Die Geschichte ATARIs (2)

Die Geschichte Ataris stellt ein Stück des amerikanischen Traums dar: Von bescheidenen Anfängen bis zur Weltfirma und zurück erlebte das Unternehmen einen ebenso rasanten Aufstieg wie einen unerwarteten Fall. Mit dem Erscheinen des neuen Milan könnte ein weiteres Kapitel in dieser Geschichte geschrieben werden - Grund genug, die spannende Entwicklung noch einmal Revue passieren zu lassen.

Willkommen zur Geschichte von Atari. Wir wollen in diesem mehrteiligen Artikel nicht einfach nur eine technische Beschreibung der einzelnen Geräte liefern, sondern die abwechslungsreiche Geschichte des amerikanischen Unternehmens chronologisch so spannend darstellen, wie sie war.

Wir konzentrieren uns dabei auf nicht nur auf die 16-/32-Bit-Serie, sondern wollen auch andere Entwicklungen nicht gänzlich vergessen. Die Geschichte Ataris stellt durchaus ein gut erzählbares Stück Computergeschichte dar, das in den Goldgräberzeiten des Computermarktes seinen Anfang nahm und bis heute mit einer Perspektive weiterlebt.

Pong

Gegründet wurde die amerikanische Firma Atari am 27. Juni 1972 von dem Ingenieur Nolan Bushnell (der sein Ingenieurdiplom übrigens nach eigenen Aussagen 1968 als 197ter von 197 erhielt). Bushnell kam bereits während seiner Studienzeit mit Computern in Berührung und verwendete seine dabei gewonnenen Fähigkeiten auf die Entwicklung von Computerspielen. Inspiriert wurde er dabei von einem Spiel namens "Spacewar", das auf dem PDP-1-Minicomputer von Digital lief. Bushnell erkannte, dass damalige Computer viel zu schwer für normale Menschen zu bedienen waren: Sollten sich Videospiele also jemals durchsetzen, so müssten sie ebenso einfach wie die sich damals durchsetzenden Hifi-Anlagen zu bedienen sein. Das Ergebnis dieser Überlegungen ließ nicht lange auf sich warten: Das legendäre Pong war geboren, ein simples Spiel, bei dem die Spieler ähnlich wie beim Tischtennis einen Ball mit zwei Schlägern auf dem Bildschirm hin- und herschlagen müssten. Dieses bedeutet gleichzeitig den Start von Bushnells Firma Syzygy (was eine Konfiguration von drei Himmelskörpern auf einer Linie bedeutet). Dieser Firmenname war allerdings schon an eine Dachdeckerfirma aus Californien vergeben, weshalb Nolan Bushnell seine Firma in Atari umbenannte, was in dem japanischen Brettspiel "Go" in etwa soviel bedeutet wie der Ausruf "Schach!" in einem Schachspiel. Das dazugehörige Logo, ein stilisiertes "A", repräsentiert den heiligen japanischen Berg Fujisan.

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Die erste (von Bushnell selbst entwickelte) Pong-Machine wurde in einer Bar in Sunnyvale, Kalifornien, namens "Andy Caps" aufgestellt. Wenige Stunden nach der Installation rief der Besitzer dieser Bar Nolan Bushnell an, um ihn zu bitten, die Pong-Machine wieder abzuholen, da diese kaputt zu sein schien. Bushnells Frustration schlug in Windeseile in helle Freude um, als er erkannte, dass der Spielautomat nicht kaputt, sondern bereits bis zum absoluten Limit mit Geldmünzen gefüllt war. Zu diesem Zeitpunkt wußte Nolan Bushnell, dass er am Anfang eines erfolgreichen Unternehmens stand.

Im Jahre 1973 verkaufte sich die Pong-Maschine bereits so erfolgreich, dass die ersten Neider und Konkurrenten auf den Markt kamen, die von der geschäftlichen Unerfahrenheit des jungen Firmengründers profitierten. Magnavox, Hersteller der nicht sonderlich erfolgreichen Konsole "Odyssey", klagte Bushnell an, dass er seine Idee für Pong von dem Unternehmen geklaut hätte. Bushnell versicherte vor Gericht zwar die Unwahrheit dieser Behauptung, konnte den Richter allerdings nicht nachhaltig überzeugen und musste daher Tantiemen an Magnavox abgeben. Gleichzeitig veröffentlichten eine Vielzahl von Unternehmen Spielautomaten mit dem Spiel Pong, da Bushnell es versäumt hatte, sich diesen Markennamen eintragen zu lassen. Bushnell erkannte schnell, dass er seinem erfolgreichen Erstling einige geschützte Spiele folgen lassen musste, und so veröffentlichte er im Jahr 1974 weitere Automaten mit verschiedenen Spielen. Atari war 1974 klarer Marktführer im Bereich der Spielautomaten. Gleichzeitig wußte Nolan Bushnell jedoch, dass er Pong in die Wohnzimmer bringen musste, um einen weltweiten und nachhaltigen Erfolg zu sichern. Im selben Jahr veröffentlichte er daher die erste Home-Version von Pong, die durch die zunehmend sinkenden Produktionspreise deutlich günstiger war als die Odyssey und im Vergleich zu dieser sogar eine höhere Auflösung und überdies Farben bot. Anfang 1975 wurde die amerikanische Kaufhauskette Sears auf die Entwicklung aufmerksam und bot Atari an, alle Einheiten zu kaufen, die man im diesem Jahr produzieren konnte. Das Geschäft wurde ein großer Erfolg und Pong in den Vereinigten Staaten einer der erfolgreichsten Artikel des Jahres. Atari ließ diesem Erfolg eine Reihe von Neuveröffentlichungen folgen, darunter Ultra Pong und Video Pinball. 1976 erreichte das junge Unternehmen einen Jahresumsatz von immerhin 20 Millionen Dollar.

