MagiC auf dem iMac: Die Fortsetzung einer langen Atari-Tradition?

Er brachte Apple zurück in die schwarzen Zahlen. Er stellt einen Meilenstein in der Geschichte des Internets dar. Er sieht schlicht und einfach gut aus. Das amerikanische Magazin "Time" wählte ihn zur "Maschine des Jahres 1998".

Die Rede ist vom iMac, Apples erfolgreichen Homecomputer zum günstigen Preis.

Aber nicht nur Mac-Enthusiasten können die Vorzüge dieses neuen Rechners genießen. Seit ASH vor einigen Jahren mit MagiCMac einen leistungsfähigen Atari-Emulator für den Macintosh vorstellte, hat Atari-Software auch auf dieser Plattform eine neue Heimat gefunden. Besonders die Computer der Performa-Serie erlangten große Beliebtheit auch unter Atari-Fans. Der iMac könnte diese Tradition fortsetzen, da er einen klassischen Homecomputer darstellt und damit exakt den gleichen Kundenkreis anspricht, den Atari jahrelang mit ST, STE und Falcon anpeilte. Wie verhält sich also MagiCMac auf Apples "Knuddelkugel"?

Der iMac

Hauptmerkmal des iMacs ist sicher sein schickes und funktionelles Design:

Ganz wie die ersten Macs vereint er den eigentlichen Rechner und den Bildschirm in einem Gehäuse. Seine Leistungsfähigkeit bezieht der iMac aus seinem Hauptprozessor, einem PPC 750, der auch als G3-Chip bezeichnet wird. Apple hat in der relativ kurzen Produktionsphase des iMac mittlerweile bereits drei Revisionen veröffentlicht: Der originale iMac läuft mit 233 MHz, die zweite Ausgabe läuft mit 266 MHz, die aktuelle Version wird sogar mit 333 MHz angetrieben. Schnäppchen gibt es immer dann zu schlagen, wenn eine neue (schnellere) Revision veröffentlicht wird: Der Vorgänger ist dann immer ca. 500 DM unter dem Normalpreis erhältlich, der je nach Händler und Ausstattung zwischen 2.500,- und 3.000,- liegt. Ein Vergleich lohnt sich also auf jeden Fall, zumal einige Apple-Systemcenter den iMac sogar mit Extrasoftware und -hardwarepaketen ausstatten.

Geschwindigkeitsrausch

Wer bisher mit einem originalen Atari gearbeitet hat, dürfte sich nach Installation von MagiCMac in einem wahren Geschwindigkeitsrausch befinden: Die Arbeit mit Atari-Programmen auf einem iMac ist fast unglaublich schnell. Neben der ausgereiften Emulation kommt hier besonders die effiziente Programmierung vieler Atari-Applikationen zum Tragen, die man ansonsten nur auf modernen Clones wie dem Milan oder dem Hades zu spüren bekommt.

MagiCMac 6 selbst lädt innerhalb von fünf Sekunden. Wenn Sie dieser Wert nicht sonderlich beeindruckt, sollten Sie wissen, daß MagiC PC 6 fast eine ganze Minute benötigt, ehe es auf einem Pentium mit 233 MHz auf dem Bildschirm erscheint.

Nachdem MagiCMac geladen ist, sollten Sie besser Ihren Hut festhalten: Programme, die auf einem Atari normalerweise einige Sekunden brauchen, um bereitzustehen, erscheinen unter MagiCMac auf dem iMac fast augenblicklich - wieder ein Vorteil der schlanken Programmierung. Ani-Player spielt AVI-Movies in voller Geschwindigkeit ab und verbraucht dabei lediglich 20% der Prozessorzeit. Öffnet jin-nee! seine Fenster auf einem Atari Falcon in einigen Auflösungen noch relativ behäbig, so fliegen diese Fenster auf dem iMac geradezu auf den Bildschirm - egal, wieviel Icons das Fenster enthält.

Übrigens sind unter MagiCMac alle 16-und 24-Bit-Auslösungen vollständig verfügbar, während MagiC PC dafür zwingend ein installiertes NVDI voraussetzt.

Installationsprobleme

Einer der Hauptkritikpunkte am iMac ist, daß er kein Diskettenlaufwerk besitzt. Mac-User, die 99% ihrer Software auf CD erhalten, mögen darunter nicht sonderlich leiden. Atari-Besitzer, die nicht zufällig einen CD-Brenner an ihrem Rechner betreiben, sind jedoch auf die Verwendung eines externen Diskettenlaufwerks angewiesen. Diese sind bereits in großer Vielzahl für den USB-Port des iMac erhältlich und sind zumeist auch im Design des iMacs gehalten, kosten jedoch im Durchschnitt um 200,- DM. Eine Alternative ist die Anschaffung eines ZIP-Drive, das ebenfalls in einer USB-Version erhältlich ist und nur wenig mehr kostet. Allerdings müssen Sie in diesem Fall natürlich bereits ein ZIP-Drive am Atari betreiben, da das USB-Laufwerk ja hier nicht paßt.

