite 54

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