CT60: Interview mit Rodolphe Czuba

Rodolphe Czuba ist kein Unbekannter in der Atari-Welt. Seine Centurbo-Beschleunigerkarten verhalfen dem Falcon 030 Ende der 90er Jahre zu neuen Höhenflügen und sind zum Quasi-Standard für Aufgaben wie Bildbearbeitung und Raytracing bei leistungshungrigen Falcon-Besitzern geworden. Weniger erfolgreich war er mit seinen Clone-Projekten: Weder konnte sich der lang erhoffte Phenix aus der Asche erhaben, noch zündete sein RIORED-G3-Board.

Zurück vom Abenteuer USA hat der findige Franzose neue Pläne. Die Centurbo soll wieder aufleben und in einer Version mit 68060-CPU dem Atari Falcon die Königsklasse der 68k-Technologie als Filetstück servieren. Thomas Raukamp unterhielt sich mit Rodolphe Czuba.

Rodolphe, jeder Atari-Anwender kennt Deine Arbeit von der exzellenten Centurbo für den Falcon. Jetzt arbeitest Du an einer 060- Version der Centurbo. Wie geht die Arbeit voran?

Schnell am Anfang, doch seit Dezember geht es etwas langsamer voran, da ich an einem sehr wichtigen PowerPC-Projekt einer neuen amerikanischen Firma mitarbeite. Seit Anfang Januar arbeite ich jedoch wieder intensiver am Design der Centurbo 060, da ich so schnell wie möglich fertig werden möchte. Ich könnte später einfach keine Zeit mehr dazu haben.

Zur Zeit stelle ich gerade das Interface zwischen der CT 60 und dem Motherboard des Falcon fertig. Es handelt sich um sehr komplexes Design. Außerdem arbeite ich am SDRAM-Controller, so etwas wurde noch nie für ein 060-Board entwickelt.

In der Planungsphase der Centurbo 060 hast Du um einen bestimmte Anzahl von Vorbestellungen gebeten. Ist die notwendige Anzahl mittlerweile realisiert worden?

Ja, nach einer ziemlich langen Phase des Zweifelns haben sich 130 Personen gemeldet. Zur Zeit sind noch 122 Leute vorhanden, da einige von ihrem Kaufvorhaben aus verschiedenen Gründen zurück getreten sind - so haben einige keinen Falcon oder kein Geld mehr. Auch wenn nun noch einige andere aussteigen, so rechne ich doch damit, dass wir für mindestens 100 Kunden produzieren können. Ich habe bisher nur die E-Mail-Adressen der Besteller, bisher sind keinerlei Schecks oder gar Bargeld eingetroffen. Die bindende Willenserklärung werde ich erst verlangen, wenn die Prototypen für die Produktion fertig sind.

Wie lange arbeitest Du schon an der Centurbo 060?

Seit September 2000.

Wie stabil arbeiten erste Versionen der Karte?

Zur Zeit noch gar nicht - wenn man von reellen Karten ausgeht. Aber ich bin mir sicher, dass sie besser arbeiten als die Centurbo II.

Ein kritischer Punkt bei der Verwendung eines anderen Prozessors ist die Anpassung des Betriebssystems. Milan und Medusa mussten einige Arbeit in die Portierung des TOS auf den 68060 stecken. Welche Version des TOS verwendest Du für die Centurbo 060 und wie wird die Kompatibilität gewährleistet sein?

Wir werden das TOS des Falcon 030 verwenden und haben bereits Boot-Routinen für das Flash-Speicher programmiert. Diese Software initialisiert alle nötigen Register der CT 60, z.B. das SDRAM. Das ROM wird dann in den Flash-Speicher kopiert, der immerhin 1 MB umfasst, indem einige Dinge wie der PMMU-Baum gepatched wird. Die Library für die FPU der 060 befindet sich ebenfalls im Flash.

Eine weitere interessante Eigenschaft der Centurbo 060 ist ihr offenes Bussystem…

Dieses Bussystem ist in erster Linie für zwei verschiedene Erweiterungen gedacht: das PCI-/AGP-Modul, das ich entwickeln werde und eine PowerPC-Karte, die ausschließlich für zwei Entwickler bestimmt ist. Diese werden dann eine Emulation oder eine native PowerPC-Variante des TOS realisieren, wenn dies nicht vorher von jemanden anderen erledigt wird. Diese Erweiterung ist also nicht für Endkunden bestimmt. Das Ziel ist dabei, später ein komplett neues PowerPC-Motherboard zu entwickeln. Die Logik für das SDRAM und die PCI- bzw. AGP-Schnittstellen habe ich dann ja dank der Centurbo 060 bereits.

Können Anwender den PCI-Adapter von cortex design zusammen mit der Centurbo 060 verwenden oder müssen sie zwingend auf Deine PCI-Erweiterung warten?

Alle Erweiterungskarten für den Falcon-Bus werden einsetzbar sein. Aber es ist sicher, dass meine PCI-Karte in den Transferraten achtmal schneller sein wird und außerdem erheblich günstiger ist.

Eine Erweiterungskarte mit AGP- und PCI-Schnittstellen eignet sich natürlich hervorragend für moderne Grafikkarten. Gibt es bereits Entwickler, die an Treibern z.B. für schnelle ATI- oder Voodoo-Grafikkarten arbeiten?

Wir haben Kontakte zu durchaus interessanten Programmierern, die bereits einige nette Dinge in dieser Hinsicht entwickelt haben.