Wie auch immer: Der Atari-Anwender muss sich auf Mehrkosten für ein zusätzliches Laufwerk einrichten, da nicht unbedingt damit zu rechnen ist, daß die Atari-Softwarehäuser in naher Zukunft ihre Updates auf CDs veröffentlichen.

Internet-User haben natürlich eine weitere Möglichkeit, da sie ihre wichtigsten Atari-Programme gepackt einfach über das Internet verschicken können. Da Atari-Programme in ihrem Umfang relativ klein sind, sollten die Kosten überschaubar bleiben - ärgerlich sind sie trotzdem.

Ein Tip am Rande: Wenn Sie sich entschieden haben, Ihre Programme zum Transfer auf den iMac auf CD zu brennen oder sogar per Internet zu dem neuen Rechner zu verschicken, sollten Sie sich vorher das Tool "Pygsmay" für den Mac besorgen: Dieses gaukelt dem Mac vor, daß ein Ordner namens "dive a" auf der Festplatte ein physikalisches Diskettenlaufwerk sei. Dadurch sind auch Programme zu installieren, die zwingend eine Installation von Laufwerk A: benötigen.

Ein weiteres "klassisches" Problem für die Emulation stellt die Eintasten-Maus dar, mit der Apple auch den iMac ausrüstet. Da einige Atari-Programme (jinnee, papyrus, CoNnect) jedoch für einige Funktionen nicht auf die rechte Maustaste verzichten können, muss sich der Atari-Benutzer eine der vielen verfügbaren Ersatzmäuse für den USB-Port kaufen - was er wahrscheinlich sowieso gemacht hätte: Die beim iMac mitgelieferte Maus ist ein reiner Designartikel und in ihrer Ergonomie wohl nur mit der Original-Atari-Maus oder einem Griff in den Müll vergleichbar. Die Maus ist kreisrund und sehr flach, weshalb ein ständiges Nachgreifen nötig ist.

"i" für "Internet"

Das "i" im Namen "iMac" steht für "Internet". Apple legt in seiner Werbung besonderen Wert auf die Feststellung, daß der iMac gerade für die User interessant ist, die einen schnellen und einfachen Zugang zum Internet haben möchten. Trifft diese Aussage auch auf Atari-User zu?

ASH vertreibt mit I-Connect seine eigene Zugangssoftware, die auf dem Atari große Beliebtheit gefunden hat und mit der einfachen Installation und Einrichtung durchaus mit der Apple-Software mithalten kann. Ich persönlich empfinde I-Connect im Vergleich mit Lösungen, die auf anderen Plattformen bereits erschienen sind, als vorbildlich. Auch unter Ma-giCMac läßt sich die Software ebenso leicht installieren und einrichten wie z.B. auf dem Falcon.

Der iMac verfügt über ein internes 56k-Modem, das auch unter MagiCMac betrieben werden kann. Alle Internet-Programme auf dem Atari können also das interne Modem des Mac benutzen. Durch die Realisierung des Modems als 10/100T-Ethernet-Port ist der Anschluß von Kabelmodems einfach, weshalb der iMac auch für die Zukunft der Datenübertragung bereits bestens gerüstet ist.

Wenn Sie es aus irgendeinem Grunde nicht schaffen, mit I-Connect oder STinG eine Verbindung mit Ihrem Provider hinzubekommen (oder das ewige Ablachen nach Erwähnung des Namens "Atari" bei der Hotline leid sind), so brauchen Sie deshalb als überzeugter Atari-Fan noch lange nicht unter MacOS zu "surfen": Eine Option in I-Connect ermöglicht es nämlich, den TCP-/IP-Stack "STIP" auch von der Atari-Seite aus anzusprechen. Somit können Sie Ihren Account also mit Hilfe der Hotline unter MacOS einmalig einrichten und ihn dann unter MagiCMac (plus I-Connect) z. B. für CAB oder den vorzüglichen EMailer nutzen - Applikationen wie aFTP oder MyMail, die STinG voraussetzen, funktionieren natürlich nicht. .