Wie schon vorher weckte dieser unerwartete Erfolg die finanzstärkere Konkurrenz. Mit dem „Fairchild Channel F“ kam die erste Konsole auf dem Markt, deren Module austauschbar waren. Ataris Antwort sollte das Projekt „Stella“ werden; um dieses allerdings umsetzen zu können, musste Atari sein Kapital weiter aufstocken. Aus diesem Grund verkaufte Nolan Bushnell sein Unternehmen für 28 Millionen Dollar an den Mediengiganten Warner Communications. Dieser investierte nochmals 100 Millionen Dollar in die Weiterentwicklung des Stella. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft 1977 wurde das Video-Computer-System, kurz VCS, und damit eine der weltweit erfolgreichsten Spielkonsolen aller Zeiten, veröffentlicht.

Für nur 200 Dollar erhielt der Kunde die Konsole zusammen mit 9 Videospielen. Das große Geschäft lag nun zum ersten Mal nicht mehr im Verkauf der Hardware (die praktisch zum Selbstkostenpreis abgegeben wurde), sondern im Verkauf von Cartridges. Und auf diesem Gebiet veröffentlichte Atari einen Hit nach dem anderen und wurde so zum erfolgreichsten Unternehmen der Branche.

Was andere können, können wir besser - die 8-Bitter

Zur gleichen Zeit entwickelte das ebenso junge Unternehmen Apple einen für jedermann erschwinglichen Personal Computer und entzündete somit die ersten Funken des aufkeimenden Computerfiebers. Apple verkaufte sein Gerät so gut, dass sich auch Atari zum Schritt in den Homecomputer-Markt entschloss. 1978 wurden der Atari 400 (Projektname „Candy“) und der Atari 800 (Projektname „Colleen“) angekündigt, zwei 8-Bit-Computer auf Basis des 6502-Mikroprozessors.

Designer des Boards war Jay Miner, der später mit dem Amiga einen weiteren erfolgreichen Rechner entwerfen sollte. 1979 wurden sie zusammen mit einiger Peripherie offiziell veröffentlicht. Sowohl die Grafik- als auch die Soundfähigkeiten waren weitaus besser als die der damaligen Konkurrenzsysteme von Apple und Commodore. Die integrierte Player-&-Missile-Grafik machte es Entwicklern einfach, ihre Videospiele an die neuen Rechner von Atari anzupassen (was außerdem durch die Tatsache erleichtert wurde, dass auch der VCS auf dem 6502 basierte). Gleichzeitig schätzten Anwender die einfache Bedienung durch das sehr gute Atari BASIC. Beide Maschinen wurden daher besonders in den USA zu einem großen Erfolg.

Firmengründer Nolan Bushnell verließ Atari im Jahre 1978. Mit ihm ging der legendäre "Free Spirit" des Unternehmens. Warner führte nun Kleidungsvorschriften und Stechuhren ein, was einige wichtige Programmierer dazu veranlaßte, Atari zu verlassen und die Firma Activision zu gründen.

1980 wurde mit Space Invaders die erste Automaten-Umsetzung für eine Heimkonsole veröffentlicht. Dadurch wurde die VCS-Konsole noch erfolgreicher. Es folgten weitere Portierungen, darunter das ähnlich erfolgreiche Missile Command.

Gleichzeitig wuchs aber auch die Konkurrenz, und so stand Atari unter Druck, endlich einen Nachfolger für das veraltete VCS 2600, das sich mittlerweile über 25 Millionen mal verkauft hatte, zu schaffen. 1982 stellte man daher den Atari 5200, einen Atari 400 ohne Keyboard vor. Dieser war jedoch nicht kompatibel zum VCS 2600, weshalb die Verkaufszahlen nicht die Erwartungen Ataris erfüllen konnten. Mehr Erfolg hatte in diesem Jahr eine weitere legendäre Umsetzung eines Arkade-Klassikers: PacMan wurde zu einem der meistverkauften Computerspiele aller Zeiten.

In der kommenden Ausgabe geht es weiter, dann berichte ich über die frühen achtziger Jahre bei Atari.


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 10 / 1999, Seite 58

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