Im Amiga-Markt existieren ja bereits seit einigen Jahren sowohl 68060- als auch PowerPC-Beschleiniger z.B. für den Amiga 1200, der ein ähnliches Bussystem wie der Falcon 030 besitzt. Wäre es nicht einfacher und vor allen kostengünstiger gewesen, diese vorhandenen Karten an den Falcon anzupassen?

So billig sind diese Karten gar nicht einmal, und ich weiß nicht genau, ob und wie das Busprotokoll adaptiert werden kann. Einige spezifische Eigenschaften des Falcon - z.B. 8-Bit-Devices wie der DSP - zwingen mich außerdem, eine spezielle Logik für den dynamische Busadapter zu entwickeln.

Auf Deiner Webseite finden sich ausserdem Informationen über ein Beschleuniger-Board für den Atari TT. Für eine Produktion sind laut diesen Angaben lediglich 20 Vorbestellungen notwendig. Wie weit ist dieses Projekt?

Bisher haben sich 28 Personen für dieses Projekt gemeldet. Bisher befindet sich das Ganze noch in der Planungsphase und nichts wurde programmiert oder entworfen. Die Umsetzung sollte allerdings recht schnell gelingen, da eigentlich alles aus der Technologie der Centurbo II genutzt werden kann.

Ich bin eigentlich auf dieses Projekt gekommen, da ich noch zwanzig 68030-RC50-CPUs auf Lager habe. Die möchte ich jetzt verkaufen - vielleicht hat ja einer Ihrer Leser Bedarf dafür. Ich denke nämlich mittlerweile, dass es wirklich besser wäre, die Centurbo 060 auf den TT umzusetzen. Dies sollte mehr Leute interessieren.

Würde diese Centurbo TT in das Originalgehäuse des Atari TT passen?

Ja, klar. Und mit einer 060-CPU würde dieselbe Einbaumethode wie beim Atari Falcon verwandt werden. Der Anwender müsste einfach das originale Netzteil des Atari TT entfernen, um so einiges an Raum zu gewinnen. Dafür müsste einfach ein externes ATX-Netzteil verwendet werden.

Der Milan II ist ja leider gestorben. Was ist nun die Zukunft der DSP-Karte Dessee, die wir bereits auf Messen bewundern konnten?

Es gibt dafür keine Zukunft. Niemand scheint ein Interesse daran zu haben, sie zu produzieren. Ich möchte daher das gesamte Design inklusive der Prototypen zu einem günstigen Preis verkaufen. Der Gesamtpreis liegt bei nur 700 Euro. Wenn jemand daran Interesse hat, sollte er mich einfach kontaktieren.

Vor etwas über einem Jahr hörten wir von einem G3-/G4-Board unter der Bezeichnung "RIORED", und gerüchteweise sollte sogar MiNT darauf angepasst werden. Was ist daraus geworden?

Das RIORED-Design wurde im Juni des letzten Jahres auf Eis gelegt. Nach vielen Marktbeobachtungen sind wir zu der Erkenntnis gekommen, dass die Produktion eines guten, günstigen und modernen PPC-Motherboards einfach nicht möglich ist. Das Angebot ist einfach zu klein, denn es gibt derzeit nur zwei Northbridge-Chips auf dem PowerPC-Markt: den IBM CPC 710, der für den RIORED angedacht war, und dem Motorola MPC 107, der von Apple in den G3-Rechnern genutzt wird.

Der IBM kostet 75 Dollar - das ist bereits mehr als ein gutes PC-Motherboard. Der Motorola kostet "nur" 40 Dollar, es existiert jedoch keine 133-MHz-Version. Beide Chips bieten keine Unterstützung für AGP-Bussysteme, SDRAM oder einen modernen Southbridge-Hub-Port. Die angebotenen Lösungen sind einfach zu langsam für heutige Ansprüche wie Ethernet, DSL, 56k-Modems- 6-Kanal-Audio, USB 2.0 und Firewire. Das Ergebnis kann jeder ersehen: Es ist unmöglich, ein PowerPC-Motherboard mit modernen Ein- und Ausgabefeatures zu realisieren, es sei denn, man kauft die ganze I/O-Geschichte als Logik-Library zu sehr teuren Lizenzgebühren, wie dies Apple bei seinen G4-Maschinen macht.

Um die Frage vorweg zu nehmen: Dies spricht natürlich auch gegen das XTOS- bzw. Pegasus-Projekt. Ich glaube einfach aufgrund der gegebenen Marktgegebenheiten nicht daran. Es tut mit leid, wenn ich sehe, dass nun wieder einmal einige Atari-Leute enthusiastisch werden, ohne zu sehen, dass der Pegasus einfach kein technisch definiertes Projekt zu sein scheint.

Zurück zu Silicon Fruit bzw. den RIORED. Silicon Fruit arbeitet zur Zeit an einem - vielleicht revolutionären -Hardware-Konzept, um den IBM PPC750 CXE - also den neuen G3-Sidewinder -oder einen MPC7450 - also den G4+ -auf günstigen Standard-Boards nutzbar zu machen. Zuerst einmal soll damit natürlich der Linux-Markt angesprochen werden. Natürlich würde hier dem Atari-Markt auch eine neue Chance für einen Rechner mit Power TOS oder einer Power-MiNT-Version entstehen. Aber all dies liegt natürlich in der Verantwortung der Atari-Software-Entwickler. Die Frage lautet doch: Sind sie bereit für so eine harte Arbeit?


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 01 / 2001, Seite 22

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