Quincy - Least Cost Harddiskrecording

Es gab sicher mal Zeiten, da wäre die Nachricht eingeschlagen wie eine Bombe: Das 8-Spur Harddiskrecordingprogramm Quincy wird nicht mehr von La Terre du Milieu vertrieben (diese Firma gibt es ja leider nicht mehr), sondern ist jetzt Shareware und kostet nur noch schlappe 60 Mark statt 300. Wie es nun aber mal so ist, wurde die Ankündigung eben von ein paar Leuten im Internet und im MAUS-Net zur Kenntnis genommen, vielleicht haben auch einige es schon "gesaugt", die ST-Computer brachte die News in der letzten Ausgabe, aber großer Wirbel blieb aus. Um etwas mehr Beachtung wirbt dieser Artikel.

Funktionsumfang

Wie schon erwähnt, handelt es sich bei Quincy um ein Programm, das das 8-Spur Soundsubsystem des Falcon zum Harddiskrecording nutzt. Dabei können sowohl die oft gescholtenen Aus- und Eingänge des Falcon selbst benutzt werden, als auch alle bekannten Hardwareerweiterungen wie SPDIF-Interface, JAM In/Out, Analog 8/4 oder auch das neue FAD (siehe letzte Ausgabe). Es kann in den Falcon-Frequenzen wie auch, bei Einsatz einer externen Clock, bei 44,1 bzw. 48 kHz aufgenommen werden.
Seit neuestem soll Quincy übrigens, durch die Verwendung von X-BIOS Routinen, auch auf Clones oder dem TT mit Soundkarte (StarTreck/Milanblaster) laufen. Als Testrechner diente allerdings ein Falcon. Zu der Digitalaufnahme kann ein MIDI-File (bis zu 16 Spuren) synchronisiert werden. Auf Wunsch kann von diesem aber auch nur die MIDI-Clock übernommen werden. Quincy verfügt über drei Effekte oder wahlweise einen zwei Band Equalizer. Aufgenommene Samples können spurweise in einem Editor bearbeitet werden (Copy, Paste, Delete, Im- und Export, Fade in/Out und ein paar andere Funktionen). Durch Remixes können mehrere Kanäle auf einen oder zwei verlustfrei heruntergemischt werden, was bei geschickter Verwendung die Möglichkeiten, die man für eine Aufnahme hat, noch um einiges erweitert. Desweiteren ist es möglich, den Rechner mit Quincy einfach als digitales Mischpult zu benutzen. Im sogenannten "Table-Mode" sind die Eingänge jeweils über Quincy mit den Ausgängen verbunden.

Das Arbeiten mit Quincy

Wie von anderen Recording-Programmen bekannt, muss zunächst auf einer ausreichend großen Festplattenpartition ein "Tape" angelegt werden, auf das Quincy dann später die Spuren verteilt. Beim Anlegen wird die Samplefrequenz (Falconfrequenzen oder extern) und die Spuranzahl (2, 4, 6 oder 8) festgelegt. Letztere kann aber auch nachträglich noch erhöht werden. Äußerst praktisch ist die automatische Prüfung auf Defragmentierung. Wird ein Tape angelegt oder geladen, gibt eine Alert-Box darüber Auskunft, in wieviele Fragmente dieses aufgeteilt ist. Um die Performance zu verbessern sollte bei zu großer Aufteilung ein Defragmentierprogramm zuhilfe genommen werden. Auch ein schon bestehendes Tape lässt sich so "flicken".

Info-Box 1
Nützliche Programme in Zusammenarbeit mit Quincy:
  • MIDI-Help.Acc zur Initialisierung der MIDI-Peripherie vor dem Abspielen
  • HP-Optimize zur Defragmentierung der Festplatte
  • Studio Son für einfache Masteringarbeiten (alle Freeware)
  • 525 als Samplekonvertierprogramm für den Im- und Export (Shareware)