Apropos CAB: Der beliebte Internet-Browser für den Atari ist unter MagiCMac auf dem iMac wirklich sehr schnell. Obwohl er natürlich in seinen Features gegenüber den Mac-Applikationen Netscape und Explorer hinterherhinkt (besonders aufgrund des fehlenden Java-Supports), so kann er durch seine effiziente Programmierung seine Konkurrenten oftmals abhängen.

Das so lästige Dekodieren von Bildern, das selbst auf TT und Falcon fast unerträglich lange dauert, geschieht auf dem iMac fast augenblicklich - und zumindest hierzulande bedeutet Geschwindigkeit im Internet bares Geld.

Stabilität

Die Stabilität von MagiCMac ist über die Jahre außerordentlich hoch, es ist kaum zu bemerken, daß man mit einer Emulation arbeitet. Nur ältere Programme, die oftmals am GEM vorbeiprogrammiert sind (was fast immer auf Spiele zutrifft), sind nicht zum Laufen zu bewegen. Diese Probleme hat man aber selbstverständlich auch unter MagiC und N.AES auf einem Atari. Allerdings hat man auf einem Atari natürlich die Möglichkeit, unter TOS zu booten und die entsprechenden Applikationen oder Spiele so zu doch betreiben.

"Knallt" es doch einmal, kann der Benutzer durch Drücken der Tastenkombination "ALT+TAB" auf den Finder-Desktop zurückzukehren, um hier MagiCMac "per Hand" zu terminieren. Was sich banal anhört, ist auf dem iMac ein echter Vorteil: Dieser Rechner wird nämlich komplett per Software gesteuert, weshalb man nicht einfach den Power-Button drücken kann, um ihn auszuschalten. Die einzige Alternative zum Abschalten per Software ist, den Netzstecker zu ziehen oder mit einem Zahnstocher den versteckten Reset-Knopf zu drücken. Neuere iMacs halten auch eine Tastenkombination für einen Reset bereit.

Vom Blickpunkt der Kompatibilität aus ist der iMac natürlich nicht unbedingt der optimale Mac für die Atari-Emulation, da ja der 68k-Prozessor auf dem PPC emuliert werden muss. Wer also das Höchstmaß an Kompatibilität erreichen will, sollte sich auf dem Gebrauchtmarkt nach einem günstigen 040-Mac wie z.B. dem Performa 630 umsehen, der häufig schon ab 300,- DM zu finden ist. Allerdings erreichen Sie mit diesem natürlich nicht die Geschwindigkeit des iMac, bestenfalls aber die eines Atari TT.

Wer vor allem die alten ST-Spiele auf dem Emulator spielen möchte, der sollte lieber auf den PacifiST unter Windows auf dem PC greifen, da dieser auf ein ausgelesenes Original-TOS zurückgreift und die ST-Low-Auflösung emulieren kann.

Auch hier kann natürlich keine hundertprozentige Gewähr gegeben werden, allerdings sind die Chancen, alte Spiele wiederverwenden zu können, ungleich größer. Und wer eine vernünftige Betriebssystem-Emulation benötigt, der kann sowohl auf MagiC-PC als auch den STEmulator zurückgreifen und ist damit bestens versorgt.

Wer beim iMac Disketten nutzen möchte, benötigt ein teures, externes Lauwerk.

Falcon-Fans bleiben wie bei allen Emulationen außen vor: Sie müssen auf die Falcon-Karte für den Milan oder den neuen Phenix hoffen, wenn ihnen die Leistung des bisher unerreichten Originals nicht mehr ausreicht. Dieses Urteil bezieht sich natürlich nur auf Programme, die explizit die Falcon-Audio- und/oder Grafikhardware sowie den DSP voraussetzen.

Abschließend

Es gibt keine Diskussion: Ein G3-Mac mit MagiCMac ist der derzeit schnellste Atari-Rechner am Markt - diese Kombination ist schneller als der Milan, schneller als der Hades und viel schneller als ein Wintel-Rechner mit Emulator.

Viele Atari-Fans sehen Emulatoren wie MagiCMac jedoch lediglich als Brücke zu einem anderen System. Diese Einschätzung hat sich in den letzten Jahren leider bewahrheitet, wenn man den Abgang zu Plattformen wie dem Mac oder dem PC betrachtet. Trotzdem ist der iMac der nahezu optimale Rechner für alle diejenigen, die nach dem Rückzug Ataris aus dem Computermarkt lange Jahre auf einen neuen wirklichen Homecomputer gewartet haben, um ihre Software auf einer leistungsfähigen Plattform weiterhin zu betreiben.


Bengy Collins Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 07 / 1999, Seite 53

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