Interview: Ali Goukassian und Thomas Raukamp

Das Interview: Alter und neuer Chefredakteur der ST-Computer im Gespräch
Ali Goukassian, Verlagsleiter und derzeitiger Chefredakteur der ST-Computer, und Thomas Raukamp, designierter redaktioneller Nachfolger, bei einem gemütlichen Gespräch über die Zukunft der ST-Computer.

Goukassian: Thomas, heute vor gut einem Jahr hast Du mich mal gefragt, wann ich Dich denn die ST-Computer endlich würde machen lassen. Hättest Du es gedacht, dass ich mich schon jetzt zu diesem Schritt würde durchringen können - oder war es damals doch eher als Scherz gemeint?

Raukamp: Nein, als Scherz war das ganz sicher nicht gemeint. Ich hatte ja schon einige Erfahrung mit der amigaOS - da ich "von Haus aus" aber eher Atari-Anwender bin, brannte es mir unter den Nägeln, auch in diesem Markt verantwortlich für ein Magazin zu arbeiten. Ich hatte einfach immer viele Ideen für die STC, ohne sie bisher schlecht zu fnden. Zwischenzeitlich hatte ich das Thema allerdings fast abgehakt, da es so aussah, als wenn Du Dich von dem Magazin wirklich nicht trennen könntest - immerhin bist Du ja schon einige Jahre im Markt der Atari Magazine tätig.

Goukassian: Mir fällt es nicht wirklich leicht, mein "Werk", wenn ich es mal so bezeichnen darf, aus den Händen zu geben, aber ich bin mir sicher, dass die ST in Deinen Händen gut aufgehoben ist. Wie und wann bist Du überhaupt zum Atari gekommen?

Raukamp: Meinen ersten Atari bekam ich 1985. Mein erster Rechner war ein Commodore C-16, der allerdings wenige Wochen nach dem Kauf seinen Geist aufgab. Ich war damals noch Schüler und lag meinen Eltern solange in den Ohren, bis sie mir endlich einen neuen Rechner kauften. Das war ein 130XE, der damals schon erhältliche 520ST war meinen Eltern mit DM 3000,- eine Ecke zu teuer. Außerdem gehen Eltern ja leicht von der Formel "Computer = Computer" aus. Trotzdem war der 130er damals für mich eine echt tolle Kiste und ich kam zum ersten Mal mit Programmierung in Kontakt. Mein erstes größeres Produkt war damals ein Programm bzw. eine Schaltung, die die heimische Stereoanlage morgens als Wecker anwarf -ich glaube, meine Familie hat mir diese Schocktherapie am frühen Morgen nie ganz verziehen. 1989 hatte ich dann meinen ersten Synthesizer, und ich brauchte ein Sequencerprogramm dafür. Ich bin dann wie so viele halt über die Musik an den ST gekommen, einen 1040STE mit 4 MB. Irgendwann schenkte mir dann jemand das Programm Calamus 1.09N. So merkte ich, dass man mit dem Atari noch andere Sachen als Musik machen konnte. Nach und nach wurde dann DTP mein neues Steckenpferd, ich kaufte mir dann Calamus SL, später einen MegaSTE, dann einen Falcon. Mit Calamus begann ich dann meine ersten Handzettel zu entwerfen und war ganz verwundert, dass ich irgendwann mit meiner Arbeit am Atari tatsächlich Geld verdienen konnte.

Goukassian: Und mit welchen AtariComputersystemen arbeitest Du heute?

Raukamp: Hauptsächlich benutze ich für meine Arbeit im Internet und für Grafiksachen einen Falcon030 mit Screenblaster und 32 MHz. Für rechenintensive Sachen nutze ich einen Hades040 - aber die originalen Ataris mag ich eigentlich am liebsten. Auf dem Falcon nutze ich MagiC 6. Meine Hauptapplikationen sind alle Internet Programme, ich nutze 1-Connect von ASH und bin sehr zufrieden damit. Für die Grafikbearbeitung arbeite ich mit Smurf und Papillion. Außerdem nutze ich CoMa sehr intensiv auf meinem Falcon CoMa dient mir als unverwüstlicher Kommunikationsmanager.

Goukassian: Wie sieht's mit dem Milan II aus? Ich selbst will ihn definitiv auf meinem Schreibtisch haben. Und Du?

Raukamp: Der Milan war von Anfang an der erste Kompatible, von dem ich das Gefühl hatte, dass er auch die eigentliche Zielgruppe eines Ataris anspricht. Auch der Hades ist nett, rein preislich aber eher für Normalanwender uninteressant. Von mir stammen ja auch die Milan-Seiten. Bisher habe ich mir allerdings noch keinen Milan gekauft, da die Leistung des 040 ja auch in meinem Hades steckte. Am Milan II reizt mich allerdings die enorme Geschwindigkeit, ich weiß von meinem Amiga 4000/060, zu was der 68060 fähig ist. Außerdem bekomme ich damit das nahezu perfekte System für MagiC - also steht der Milan II ganz oben auf meinem Wunschzettel.

Goukassian: Und hat Dich das Feuer trotz der sicherlich erschwerten Marktsituation gepackt, ein eigenes Atari Magazin mit höchsten Anspruch zu publizieren? Schließlich gibt es j a doch nicht all zu viele Neuigkeiten in punkto Software.

Raukamp: Die Situation ist ja schon lange nicht mehr im freien Fall. Es kommen ja immer noch interessante Programme raus - wer hätte schon mit dem Chatter gerechnet oder mit einem JavaScript-fähigen Browser. Oftmals ist es so, dass die Software, die erscheint, nicht so überfrachtet ist wie z.B. Windows-Software und daher einfach mehr Spaß macht. Insofern habe ich keine Motivationsprobleme. Ich hoffe natürlich genau wie Du auf eine neue Schwemme durch den Milan II. Aber ich habe auch zur bestehenden Software viele Ideen.