Nun kann es auch schon losgehen. Der User hat als Hauptarbeitsfenster quasi eine virtuelle Mehrspurbandmaschine mit Mischpult vor sich, wie es ja mittlerweile für solche Software Standard ist (siehe Bild 1). Es müssen nur die aufzunehmenden Spuren selektiert werden (im Multirecord Modus können dies bis zu acht sein) und (wer hätte das gedacht) auf Aufnahme gedrückt werden. Die Sounddaten werden nun zunächst in eine temporäre Datei aufgenommen, und können direkt nach der Aufnahme angehört werden. Ist man zufrieden, wählt man in der erscheinenden Alert-Box "Accept" und die Aufnahme wird auf das Tape geschrieben. Insgesamt ist die Arbeitsoberfläche sehr übersichtlich und intuitiv zu bedienen. Feinheiten, wie etwa das Setzen von Locators auf dem Tape oder den Einsatz der Effekte versteht man sofort nach dem ersten Blick in die Bedienungsanleitung. Diese ist, wie übrigens das gesamte Programm, in hervorragendem Englisch (es sei denn, man zieht die französische Originalvariante vor), umfasst aber leider nicht den gesamten Funktionsumfang von Quincy. Bei entsprechender Nachfrage will der Autor dies aber ändern.

MIDI-Synchronisation

Wie schon erwähnt, kann ein Standard-MIDI-File zu der 8-Spur-Aufnahme synchronisiert werden (siehe auch Bild 3), wobei man in der Praxis natürlich normalerweise genau anders herum vorgehen wird. Das verwendete MIDI-File sollte allerdings vorher mit einem Sequenzer-Programm in die gewünschte Form gebracht worden sein, da in Quincy selbst überhaupt keine Editierfunktionen diesbezüglich vorhanden sind. Lediglich einzelne Kanäle können an- und ausgeschaltet werden. Die verstandenen MIDI-Messages lassen aber anscheinend nichts zu wünschen übrig, selbst Sys-Ex-Daten wurden problemlos umgesetzt. Somit hat man mit 16 MIDI- und acht Audiospuren einen für Homercording doch schon relativ großen Spielraum.

Der Editor

Die aufgenommenen Spuren können später noch im Editor bearbeitet werden (siehe Bild 2). Auf den ersten Blick fällt auf, dass die grafische Darstellung nicht unbedingt optimal ist. Es ist zwar neben verschiedenen Darstellungsmodi eine Zoomfunktion vorhanden, allerdings nur in Bezug auf die Zeitachse. Eine wirkliche Vergrößerung oder auch nur ein Strecken der Pegelausschläge ist nicht möglich. Mit ein wenig Fummelei sind die wesentlichen Funktionen (Ausschneiden, Einfügen, Löschen) aber ganz gut durchführbar. Auch Fade-Ins und Fade-Outs können relativ problemlos hergestellt werden, wobei es schade ist, dass der angewählten Block, nachdem man ihn zur Überprüfung angehört hat, erst neu selektiert werden muss, damit der entsprechende Menüpunkt angewählt werden kann. Darunter könnte in der Praxis die Genauigkeit doch etwas leiden.
Aus dem Editor heraus können Spuren auch als Samples exportiert werden. Als Format steht hier allerdings nur AVR zur Verfügung.


Das Editorfenster. Die schwachen Ausschläge dieser leisen Aufnahme können leider nicht weiter gezoomt werden. Prima ist aber, dass die Werte der verschiedenen Timerbereiche (Display, Position, Locators, Block) per DragÓnÓDrop untereinander ausgetauscht werden können.

Die Effekte

Quincy stellt die Effekte Chorus, Delay und Reverb zur Verfügung, wobei von diesen drei jeweils zwei gleichzeitig angewählt und im Mischpult auch direkt zugemischt werden können (siehe Bild 1). Jeder Effekt kann natürlich auch editiert werden. Alternativ dazu (nicht gleichzeitig) kann die Klangregelung angewählt werden, die sich allerdings auf Bass und Treble beschränkt, und die zudem fürchterliches Rauschen mit auf die Aufnah- me bringt - zumindest wenn man die Falcon Ein- und Ausgänge benutzt. Von den Effekten ist meiner Meinung nach der Hall überhaupt nicht zu gebrauchen, da er blechern und unnatürlich klingt. Delay und Chorus sind auch nicht umwerfend, können aber z.B. zum Aufpeppen einer Gitarrenspur durchaus eingesetzt werden. Insgesamt sind die Effekte eindeutig die Schwachstelle von Quincy.

Abmischen und Mastern

Was mit dem Mischpult während des Abspielens alles angestellt werden kann, brauche ich den geneigten Musikern unter den Lesern ja wohl nicht zu erklären. Sehr nützlich ist aber die Automix-Funktion von Quincy. Hier kann eine Abmischung quasi parallel zu den Acht Spuren mit aufgenommen werden. In der Praxis sieht das so aus, dass Sie Automix-Record anwählen, nach Lust und Laune abmischen, und sich das Ergebnis hinterher noch einmal in Ruhe anhören können. Die Fader bewegen sich dabei genau so, wie Sie es vorher getan haben. An Stellen, wo Ihnen das Ergebnis nicht gefällt, können Sie die Aktion sogar nachträglich löschen.
Weiterhin ist es möglich, sogenannte Groups von Reglern zusammenzustellen, die gleichzeitig bewegt werden sollen, beispielsweise für ein langsames Einblenden mehrerer Instrumente (siehe auch Bild 4). Auch ein praktisches Feature, schließlich hat man nur einen Mauszeiger.
Mastering Funktionen sind in Quincy in dem Sinne nicht vorhanden, es versteht sich ja auch als reines Recording-Programm. Es können allerdings alle acht Spuren auf zwei heruntergemischt werden, da Quincy auch auf bestehende Spuren, die gleichzeitig abgespielt werden, aufnehmen kann (hierfür sollte man aber die beiden, die hinterher überspielt sind vorsichtshalber vorher exportieren). Das so entstandene Stereo-Sample kann dann natürlich in anderen Programmen nach herzenslust nachbearbeitet werden. Für den schmalen Geldbeutel bietet sich hier sicherlich Sound Studio an (siehe Info Box).


Das MIDI-Fenster und die MIDI-Parameter. Die Einstellmöglichkeiten sind übersichtlich, wenn auch nicht besonders umfangreich.

Performance

Quincy benötigt wirklich die gesamten Resourcen des Falcon. Den Versuch, die MIDI-Daten mit dem MIDI-Help-Accessorie während des Abspielens zu verändern, quittierte Quincy mit der Nachricht "Disk not tracking", obwohl auf der Platte zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal etwas aufgenommen war. Trotzdem ist dieses Accessorie für die Zusammenarbeit mit Quincy zu empfehlen, kann man doch die Parameter der MIDI-Peripherie zumindest vor dem Abspielen/Aufnehmen noch einmal verändern. Desweiteren entstanden beim Testen schon in der Schwarzweißauflösung 800x600 Recording Probleme, was mich reumütig zu der normalen Auflösung von 640x480 zurückkehren ließ. Allerdings ist die gesamte Benutzeroberfläche auch auf diese eingestellt, so dass dieser Umstand nicht weiter stört - es sei denn man benötigt True-Colour Animationen während einer Aufnahme...

Aber ernsthaft: Quincy verlangt spartanisches Arbeiten, ansonsten kommt es zu einem "Bus-Overflow", der sich durch springenden Mauszeiger, Aussetzen der Aufnahme, verzerrten Sound oder im schlimmsten Fall durch Abstürze bemerkbar macht. Dabei ist zu bedenken, dass ja kein Falcon dem anderen gleicht, und es durchaus sein kann, dass ein User locker in 16 Farben arbeiten kann, während der andere überhaupt keine anständige Aufnahme zustande bringt. Hier hilft nur eins: ausprobieren! Die Sharewareversion ist in ihrem Funktionsumfang nicht eingeschränkt, läuft allerdings nur 30 Tage. Dies sollte zum Antesten in jedem Fall reichen. Machen Sie am besten sofort eine 8-Spur-Aufnahme mit MIDI-Synchronisation, und wenn es der letzte Unfug ist, und versuchen Sie dabei auch einen Remix, und das ganze noch in verschiedenen Farbauflösungen. Eine Beschleunigerkarte, die den Bus-Takt erhöht, wie etwa Nemesis, Centurbo I oder Speed Resolution Card sollte diese Probleme in Normalfall beseitigen können. Da es für Quincy auch einen Centurbo II-Patch gibt, ist anzunehmen, dass hiermit problemloses und schnelles Arbeiten möglich wird.