Goukassian: Also machst Du Dir schon seit Monaten Gedanken darüber, wie das Heft aussehen könnte?

Raukamp: Klar. Ich habe eine ganze Liste mit Ideen zusammengekritzelt, zumeist auf Rückseiten von Fahrscheinen oder Servietten - also immer so festgehalten, wie sie gerade kamen. Hinzu kommt, dass ich die letzten Wochenenden oftmals mit der Lektüre zurückliegender Atari-Magazine verbracht habe. Einige Sachen werde ich anders machen, andere aufgreifen.

Goukassian: Nenne doch 'mal einige der von Dir geplanten Themenschwerpunkte, die mehr oder regelmäßig behandelt werden sollen.

Raukamp: In jedem Fall sollte der Schwerpunkt wieder mehr auf den klassischen Bereichen DTP und MIDI liegen. Ich denke, da ist der Atari immer noch sehr stark und beides ist etwas vernachlässigt worden. Hand in Hand mit DTP geht natürlich die Grafik, hier fallen mir eine Vielzahl von Workshop-Themen ein. Ich denke, man sollte den Leuten wieder klar machen, was mit der vorhandenen Soft- und Hardware möglich ist. Gleichzeitig begreife ich Atari Computing losgelöst von der eigentlichen Atari-Hardware. Atari-Computing findet heute auch auf dem Mac und dem PC statt. Dem sollte Tribut gezollt werden. Natürlich wollen wir nun kein zweiten MacOpen starten, sondern vielmehr Tips & Tricks rund um den Betrieb des Ataris auf anderen Plattformen geben. Außerdem werde ich viele Ideen aufgreifen, die ich während meiner Arbeit bei der amigaOS entwickelt habe: Aktuelle Interviews, Vorstellung von Atari-Persönlichkeiten, den Atari im Einsatz in verschiedenen Bereichen zeigen usw. Meine Liste ist wirklich lang, aber ich werde sie nicht verraten - am Ende nimmst Du mir das alles in Deiner kommenden Ausgabe voraus ... ;)

Goukassian: Ich muss ja zugeben, dass ich auch eine Menge weiterführende Ideen gehabt habe, diese aber aufgrund Zeitmangels nicht umsetzen konnte. Wenn ich dir aber einen Wunsch mit auf den Weg geben dürfte: Behandle gemeinsam mit Deinen Autoren auch die kleinen Softwareperlen ausführlich, es gibt eine Menge davon.

Raukamp: Das ist es, was ich meine. Es gibt sehr gute Software, auch kleinere Lösungen. Gerade die machen das System interessant. Wir werden z.B. In jedem Monat ein Programm des Monats vorstellen - da ist auch Platz für die Perlen, von denen Du sprichst.

Goukassian: Okay. Da fällt mir ein: Wäre es nicht die erstklassige Chance, hiermit die Leser aufzufordern, Dir zu schreiben, was sie sich alles von der ST-Computer wünschen? Bist Du damit einverstanden, dass wir am Ende des Interviews auch gleich mal die neue Redaktionsanschrift abdrucken?

Raukamp: Ja, klar. Ich bin sehr gespannt, so viele Meinungen wie möglich zu hören und so von Anfang an engen Kontakt mit den Lesern zu haben. In Kürze wird auch die Domain www.st-computer.net online sein, hier finden sich auch die Kontaktadressen. Aber veröffentliche ruhig auch meine Firmenadresse.

Goukassian: Bei uns, damit meine ich die Milan-Computersystems, tut sich eine unglaubliche Menge, und ich bin mir sicher, dass eine Reihe von Programmen, die speziell für den Milan durch uns in Auftrag gegeben wurden, auch dem Atari-Markt insgesamt zugute kommen werden. Bleibt's dabei, dass Du mich dann in einigen Wochen zum Thema Milan interviewst? ;-)

Raukamp: Das ist doch klar - und nicht nur Dich. Auch Axro bitte ich zum Gespräch. Immerhin tut sich soviel wie seit 7 Jahren nicht mehr, da sollten die Leser schon bestens im Bilde sein.

Goukassian: Thomas, vielen Dank, dass Du Dich schon 'mal einem Interview gestellt hast. Ich denke, es macht auf jeden Fall Sinn, dass die Kunden Dich auf diesem Wege schon einmal kennenlernen. Aber jetzt will ich Dich auch nicht mehr länger aufhalten, weil Du ja bestimmt weiter am ST-Computer-Konzept arbeiten willst, oder?

Raukamp: Was sonst! Würdest Du uns denn die Ehre erweisen, monatlich eine Kolumne für uns zu schreiben?

Goukassian: Keine Frage. Ich hatte Dir ja schon in einem unserer Vorgespräche angedeutet, dass es mir nicht so leicht wie bei der amigaOS fallen wird, die Finger aus dem Spiel zu lassen, was nicht bedeutet, dass ich Dir hineinpfuschen will;-)
Aber ich werde mich nach wie vor um interessante Beiträge bemühen und sehr gern meinen Kommentar zu dem einen oder anderen Marktgeschehen abgeben. Und soll ich auch ganz ehrlich sein? Ich freue mich außerdem darauf, nach über drei Jahren endlich wieder monatlich mit einem inhaltlich neuen Atari-Magazin beglückt zu werden! Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Erfolg und stets ein gutes Händchen bei der Artikel-Auswahl.



Aus: ST-Computer 12 / 1999, Seite 26

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