Womit wir beim nächsten Punkt sind: Besonders schnell geht die Arbeit auf einem Standard-Falcon auch nicht vonstatten: ist ein Track fertig aufgenommen, so kann man sich das Ergebnis aus einer temporären Datei heraus zunächst einmal anhören. Um diesen dann aber auch wirklich aufs "Tape" zu bannen, muss Quincy noch einmal rechnen und kopieren, was in etwa so lange dauert, wie die Aufnahme selbst - hier ist also im Zweifelsfall viel Warterei angesagt. Das Gleiche gilt für die Arbeit im Editor. Umfangreiche Copy and Paste Funktionen dauern einfach ihre Zeit, wobei hieran natürlich auch die Falcon-Hardware nicht ganz unschuldig ist. Auf Milan und Hades dürfte das schon ganz anders aussehen.

Erwerb und Support

In diesem Abschnitt ist glücklicherweise nur Erfreuliches zu berichten. Die Probleme, die beim internationalen Geldtransfer auch noch innerhalb der EU enstehen können, konnten durch einen rasch vonstatten gehenden E-Mail-Wechsel zwischen mir und Gilles Barges schnell gelöst werden. Die Methode, die für alle Beteiligten die günstigste ist, ist einen Euroscheck über 30 Euro an den Autor zu schicken. Bei allen anderen Transferarten, abgesehen mal von dem Senden von Bargeld, entstehen zu viele Gebühren. Dank der Schnelligkeit der Post und des Programmautors kam bereits nach einer knappen Woche der Registriercode per E-Mail. Nicht vernetzte User müssen sich natürlich noch etwas länger gedulden, aber an dieser "Lieferzeit" kann sich manch ein kommerzieller Versand ein Beispiel nehmen... Anfragen zu Problemen per E-Mail beantwortet Gilles Barges immer innerhalb von ein paar Tagen in ausgezeichnetem Englisch. Hier scheint jemand am Werk zu sein, der Dienst am Kunden wirklich groß schreibt. Ich möchte mich andieser Stelle auch nochmal bei Gilles Barges für die prima Zusammenarbeit in bezug auf diesen Artikel bedanken.


Das Group-Fenster zeigt die verschiedenen Möglichkeiten, Fader gleichzeitig zu bewegen.

Fazit

Zum alten Preis hätte ich Quincy nicht uneingeschränkt empfehlen können, dazu sind die Effekte und der Equalizer zu mau, und dazu gibt es einfach zu viele Unbekannte in der Zusammenarbeit mit der Falcon- Hardware (Bus). Für 60,- DM erhält man aber wirklich ein Super-Programm für den Einstieg ins Harddiskrecording, und Features wie die MIDI-Synchronisation oder der Mischpultbetrieb könnten sicherlich auch für den semiprofessionellen Bereich in der einen oder anderen Form interessant sein. Wer ein wenig Geduld beim Aufnehmen und Editieren aufbringt, kann mit Quincy eine Menge anfangen. Somit kann ich hier nur dazu auffordern, Shareware auch wirklich zu unterstützen, und sich nicht einmal im Monat ein neues Demo aus dem Internet zu holen (das wird auf die Dauer sowieso teurer...), und so dafür zu sorgen, dass dieses hervorragende Programm noch weiter gepflegt wird - die Motivation seitens des Autors ist sicher da, sie muss aber auch erhalten werden!

Preis: 30 Euro (Shareware eingeschränkt)
Bezugsquellen: ST-Computer PD-Disk 269
MAUS Hamburg, öffentlicher Programmteil
Internet: http://perso.pacwan.fr/gbarges
Kontakt: Gilles Barges
Les Tarrasses
St Esteve Janson
13610 LE PUY STE REPARADE
FRANKREICH


Henrik Klüver
Aus: ST-Computer 05 / 1999, Seite 11

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